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„Surrogates“ – Review von Klapowski, dem sein Blechhaufen

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Gefahrlos in eine andere Rolle schlüpfen zu können, das ist ein großer Menschheitstraum. Fast so groß wie Sparkillers regelmäßige Versuche, mich (erneut) zum Spielen von „World of Warcraft“ zu überreden. Dass ein derartiges Treiben – sofern möglich, wie in diesem Film – süchtig machen kann, versteht irgendwann auch der tumbeste Level-12-Bruce-Willis. „Surrogates“ zeigt uns dieses fragwürdige Utopia (griech: „Nicht-Ort“) und sorgt dafür, dass wir NACH dem Film einsehen, dass wir auch endlich mal den hypothetischen Ort „Dystopia“ in seiner Bedeutung auswendig lernen sollten (= „Übelort“)…

„Sei Dein eigener Wackeldackel!“ – Was mich ein wenig ärgert, ist, dass das Ende des Trailers auch das Ende des Filmes zeigt. Aber man kann halt nicht alles haben! Daher gibt es halt ein gutes Marketing ODER spannenden Filmgenuss…

Was wäre, wenn man einen Roboter hätte, der stellvertretend für einen selber in der Öffentlichkeit herumlaufen würde? Jung, dynamisch, gutaussehend, mit einem gesunden Sexualleben und unempfindlicher als unser weiches Wassergewebe, welches genug Gründe liefert, uns alle miteinander „Spongebob Schwammkopf“ zu nennen? Was wäre, wenn wir diese Verkörperung unserer Idealvorstellung von uns selbst aus der eigenen Besenkammer steuern könnten? Eingebettet in eine Maschine, die alle Sinneseindrücke und bevorzugt -freuden unseres Roboterfreundes an uns zurücksendet? Was würde sich also ändern, wenn wir nur noch Marionettenspieler mit Körpergeruch wären?

Nun, wir müssten morgens keine Pickel mehr ausdrücken, den Rasierer nur noch anstellen, wenn wir befürchten, uns barttechnisch in unserer Scanmaschinerie zu verheddern und könnten – wenn wir genug Geld haben – unseren blechernen Körpererweiterungsheini auch schon mal von der U-Bahn überfahren lassen. Einfach, um mal gefahrlos und hautnah, ähm: hautfern zu erleben, wie das eigentlich so ist.

Man könnte als fetter Penisschwinger auf der Straße als attraktive Frau auftreten (was im Film auch thematisiert wird; die alte Sau!) oder als alter Knacker noch mal die Vorteile der Jugend erleben. Während in den Wohnungen fast nur noch klumpleibige und damenbärtige Menschen auf der Pritsche liegen, sehen die Straßen hingegen so aus, als wären die Bewohner des „Baywatch“-Strandes in die große Stadt gezogen!

, „Surrogates“ – Review von Klapowski, dem sein Blechhaufen

„Natürlich können wir Sex haben, Schatz. Denk nur bitte an den Schutz! Mein Unterboden ist noch nicht für Deine Direkteinspritzung imprägniert!“ – Manche Dinge ändern sich eben auch mit Roboterkörpern nie. Richtig surreal würde es aber erst dann werden, wenn diese ferngesteuerte Topmodell seinerseits auch noch mit einer kleinen Barbiepuppe spielen würde… Am besten eine, die im Spiel ebenfalls ihren kleinen Surrogate-Körper besitzt!

In der ersten halben Stunde sind diese gesellschaftlichen Veränderungen tatsächlich so ziemlich das einzig Interessante an dem Film. Die Mord-Story (= Irgendjemand kann die „Surrogates“ und die sie steuernden Menschen gleichzeitig zerstören) nimmt man notgedrungen mit, während Bruce Willis und Kollegin sich von einem Ort zum nächsten durchrecherchieren. Wirklich nah fühlt man sich den Charakteren allerdings nicht, wirken diese doch ziemlich glatt, langweilig gutaussehend und seltsam distanziert vom Geschehen. – Schwer ist es allerdings, dies auf der „Positiv/Negativ“-Skala fair einzuordnen, denn genau genommen MÜSSEN die Charaktere ein wenig „baywatchig“ daherkommen, da es sich hier immerhin um ferngelenkte Oberflächlichkeitssymbole einer neoliberalen Gesellschaftsform handelt.

(By the way: Wisst Ihr – jetzt mal im Ernst – was „neoliberal“ eigentlich bedeutet? Ja, schon klar: „Neu-Freiheitlich“. Aber was ist denn dann Alt-Freiheitlich? Und wie lange kann eine Idee „neo“ heißen, ohne in Wirklichkeit schon längst alt zu sein? 5 – 10 Jahre? Wie auch immer: Das Wort klingt irgendwie negativ, dubios und passt daher wohl in die oben beschriebene FDP-Welt. Ist Westerwelle eigentlich auch ein Surrogate mit defektem Grinse-Mechanismus?)

Viele Dinge fand ich jedoch sehr interessant. Wie zum Beispiel die Kriegsführung im Surrogate-Ländle funktioniert: Etwas weniger aufwendige Roboter werden serienmäßig in die Schlacht geschickt und sobald diese vor ihren Schöpf… das himmlische Fließband treten müssen, wird einfach ein weiterer an die Front gerotzt, ferngesteuert von ein paar menschlichen Soldaten, die irgendwo anders angestöpselt sind.

Entfernt erinnert das Ganze an „I Robot“, wobei die Entfernung sich beim genauen Hinsehen auf die Distanz „Erde/Mond“ erhöht. Schließlich geht es nicht um künstliche Intelligenz und neues Leben, sondern um künstliche Körper und ein total verpasstes Leben mit dem realen Fleischberg daheim. Und auch mit „Blade Runner“ hat der Film weniger Gemeinsamkeiten als meine Oma bei der vorschnellen Inhaltsdiagnose vermuten würde. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich sogar davon überzeugt, dass es dieses Szenario in einem bekannten SF-Film bislang noch nicht gegeben hat!

Und das rettet „Surrogates“ auch gerade so über die „Totales Mittelmaß“-Skala: Der Gesellschaftsentwurf an sich strahlt wesentlich heller als die 08/15-Verschwörungsstory um einen Hassprediger, der gegen die Roboter wettert. Es sind die kleinen Details, die mir gefallen haben: Öffentliche Aufladestationen, Schönheitssalons für Surrogates (inklusive „Einmal-Haut-Abziehen“-Service), Ehefrauen, die sich ihren Männern nicht mehr in ihrer wahren Gestalt zeigen und ihre Zimmertür verrammeln, ect…

Man muss also quasi die dösig-dröge Thriller-Geschichte ausblenden und den Blick in den Hintergrund verlagern, um nicht enttäuscht zu werden. So, wie man jemanden, der seine Wohnung mit grässlichen Ikeamöbeln zugestellt, höflich konstatiert, dass er immerhin „hübsche Tapeten“ habe.

, „Surrogates“ – Review von Klapowski, dem sein Blechhaufen

„Hey! Der Verkäufer des Schmiermittels der Firma ‚Contergan‘ hatte mir doch zugesagt, dass das Zeug garantiert nicht die Gelenke schädigen würde!“ – Da wir gerade bei den politisch anspruchsvollen Scherzen sind, kommt hier noch einer: Warum ist diese Szene hier wohl für das türkische Kinopublikum herausgeschnitten worden? – Na, weil es dort nicht erlaubt ist, auf den Völkermord an den Arm-eniern (1915-1917) zu erinnern. Hahaha! Ha? Haaa…

Bruce Willis spielt die meiste Zeit die übliche coole Sau, die mit zusammengenähten Augenbrauen mimisch darauf aufmerksam zu machen versucht, dass ihm irgendetwas gehörig gegen den Strich geht. Wirklich menschlich und greifbar wirkt er leider auch nicht, als sein Roboter zusammengeknüppelt am Kreuz der Widerstandsbewegung hängt. Aber wenn man diese Story im weitesten Sinne für den Titel „Akku, stirb langsam“ vorschlagen will, passt es schauspielerisch dann schon wieder.

Produktionstechnisch gibt es leider nichts Außergewöhnliches zu vermerken: Die Actionszenen sind relativ zahm und nicht sehr zahlreich, die Kameraeinstellungen gehören zum Standardprogramm der erkennungsdienstlichen Filmarbeit und die Musik ist mir überhaupt nicht aufgefallen (Blockflöten würde ich daher mal ausschließen).

Schön aber das „Design“ der Surrogates, die in der Regel ja nur Schauspieler sind, die ein wenig auf nuttig bzw. „callboyig“ geschminkt wurden. Eine gewisse Künstlichkeit in 5% der Bewegungen deutet gaaanz sachte darauf hin, dass es sich hier um blecherne Stellvertreterwesen handelt. Das gefällt und macht beim Gucken einen schlanken Fuß!


Fazit: Die Thrillerelemente sind gerade mal ausreichend für den hohlen Zahn. Vom „Zahn der Zeit“ gar nicht erst zu sprechen. – Da ist man heutzutage wirklich… nunja… zwar nichts BESSERES gewohnt, aber dafür etwas, das mit MEHR Selbstbewusstsein und Beratungsresistenz („Mehr Effekte, gnaah!“) vorgetragen wird.

Die gesellschaftlichen Implikationen (Toll: Elektrodrogen für Maschinenwesen!) haben mir allerdings Spaß gemacht, was mich in die unangenehme Situation bringt, das alles irgendwie zu bewerten. Machen wir es einfach so:

Grundidee & Gesellschaftskritik: 2+
Detektiv- und Verräterstory: 4+

Das macht im Durchschnitt, quasi nach Adams Surrogate-Riesen:

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SPARKIS MICKRIGER MEINUNGSKASTEN
Der blankpolierte Entertainment-Ersatz, „Surrogates“ – Review von Klapowski, dem sein Blechhaufen
Viele aktuelle Filme haben das selbe Problem, wie Bruce Willis in „Surrogates“: Was auf dem ersten Blick wie ordentliche Unterhaltung aussieht, entpuppt sich beim näheren Hinsehen oft nur als seelenloser Abklatsch mit leerer Bombast-Hülle. Welche Ironie, dass dieses Werk am Ende teilweise mit den selben Schwächen zu kämpfen hat.

Dabei mag die Welt durchaus zu „gefallen“, welche man uns hier präsentiert. Alle Robo-Doppelgänger zeigen uns eine aalglatte Version des Originals, als wenn dieses durch den Grafik-PC eines Mode-Magazins gerutscht ist. Keine Pickel, kein Schorf und kein Bierbauch verunstalten diese mechanischen Imitate, während die Originale im versifften Unterhemd lustlos auf dem „Steuer-Sofa“ liegen. Schön dabei auch die Anspielung auf aktuelle Online-Rollenspiele, wenn sich ein scharfes (weibliches) Model am Ende als verwahrloster (männlicher) Fettsack entpuppt.

Doch hinter all diesen Ideen versteckt sich am Ende eigentlich nur ein normaler Mordfall, der sich nur in den Details auf den Sci-Fi-Hintergrund bezieht. Das muss grundsätzlich nichts Schlechtes sein, nur kommt hier, anders als beispielsweise beim dezent ähnlichen „I, Robot“, nur wenig Fahrt auf. Und Charaktere wie der Anführer der Anti-Roboter-Sekte, welcher vorwiegend die besten Zitate aus dem Handbuch für religiöse Fanatiker von sich gibt („Gott ist auf unserer Seite! Hat er mir selbst gesagt! Genaaau!“) und dabei auch noch aussieht wie ein alter Bob Marley, helfen da auch nicht weiter.

Fazit: Nette Idee mit schönen Details (u.a. synchron schwankende Surrogates in der U-Bahn) trifft Lustlosigkeit bei der Produktion. Mit etwas mehr Feinschliff hätte es sicherlich zu mehr gereicht, aber so reicht es bei mir nur für die Note 3-.

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Artikel

von Klapowski am 04.11.09 in Filmkritik

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Kommentare (4)

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  1. chritz sagt:

    Jetzt werden nicht nur Serien, sondern auch Filme gereviewt, die in den deutschen Kinos erst Februar 2010 laufen…
    Also bei Serien kann ich den Hunger ja noch verstehen, aber ganze Filme runterladen wird doch sicherlich polizeilich kontrolliert oder direkt mit Abholung durch die Feldjäger bestraft… also, dachte ich immer?

  2. Sparkiller sagt:

    In Zeiten von Billigfliegern fliegt unsere ganze Redaktion gerne auch mal über den grossen Teich zum Besuchen der diversen Filmpremieren, zu welchen wir pausenlos eingeladen werden. Und wenn dies nicht gerade der Fall ist, werden wir natürlich mit kostenlosen Presse-DVDs und Werbe-Kugelschreibern totgeschmissen, jahaaa!

    (Hey, Daniel… pssst… ich hab das jetzt extra laut in das Kommentar-Feld geschrie(be)n. Meinst Du, wer unsere Seite abhört nimmt uns das so ab… ?)

  3. Hiramas sagt:

    hat was von ghost in the shell oder?
    wer dmir den film mal reinziehn wenn ich ihm mal über den weg laufen sollte.

  4. The Artist formerly known as Armleuchter sagt:

    Ich liebe Ghost in the Shell. Die Filme und die Serie.

    Den Film zu Stand Alone Complex hab ich mir seiner Zeit sogar auf Japanisch reingezogen, weil ich mehr von dem Stoff brauchte.
    Ist der überhaupt auf Englisch erschienen?

    Wenn hier ne ein GitS-Review erscheint, schreib ich vielleicht sogar endlich einen Kommentar, der zum Artikel passt.

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