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„The Whale“ – Die Kritik

„The Whale“ – Die Kritik

Wie sagt man so schö… schlimm? „Wer den Wal hat, hat die Qual“? – Nun ja, ganz so schlimm ist dieser Kunstfilm für Wa(h)lintellektuelle auch wieder nicht, aber andererseits drängt es mich seit Wochen, hierzu etwas zu schreiben. Klar, die Geschichte um einen Lehrer, der sich langsam zu Tode frisst, hat mit SF wenig zu tun, doch dafür schwelgten viele Zuschauer und Kritiker fast in utopischen Lobhudeleien, um dieses Werk zu bewerten. Doch ist es wirklich so einfach? Trauriger Blick plus tolles Schauspiel plus Doppelsize-Fatsuit-Plus und schon kommen die buttrigen Tränen vor Rührung? Wir checken’s kurz ab…


Inhalt: Charlie lebt nur noch in seinem Appartment, gibt ab und zu Unterrichtsstunden per Internet und wird von schimpfenden Krankenpflegerinnen, schimpfenden Exfrauen und schimpfenden Töchtern besucht. Nur der Missionar einer Freikirche schimpft ihn nicht – wohl aus religiösen Gründen?

Wird Charlie sich doch noch Hilfe suchen und in ein Krankenhaus gehen? Was wird aus seinen Bundesschatzbriefen? Gibt es gar noch etwas, das er vor seinem Tod berichtigen möchte? – Spoiler: Gott sei Dank nicht vieles.


Doch über Charlie selbst will ich – komischerweise – gar nicht so viel reden. Was auch daran liegt, dass er in seiner verschobenen Selbst- und Fremdwahrnehmung gar nicht sooo interessant ist. („Alle sind toll & wichtig. Nur ich nicht. Ich bin halt der Dicke.“)

Interessanter sind da fast die ganzen Nebenfiguren, die sich ihm aufdrängen oder ihn unterstützen. Und die sind dann auch das einzige Elemente, die einen dicken (Sorry) Einfluss auf das Leben von Charlie haben. Und sei es nur, dass er japsend abwinkt und sich nach deren Abreise noch mehr Essen ins Gesicht drückt.

Die Tochter ist – trotz meiner Trüffelschweinsuche nach tieferen Botschaften – einfach nur eine Psychopathin, der es an Respekt und Mitgefühl mangelt. Das muss natürlich nichts Schlechtes sein (einer muss ja schließlich in den Sozialen Medien alle anderen beschimpfen), lässt mich im Gesamtkonstrukt des Filmes aber kopf- und wampekratzend zurück: Was sollte das? Ist das sinnstiftend oder kann das woke… äh… weg?

Wollte man Charlie als menschenfreundlichen Engel darstellen, weil er sein verzogenes Balg bis zum Ende vergöttert? Hatte das Kind doch noch einen guten Kern, der bis zum Ende halt nicht so richtig rauskam? Wollte man uns zeigen, wie GUT ein Mann sein kann, obwohl er ganz andere Sorgen haben müsste? Aber was ist dann der Link zum Dicksein?

Man könnte doch auch ein weltfremder Kümmer-Kauz sein, wenn man dünn ist…

(„Ich geb’ dir all mein Geld. Wenn du mich vorher wüst beschimpfst, sogar das DOPPELTE!“)

„Charlie, willst du dich zu Tode fressen?“ – „Isst der Papst gerne Weihrauch-Zwieback mit Erdnussbutter?“ – Der einzige, der in Essen wohnen möchte: Der Literaturlehrer hat keinen Bock mehr auf sein Leben. Was sich dann komischerweise auf mich übertrug. MEIN Bock auf sein Leben wurde ebenfalls reduziert. „Wohl bekomm’s“ möchte man ihm wohlmeinend zuschnaufen.

Und ist das wirklich so ein cleverer Gedanke, dass auch schlechte Menschen aus Versehen(?!) ein Leben zum Besseren wenden können (hier geschehen bei dem jugendlichen Haustürprediger mit halb-dunkler Vergangenheit)? Oder ist das eher ein Beweis dafür, dass der himmlische Rollenspielwürfel auch ab und zu einen „Kritischen Erfolg“ bereithält?

Der Faktor Zufall ist hier eh ein großes Element. Niemand verbessert sich nachhaltig oder aus sich selbst heraus. Und wenn DOCH mal was (Positives) geschieht, dann durch Zufall oder durch die Böswilligkeit anderer. Die leicht manische Umsorgungstante und die Ex-Frau sind es jedenfalls nicht, die hier irgendwas reißen. – Das ist vermutlich gewollt, aber das kann man ja bei KUNST immer behaupten.

Man hätte hier wohl auch eine spontane Rattenplage oder einen Wasserrohrbruch sinnvoll umgedeutet.

(= „Das heraustretende Wasser steht für die außer Kontrolle geratenen Körpersäfte. Börps. Mir wird schlecht!“)

Zumal ich es vollkommen überzogen fand, dass Charlie als absoluter Literaturexperte (SPOILER) bei seinem nahenden Tod einen respektlosen Text seiner Tochter vorgelesen bekommen möchte. Ein Text, der kunstfeindlicher und anmaßender kaum sein könnte. Ob man „Moby Dick“ nun mag oder nicht.

Hier nahm es die Hauptfigur mit ihrer eigenen Literaturleidenschaft wohl nicht so genau? Kunst war/ist das ganze Leben vom schwergewichtigen Professor, ABER wenn jemand mit DNA-Ähnlichkeit einen dicken Haufen drauf machen möchte, geht dem dicken Onkel vor Rührung das Herz auf?

Im wahrsten Sinne des Wortes… Brrr…

Aber das passt ja zu seinen Schülern, die (Spoiler) am Ende nichts Besseres zu tun haben, als erschrocken auf das Webcam-Bild ihres Mentors zu starren. Und ihren Monitor mit hochgehaltenem Handy abzufilmen(!). Das Entsetzen ging ja sogar schon los, als man „nur“ den dicken Kopf sah – den man in Amerika auch freundlich als „oversized“ oder „fat-proud“ bezeichnen könnte.

Logo, der Regisseur wollte hier die Oberflächlichkeit der Gesellschaft darstellen, ABER wenn Charlie nicht mal als Mettigel-mögender Mentor irgendwelche Leute toleranter oder schlauer machen konnte, was hat er dann überhaupt bewegt?

Klar, er trauert um seinen verstorbenen Lebenspartner, von dem wir nicht übermäßig viel erfahren. Aber auch hier findet ebenfalls keine große Reflektion statt – höchstens in dem Spiegelbild der Butterlache auf dem Küchentisch.

„Vater, du hast mein Herz berührt. Erlaube mir, dir anerkennend vor den Koffer zu scheißen.“ – „Gerne, Tochter. Du findest ihn hinter den Reisetaschen.“ – Lieber Masochist als nur den halben Film durchjammern: Charlie ist weder Vorbild noch heroisches Abziehbild. Seine Heldenreise findet quasi nicht statt. Er endet exakt, wie er begann. Nur mit mehr Flecken auf der Buchse.

Lieber zeigt uns der Film theatralisch, wie sich Charlie schwitzend und keuchend durch das Wohnzimmer wälzt. Gerne auch mal nach dem Masturbieren oder dem täglichen Einlauf seiner Tochter („Stirb endlich!“), seiner Ex-Frau („Hier sieht es furchtbar aus. Gut, dass ich dich so ungern besuche!“), seiner Krankenschwester-Freundin („Ich bin immer an deiner Seite. Wo sonst könnte ich so besorgt gucken?“), dem erwähnten Zeugen Jehova („Es gibt eine Grund, dass ich hier bin. Dieser Film glaubt nämlich an Schicksal!“) und dem Pizzaboten, dessen tägliches Vorbeieilen mich fast noch am meisten gestört hat.

Auch, wenn uns der Film uns das – natürlich – als weitere „verpasste Chance“ aufs Tränendrücker-Butterbrot streichen wollte…

Am Ende ist dann alles gaaanz traurig und kitschig zugleich. Nichts wurde geregelt oder verbessert, abgesehen von Charlies gepimpter Einbildungskraft, die es bis zum Ende für schlau hielt, das gesparte Geld bloß nicht für’s Krankenhaus auszugeben.

„Ich sehe dich wirklich ungern leiden.“ – „Kein Problem. Ich drehe mich und ziehe mir eine fleckige Decke über den Kopf?“ – Letzte Reserven: Charlie trauert um seinen schwulen Partner. Dass seine (späte) Homosexualität dezent kritisiert wird, lässt mich verwirrt zurück. Ist es etwa tatsächlich GOTT, der Charlie hier mit besonders unwiderstehlichen Pizza-Sonderangeboten bestraft?


Fazit:

Ein trauriger Kitsch-Ballon, dem man am Schluss wahrhaftig beim aufgeblähten Schweben zusehen kann.

Das soll gar nicht so zynisch gemeint sein. Denn Zynismus hat der Film (versteckt!) selbst genug in sich.

Klar, alles Gezeigte ist natürlich Interpretationssache und mehrdeutig. Und jeder meiner Kritikpunkte könnte mit einem Deutschlehrer-Tafelschwamm von meiner geistigen Schiefertafel gewischt werden. (“Das ist anders gemeint! Der Wal aus Moby Dick ist das Streben der Menschheit nach Glück. Und nach mehr leckeren Kartoffelchips!“)

Aber da der Film sich wahnsinnig gut darin gefällt, einen ziemlich naiven Mann zu zeigen, der mit teilweise naiven Leuten eine ziemlich naive Schicksals-Ergebenheit zelebriert, leidet das solide Kammerspiel doch erheblich.
Alles brodelt im eigenen Sud – und nur blanke Koinzidenzen machen mal was besser. Oder mieser.

Ja, das Schauspiel von Brandon Frasier ist SEHR beachtlich, das Drehbuch aber nicht. Was wohl auch erklärt, dass ich auch zwei Wochen später am meisten damit beschäftigt bin, was zum Geier mit dem kaputten Vogel-Fütterungs-Teller vor dem Fenster geschehen ist.

Ein 50-Kilo-Spatz? Ein Dampfwalzen-Rabe? Verflixt, wo ist ein Literaturprofessor, wenn man einen braucht?

(*Spanferkel zum Anlocken vor die Haustür leg*)

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Artikel

von Klapowski am 14.11.23 in Filmkritik

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Kommentare (12)

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  1. Neuer Fan sagt:

    Hatte wegen der Tochter irgendwann abgebrochen. Hätte dieses vorlaute Mistgör mit meiner ganzen Körpermasse überrollt … Wääääh, wäääh, du warst nie daaaaaa *schluchz*. Das ist kein Film übers Fettsein, sondern eher eine Studie über selbstgerechte Frauen. Sehr realistisch, aber auch unerträglich, wie eben die Vorlagen für diese Figuren. Kein Wunder, dass sich die Männer nur noch fettfressen wollen und schwul werden. Tja, jeder für sich, Evolution scheiterte am Twitterfeminismus.

  2. Neuer Fan sagt:

    Das ist kein Film übers Fettsein, sondern über selbstgerechte Frauen, die viel fluchen und besonders abweisend, arrogant und unausstehlich sind, was wohl besonders emanzipiert rüberkommen soll. Sehr realistisch, aber auch unerträglich, wie eben die Vorlagen für diese Figuren. Kein Wunder, dass sich die Männer nur noch fettfressen wollen und schwul werden. Wenn es endlich weiche, warme Sexroboter mit LLM und guter Sprachausgabe gibt (wobei … lieber nicht?!), haben Frauen wirklich keinen Sinn mehr. Können ja lesbisch werden und Menschheit ist sowieso lieber auf Twitter als auf dem Mars.

    • Klapowski sagt:

      Da dringt aber viel Missgunst und Traurigkeit aus deinen Worten.

      Verständlich, schließlich kostete die Milch kürzlich noch 1,19€ (Inflation!) und die täglichen Ukraine-Kriegsnews sind nach bald 2 Jahren auch nicht mehr so spannend.

      Aber ich weise darauf hin, dass wir SO nicht argumentieren dürfen. Sonst heißt es bei der nächsten fein(!) formulierten Kritik an Discovery & Co. wieder, dass hier ja toxische Männer unterwegs seien, die sowieso alle Frauen hassen.

      Dabei haben die Roboterfrauen doch „echt schöne Hupen“ – sagt BergH!

      Antworten
    • Neuer Fan sagt:

      Es macht mich in der Tat sehr traurig, dass der fürsorgliche, verständnisvolle, liebevolle Frauentyp zumindest in den Medien gar nicht mehr vorkommen darf, oder nur als zynische (muss halt irgendeiner machen)-Version wie bei der Pflegerin. Das ist nämlich eine Stärke von Frauen, das „Bemuttern“ in schlechten Zeiten.

      Aber man kann die Verhaltensbiologie auch ignorieren lol. Jedenfalls wäre so ein Fall von Verwahrlosung in einer traditionellen homogenen Gesellschaft mit gesundem Geschlechterverhältnis unwahrscheinlicher – und auch Schwule, würde man sie denn tolerieren, hätten vielleicht als Erstes das normale Aufwachsen des Kindes im Kopf und dieses Gehenlassen würde jedenfalls nicht toleriert.

      Aber auch die Beziehungen und Familien in wirklich vorbildlichen Ländern wie Japan oder Südkorea sind angezählt. Internet und westlicher Kulturimperialismus werden auch da alles so ätzend machen wir hier.

      Hass, welcher Hass, ich glaube eher, der Hass kommt von den Eliten, die uns ein normales Leben nicht gönnen wollen. Mir tut es um jeden Menschen leid, der in dieser Welt eine erfüllende Beziehung sucht, ob Mann oder Frau.

      Antworten
    • JP1957 sagt:

      @Neuer Fan

      Himmel … das schreit ja gerade nach einer satirischen Entgegnung … aber die Weltlage macht mich grad so depressiv (verantwortlich: die traditionell homogene russische Gesellschaft mit ihrem noch „gesunden“ Geschlechterverhältnis und die gazäischen Heroen, deren Frauen sich noch auf das Bemuttern beschränken dürfen), dass mir die Energie fehlt.

      Und: Was soll dieses Gejammere über nicht erfüllte Beziehungen, wo ich doch hier seit Jahren (manche beobachten das ja noch länger) die traute Liaison zwischen Klapo und Sparkiller erleben dürfen.

      Antworten
  3. frank sagt:

    a propos zeugen jehovas…

    was ist eigentlich mit nupi?

  4. bergh60 sagt:

    tach auch !

    @Miles
    Zukunftia war Stus.de

    Nupi=?

    Dabei haben die Roboterfrauen doch „echt schöne Hupen“ – sagt BergH!
    Das habe ich nie gesagt, obwohl es stimmen könnte.
    Aber wer mag schon Hupen aus/mit Plastik.

    Da fällt mir ein Zitat von mir ein : (bezüglich Silikon Busen)
    Wenn ich Plastik sehen will gehe ich auf eine Tupperparty.

    Worum ging es nochmal in dieser Rezension ?
    Ahh ja Captain Ahab , oder so .

    Also meint man man(n) müsse sich diesen Film nicht geben, oder ?
    The Whale nicht Captain Ahab.

    Gruß Bergh

  5. Kulturdodel sagt:

    Das ist doch das Prequel zu Dune?

  6. Ferox21 sagt:

    Oje, ist es wirklich so unterhaltsam, einem übergewichtigen Mann bei seinem langsamen Sterben zuzusehen. Sicher kein Feel Godd Film und daher nichts für mich.

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