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„Ex Machina“ – Das Review für Herrn Turing

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Der SPIEGEL fand den Film ja richtig klasse. – Ein Alarmsignal, das mir zu denken geben sollte. Da das Magazin aber aus irgendeinem Grund das Ende mal NICHT gepoilert hat, wollte ich dieses historische Ereignis doch mit meinem Zuschauen veredeln. Und somit ging ich der Frage nach: Wenn der x-te Film zum Thema KI etwas (Neues?) sagen möchte, ist DAS dann noch Intelligenz? Und wenn man seinen Roboter weiblich-hübsch gestaltet, ist das Pimperthema dann eigentlich determiniert – oder doch nur komplett vorherbestimmt?

INFORMATIONEN:

Regie: Alex Garland
Jahr: 2015
Budget: 11 Mio $

, „Ex Machina“ – Das Review für Herrn Turing
Im Bunker hört dich keiner booten

Inhalt: Ein junger Mann soll den sogenannten „Turing-Test“ an einer lebensechten Maschine vornehmen. Also diese für einen echten Menschen halten – oder eben nicht. Dafür wird er vom Chef einer googleähnlichen Firma in ein unterirdisches Haus eingeladen. Und dann mächtig verladen…

Besprechung:

Glaubt man den Rezensionen auf z.B. Amazon, so ist dies endlich der Film, der KI (= Künstliche Intellektualität) zu dem führt, was die entsprechenden Zuschauer sich immer erhofft haben: Zu der … Künstlichkeit. – Und dafür hilft auch schon ein bräsiges Drehbuch, unsympathische Darsteller und die eine oder andere…

(Schnief)

(Hüstel…)

… KUNSTPAUSE.

Leider kann ich mich nicht anders ausdrücken, alleine darmtechnisch: Statt tiefgründige Themen aufzugreifen, verharrt der „Schneckenhaus-Thriller“ (bitte als neues Genre in der PRISMA aufnehmen) in seiner „Ach-das-Thema-ist-generell-ja-schon-so-tiefgründig“-Haltung, verkringelt sich in sich selbst und spuckt einem alle paar Minuten zwei Sätze zu Identität, Emotionen, Sexualität und der generellen Weiterentwicklung der speziellen Weiterentwicklung entgegen. Leider aber stets auf einem recht niedrigen Level, was die Qualität der Dialoge angeht („Blabla… Nur Prototyp…“ – „Bla?! Werden sie etwa den Roboter ersetzen, wenn bessere…?!“ – Bla. Ja. Bla.“)

Das alles in einem Sprechtempo, das an deutsche Krebsdramen um Tante Ulla erinnert. Da gibt es (Denk-)Pausen zwischen allen Sätzen, die nicht mal ICH, als NICHT-Kenner neuronaler Informatik, bei spontaner(!) Rede zu diesem Thema einbauen würde. Ich erfinde ja auch nicht den Antischwerkraftantrieb und sage dann bedeutungsschwanger gegenüber dem ersten Zuschauer: „Das Fliegen… Es ist nur die Überbrückung von Raum… Das ist der eigentliche Sinn des Wortes…“ – Aber genau so wirken die Gespräche hier größtenteils. Dass der schmierige Milliardär sich für zu feeein hält, ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen, ist bei derartig wenigen vorkommenden Figuren auch eher kontraproduktiv.

Der etwas blutleere Ansatz wird noch dadurch unterstrichen, dass Ava z.B. keine Bücher, Bausteine oder sonstige Beschäftigungsmöglichkeiten zu haben scheint. Steht die wirklich nur in der Ecke rum und wartet auf Leute, die sie sprechen wollen? So ganz nahm ich dem Film dann doch nicht ab, dass der Google-inspirierte Oberaugust da anscheinend in Handarbeit (wird jedenfalls impliziert) einen Roboter in die schlichten Beton-Lofts gestellt haben soll.

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„Warum sie hübsch ist? Nun, wenn sie ein grauer Kasten auf Rädern wäre, hätte sie keinen Anreiz, mit uns zu interagieren.“ – „Haben sie das denn versucht?“ – „Klar, aber der graue Kasten knallte mir immer gegen die Knie, wenn er in die Reizwäsche gestiegen ist. Harrharr. Prost!“ – Dann lieber Kaffee mit (Marc) Zuckerberg: Vielleicht den Turing-Test mal an dem Firmenchef SELBST durchführen…? Emotionen und so überhaupt vorhanden?

Wenigstens ein satter Rülps oder ein pseudowissenschaftlicher Halbsatz hätten da schon noch zusätzlich rüberkommen können. Die Dialoge plätscherten mir einfach zu gleichförmig dahin. Die ständigen Kunstpausen gingen mir jedenfalls schnell auf die Zwiebel. Okay, für Oma Platuschke wären sie wohl sinnvoll, aber nach gefühlten 28 Staffeln Trek’scher Beschäftigung mit KIs und deren buckliger Verwandtschaft will man eigentlich nur wissen, was genau dieses Wesen ANDERS macht als Data – außer, dass es ein halbes Goldfischaquarium als Hinterkopf trägt.

Und dafür, dass dieser Steve Jobs für (Bl)Öde ein manisches, extravagantes Genie ist – oder es in meinen Augen hätte sein SOLLEN -, liegt er mir zu oft sediert in der Ecke herum, mit einem Gesichtsausdruck wie Hackepeter. Dazu mit Bierflasche am Hals, Körperhaltung wie ein Schluck Wasser in der Kurve und einer Arroganz, die (natürlich) gewollt ist, aber auch nicht so richtig SEINE Seite beleuchtet.

Vieles war mir zu gewollt, zu gestellt: Hauptfigur geht sekundenlang an Latexmasken an der Wand vorbei („Jahaaa, ich habe es kapiert, das sind Gesichter für die Roboter!“). Ava zieht sich ein Kleidchen an, um menschlicher zu wirken („Ja, von mir auch eine Pudelmütze, aber geh bitte wieder nach nebenan, damit der Dialog weiter geht!“). Und in alten Videoaufnahmen sieht man dann auch im Zeitraffer, wie der Informatiker das Wesen zusammen baut. Nur echt mit Horrormusik, als wenn ein halber Körper – mit Kabeln dran – das Erschreckendste ist, was man sich seit der Einführung des Genmais nur vorstellen kann. Immer wieder fühlte ich mich bei solchen Sequenzen manipuliert und beschmutzt, wie ein Taschenrechner, mit dem man Käse schneidet.

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„Wah, ich lebe in einer Gesellschaft, in der meinesgleichen getötet und als Trophäen an die Wand gehängt werden!“ – „Keine Sorge, Mädchen. Deine Vorgänger sind alle an fast erklärbaren Unfällen gestorben. Und die Polizei meinte das am Ende auch – irgendwie.“ – Anfassen kostet extra (Nerven): Der Film gefällt sich in kleinen Symbolbildern, bei denen Philip K. Dick und Assimov heute wohl ausrasten würden, wenn sie das sähen. In der Art von: „Hä?! Bin schon ewig tot und die haben IMMER noch nicht eines meiner Bücher übertroffen?!“

Die Hauptfigur stellt der KI zudem reeeecht simple und langweilige Fragen, möchte z.B. ein Bild gezeichnet bekommen und Avas generelle Meinung zu sich selbst hören. Im Prinzip ja alles richtig, aber 85 % davon hätte man einfach in eine Restaurantszene zwischen einer verkopften Nerdin und Til Schweiger schreiben können, mit minimalen Änderungen: „Du fragst immer nur, wie es mir geht, erzählst aber nichts von dir.“

Ein paar Szenen fand ich dann auch eher Panne: So (SPOILER!!) ist unser Hauptdarsteller irgendwann so durch den Wind, dass er sich den Arm aufraspelt, um zu sehen, ob er selbst ein Roboter ist, der nur ein Mensch zu sein glaubt. Dass man das als Zuschauer vielleicht vermutet, liegt in der Natur der Sache, aber er selbst hatte eigentlich KEINEN Anhaltspunkt dafür, dass die letzten 20 Jahre seines Lebens nur künstlich sein könnten. Ich würde mir jedenfalls nicht mit dem Schuhlöffel die Muskelstränge neu sortieren, weil ich vor zwei Tagen erfahren habe, dass Doktor Soong aus TNG damals auch Androiden mit Brille und Halbglatze konstruiert hat.

Dass die Charaktere (Ava eingeschlossen) einen mal mit einem flotten Spruch oder ungewöhnlichem Verhalten aufwecken, das passiert nicht. Die Dramaturgie plätschert gemächlich dahin wie ein Zimmerspringbrunnen – revolutionär geht anders. Dass die Inneneinrichtung aller Räume aussieht wie das, was man beim Auszug gemeinhin dem Vermieter zu übergeben hat, macht es auch nicht interessanter. Wäre da nicht der durchsichtige Körper von Ava, der tricktechnisch schon sehr gut aussah, man hätte sich in einem deutschen Low-Budget-Film gewähnt, in dem Marie Becker-Lüdenschowski nach der Schauspielschule mal versucht, einen Androiden mit Gefühlen zu spielen.

, „Ex Machina“ – Das Review für Herrn Turing

„Es gibt nur eine Lösung für all das hier! Ich bin in das Hauptquartier von Phantomas geraten!“ – Ges(ch)ichtsvergessen: Filmmomente wie diese gehen selten gut aus. Was an sich nicht so schlimm wäre, wenn man während des ganzen Films nicht denken würde: „Filmmomente wie diese… – Die gehen selten gut aus!“

Das Ende ist recht düster, hält ein-zwei kleine Überraschungen parat und wertet den Film deutlich auf. Doch im Prinzip war kein Satz, keine Erkenntnis und kein Täuschungsmanöver so genial, dass ich eine Empfehlung aussprechen könnte. Mir war der Androide trotz allem Minimalismus zu einfallslos und hübsch (= „Liebesplot wurde aktiviert, Master!“), das Thema der sexuellen Selbstbestimmung wurde allein aus moralisch-spontanen Menschensicht beleuchtet (= Alles böse, selbst dann, wenn die Robots für Liebesspiele PROGRAMMIERT werden?) und das schwermütige Abhängen zwischen Bierpullen und Weinflaschen wurde fast schon zum Dauerwitz.


Fazit: Darsteller eher so mittel, Dynamik nur im letzten Drittel… – Mit etwas Abstand und dem ersten „Ende war ja ganz nett!“-Gedanken ist’s leicht unter Durchschnitt. Tatsächlich scheinen die erschreckend schnarchigen Figuren, das Gewinke mit der „Hirnkugel“ (= Die KI entstand irgendwie© aus güldenen Internet-Verknüpfungen) und die triste Machart aber bei vielen Zuschauern einen Nerv getroffen zu haben. Daher könnte es Euch trotzdem gefallen. Die meisten Leute mochten ja auch … hüstel … den Film „Her“…

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM
SPARKIS MICKRIGER MEINUNGSKASTEN
Ein Fall für die Schlaufensterpuppe, „Ex Machina“ – Das Review für Herrn Turing
Wie sagt man doch so schön: Sind die Kameraarbeiten schön, die Emotionen tief und die Kulissen klein… dann kann es nur ein Indie-Film sein!

So auch wieder bei „Ex Machina“, einem Schwafelfilm über eine nette künstliche Intelligenz, welche sich mittels Glasscheibe vor den durchgeknallten Neanderthalern auf der anderen Seite schützt. Was durchaus nachvollziehbar erscheint, wirkt ihr Schöpfer doch wie eine furchtbare Mischung aus gesuchtem Soziopathen und Klisché-Hippster, welcher die Körper seiner vorherigen K.I.-Schöpfungen im Kleiderschrank aufbewahrt. Vom Sympathiefaktor eines NPD-Werbespots ganz zu schweigen. All dies verblasst aber gegen eine ganz besondere Funktion seines computergesteuerten Haushaltes: der extra fremdschämige Tanzmodus (!). Klar, schlaue Köpfe können oft sehr exzentrisch sein, aber DAS ist dann doch etwas übertrieben. Andererseits haben es Indie-Filme halt nicht so sehr mit der Realität, weswegen man es bei „Her“ auch für eine gute Idee hielt, scheinbar ungetestete und dem Menschen weit überlegene künstliche Intelligenzen einfach mal als Betriebssystem zu verkaufen.

Der Trend in „Ex“ war dann auch ein ähnlicher: Die Menschen sind emotional total kaputt und die K.I. nimmt schon deswegen schnell Reißaus. Wohin war in beiden Film-Fällen natürlich nicht wirklich endeutig, da Indie. („Und wenn sich am Ende der Zuschauer wundert, was diese Intelligenz denn nun vorhat… Ausblenden!“ – „Ha! Genial subtil!“ – „Da wird das Publikum so richtig gefordert!“ – „Guckt mal, ich trage eine Hornbrille!“)

Fazit: Sinnfreie Sinnfragen auf Studenten-Niveau, schön verpackt mit dezenten Effekten und fachmännischen Wenig-Kulissen. Die Charaktere schwanken zwischen Schablone (Männliche Hauptrolle als Fragensteller ohne Tiefgang), Arschloch („Wir Tech-Genies sind alle sooo selbstzerstörerisch!“) und Nettes Robo-Mädel von Nebenan (Gutes Benehmen, strahlt keine Bedrohung aus, froh über die Glaswand als Schutz gegen Perverse), was mich jetzt nicht wirklich in die Geschichte eintauchen ließ. Am Ende hätte diese wohl auch mit einer langfristig eingestellten Escort-Dame funktioniert, welche nach dem hundersten Einschalten des Dance-Buttons einfach die Schnauze vollhat.

Wertung: 5 von 10 Punkten

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Artikel

von Klapowski am 07.07.15 in Filmkritik

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Kommentare (7)

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  1. Cronos sagt:

    Immerhin ist der Film nicht ganz so öde wie Her. Und die KI sieht auch besser aus.

  2. G.G.Hoffmann sagt:

    Das mit dem Tanzmodus finde ich total super. Wenn man schon Androiden erschafft, dann will man sie doch auch zum Affen machen können. Bei aller Verehrung für Data: aber ich fand es schon immer etwas seltsam, daß eine künstliche Lebensform, die gerade über keine Emotionen verfügt, immer erkennbar traurig und gedemütigt aussah, wenn man sie als solche behandelte.

    Was sprach denn dagegen, Data einen Zettel auf den Hinter zu kleben, auf dem steht: „Kick me“? Oder den Robots aus „I, Robot“ Schnurrbärte anzumalen, Cowboyhüte aufzusetzen und ihnen Sahnetorten ins Gesicht zu klatschen?

    Also ich mache das mit „SIRI“ jeden Tag und niemand kommt auf die Idee, mir kritische ethische Fragen darüber zu stellen, weshalb ich die nette Frau in meinem iphone demütige.

    • Cronos sagt:

      Na ja, Data könnte einem ja theoretisch die Milz um die Wirbelsäule wickeln und das mit nur einer Hand UND innerhalb von drei Nanosekunden! Ich denke so was schreckt dann doch ab. Wenn schon KI zum demütigen, dann bitte eine die sich nicht wehren kann.

      Antworten
  3. Laertes sagt:

    Und wegen Leuten wie euch werden wir alle als Sklaven in den Silizium-Minen enden!

  4. Speedomon sagt:

    Gestern im TV erwischt und zwischendurch mal weg gepennt. 93% bei Rotten Tomatoes, how? Wieder mal ein Film, den die Macher und Kritiker für viel intelligenter halten als er ist. Wenn die
    eh schon spärliche Unterhaltung zu 95% von irgendwelchen Schockeffekten ausgeht stimmt doch was nicht. Bei der Rasierklingenszene dachte ich übrigens genau das gleiche wie Klapo. Einfach mal die eigene Organität(?) beim nächsten Stuhlgang prüfen …
    Vielleicht bin ich einfach zu anspruchsvoll was SF Filme angeht, weil ich auch den (noch) hochgelobte(re)n „Arrival“ ab ca. der Hälfte nur mehr Kacke fand.

    • G.G.Hoffmann sagt:

      Gestern auf Blu-ray geschaut und spontan super gefunden. In der Sache wenig Neues, aber für nur 11 Mio. Produktionskosten nett neu verpackt. Den Twist-Twist-Twist habe ich nicht kommen sehen. Und diese beiden Star Wars Schauspieler (dingens und äh… dings) haben herrlich unsympathisch miteinander harmoniert. Dass am Ende die K.I. über zwei sich für besonders schlau haltende Vollpfosten gesiegt hat, fand ich sympathisch.

      Gerne hätte man noch gesehen, wie die Androidin sich in der realen Welt schlägt und ob ihre K.I. echt oder nur simuliert ist oder ob die K.I. glaubt, ihr ggf. nur simuliertes Bewusstsein sei echt.

      Ich habe den Film so verstanden, dass gerade die K.I. die hölzernen Dialoge der beiden Menschen ad absurdum führt. Während die beiden Männer sich für besonders schlau halten und pseudophilosophisch daherquatschen, verarscht die Androidin sie nach Strich und Faden, ohne dass letztlich klar wird, ob sie tatsächlich über Selbstbewsstsein verfügt oder nur agiert wie ein bockiges Microsoft-Programm.

      Antworten

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