Film- und Serienkritiken

Der Latinum-Standard des Star Trek Universums

„Die Klapperschlange“ / „Flucht aus LA“ – Zwei Gastreviews

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Der Begriff „Tobias H.“ steht nicht nur für ca. 25% aller deutschen Namen – nein: er steht auch für die Fähigkeit, aus rätselhaften Gründen zu Klassikern gewordene Filme einem Klassikerreview zu unterziehen. Diesmal wendet er sich einer Schlange zu, die für viel Verwirrung im Namen einer dystopischen, von Mangelwirtschaft geprägten Weltordnung sorgt… Nein, wir meinen nicht die Warteschlage vor dem Supermarkt aufgrund der Corona-Regeln!


Ein Artikel von Tobias H.

Die Klapperschlange

„Escape from New York“ oder „Die Klapperschlange“, wie er perfekt übersetzt heißt, ist einer DER großen Filme der 80er. Die Figur des Snake Plissken zählte zu den einflussreichsten Anti-Helden überhaupt. Horror-Profi John Carpenter kam sogar ohne lebende Tote aus, als er diesen Film drehte.

Doch wie ist er jetzt, 40 Jahre später, anzusehen? Und was war mit seinem weniger bekannten und erfolgreichen Nachfolger?

In einer nahen und schon wieder überholten Zukunft: die Kriminalitätsrate in den USA ist explodiert und die ziemlich militaristische Regierung kommt auf die geniale Idee, alle echten und vermeintlichen Kriminellen auf die isolierte Manhattan-Insel zu pferchen. Dann wird aber die Air Force One abgeschossen und der Präsident und eine ungleich wichtigere MC (!) gehen verloren.

[Anmerkung von Klapo: Eine Musikkassette? Echt? Oder was anderes aus dieser Liste?]

Grund genug, den abgehalfterten Elitesoldaten Plissken in diese Hölle zu senden. Er soll die geheime MC holen – und wenn es geht auch den Präsidenten, aber wichtiger ist das Band.

Der muss schneller als jede Schlange sein, denn Mini-Sprengladungen zerfetzten seinen Hals, wenn er eine bestimmte Frist unterschritten hat und dann ohne den Führer der freien Welt dasteht.

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„Was? Den Kapitol-Sessel und die Flagge habe ich schon wieder rangeholt und nun soll ich auch noch den Obermacker retten?“ Undankbar: Snake wird wie Dreck behandelt, aber er gleicht das aus, indem er auch alles und jeden wie Dreck behandelt.

So sehr viel mehr ist eigentlich nicht über die dünne Handlung zu sagen. Anders sieht es optisch aus: der Film hat einen starken Blade Runner-Touch, obwohl er vor selbigen rauskam. Die stets übellaunige und wortkarge Hauptfigur kann überzeugen und man ist weit weg von jeglicher Wohlfühl-Idee, von wegen „gutes Herz“ oder gar, oh graus, „im Grunde netter Kerl“.

Nein, Plissken ist kein Held und wird auch niemals einer. Er ist ein desillusionierter Kämpfer, der sein Land hasst. Auch diese Figuren waren kurz nach Vietnam wohl keine Seltenheit in den USA. Dass er teilweise vernünftig wirkt, liegt vielmehr daran, dass sonst fast alle anderen Figuren noch amoralischer daherkommen. Somit ist diese Welt keineswegs nur auf der Gefängnisinsel ethisch am Ende. Tatsächlich ist der Kontrast zwischen drinnen und draußen gering: Gewaltbereite Idioten in Uniform sind vor der Insel und gewaltbereite Idioten in Lumpen sind auf der Insel. Auch die Gebäude sind draußen nur minimal ansehnlicher, da der graue Beton offenbar einmal pro Jahrzehnt sandgestrahlt wird.

Ein nettes Detail: Snake landet mit einem Segelgleiter auf dem World Trade Center. Die Szenen, in denen ein Computer den Anflugwinkel zeigt, waren übrigens die teuersten des Films. 3D-Gittergrafiken waren damals schwer zu kriegen, also malte man Leuchttinte auf Pappmodelle und filmte das dann alles ab. Ich persönlich denke, dass in der snakeschen Welt Computergrafiken generell so entstehen. Immerhin hat man ja genügend Zwangsarbeiter im ganzen Land.

Zugegeben, der Film hat seine Schwächen. Der wichtigste Antagonist, der New Yorker Duke, bleibt blass und bei dem viel zu netten Taxifahrer Cabbie muss man sich ernsthaft fragen, wie er all die Jahre dort überleben konnte. Im Finale wird die gerettete Geheim-MC, von der auf der ganzen Welt viel abhängt, erst von Snake gestohlen und dann vernichtet. Und der Präsident steht ziemlich dumm da, als er nur Cabby’s Mixtape zu hören kriegt. Das ist herrlich zynisch und besser als jede Charakterentwicklung. Die leicht trashige Elektro-Musik passt ebenfalls sehr gut.

Fazit: wohl der beste Film über einen fiesen Typen mit einem Kobra-Tattoo auf der Brust (keine Klapperschlange!), der jemals gemacht wurde. Die Atmosphäre ist dicht und trotz seines Alters passt dieser mit jedem weiteren Jahr immer angeranzter werdende Stil wunderbar. Die Aussetzer rund um unnötige Nebenplots auf Manhattan machen da wenig aus. Ein sehenswerter Anti-Film ohne große Botschaft, aber mit viel Flair.


Flucht aus LA

1996 war es soweit: Snake Plissken, die Figur, welche man weder vermisst oder jemals wieder was von gehört hatte, kommt zurück! „Escape from LA“ / „Flucht aus LA“ sollte ein grandioser Nachfolger in einer versifften Welt werden.

Leider ist der Streifen in etwa so viel Nachfolger wie „Das Erwachen der Macht“ für „Eine neue Hoffnung“. Er ist de facto eine Nacherzählung ohne jede Überraschung.

, „Die Klapperschlange“ / „Flucht aus LA“ – Zwei Gastreviews

So groß ist der Unterschied zum heutigen LA dann doch nicht. Schade nur, dass Capitol Records (links) pleite gegangen ist. Der Film wird womöglich eines Tages als prophetisch gelten.

Dabei gibt es feine Unterschiede, wenn man mal genau hinsieht: die Handlung spielt in LA, welches erst durch ein Erdbeben zur Insel wurde und unser Held hat keine kleinen Bomben im Hals, sondern ein Designer-Virus im Blut. Ihr habt richtig gehört, ein Virus, welches auf die Sekunde genau tötet! Und das in einer Welt, in der schon Röhrenfernseher fast noch als Utopie durchgehen. Und: ganz wichtig – dieses Mal geht’s im Mini-U-Boot zur Insel. Oh, es geht auch um die Präsidenten-Tochter und um eine Abschussvorrichtung für Killersatelliten anstelle der MC, die eine saubere Stromquelle draufhatte.

Soviel also zu den Vorwürfen ein Plagiat seiner selbst zu sein. Da wird die moderne Star Wars-„Resistance“ wirklich ganz neidisch, da sie die „Rebellion“ nachmachen musste.

Von Anfang an krankt der Film an vielen Stellen. War die Knast-ohne-Regeln-Idee auch schon in den 80ern etwas dämlich, so ist sie hier dämlich UND ausgelutscht. Das ist ein generelles Problem. Stellenweise lohnt sich dieses Machwerk für Freunde des Trashs aber dann doch. Unvergessen ist die Basketball-Einlage oder aber die gruselig animierte Surf-Sequenz durch die Straßen von LA. Da fällt der „Maps of the Stars“-Händler, den Snake irgendwann mitschleppt, kaum noch auf. LA ist so unfassbar schräg, dass es fast schon wieder was hat.

In puncto Worldbuilding sieht man hier tatsächlich mehr von der „Gesellschaft“ im Gefängnis. Der Antagonist (im Grunde alle Figuren, aber hier meine ich Snake’s Endboss) ist eine Che Guevarra-Parodie, die mir wider Erwarten mehr zusagte als der eher blasse Duke aus Teil 1.

Das Ende des Streifens kann dann doch überraschen (????), denn anstatt die Fernbedienung zu zertrümmern, wie einstmals die MC, setzt Snake die Satelliten ein und befördert die ganze Welt via EMP in die Jungsteinzeit zurück. Immerhin werden dann jegliche Zweifel ausgelöscht, ob er nicht doch einen guten Kern hatte. Am Ende kann unser geschätzter Schlangenträger dann entkommen.

Fazit: Unnötig wie ein Blindschleichen-Tattoo. Diese Neuverfilmung braucht kein Mensch. Bestenfalls als Trash-Event geeignet – aber dafür umso mehr.

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Artikel

von Klapowski am 05.02.21 in Gastbeitrag

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Kommentare (10)

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  1. JP1957 sagt:

    Die Filme kommen auf meine „Bloß nicht anschauen Liste“.

  2. Zuse sagt:

    Ich habe mich damals zum Glück nicht durch die echt gut gemachte Kino-Werbung (Aufsteller etc.) in den 2. Teil locken lassen.

    Beide Filme haben aber doch recht gute A bis B Klasse Darsteller in den Nebenrollen. Der 1. Film hatte was für 1980 und schon 3 Jahre davor waren die in Deutschland Laserschwerter genannten Lightsabers handgemalt – genau wie Tron später(?) auch. Das ist kein Negativ-Kriterium.

    Der 1. Film ist ein „echter“ Klassiker. Quasi neben Rambo der Start der 80er Action-Filme.

    Der 2. Film ist Was überhaupt? True Lies und Eraser, sogar der 3. Die Hard sind noch nicht lange her. Da dachte John Carpenter wohl „Das kann ich mit Kurt Russell nochmal besser als 1980 und all‘ die Anderen zusammen.“ War wohl nichts! Vampires war dann aber eine Wiedergutmachung.

    Wenn die Filme im TV laufen, bleibe ich gerne hängen. Beim 1. wg. der Kronleuchter an der Boss-Karre und dem dunklem Setting mit auch älteren (jetzt natürlich toten) Co-Stars.

    Beim 2.: Russell zieht das genauso ernst durch wie beim 1. Film, aber mußte doch erkennen, in welcher Soße er schwimmt: Der Scheck zählt am Ende.

    Let’s surf!

  3. Einheitskanzler sagt:

    Teil 1 hab ich nie gesehen, aber wenn ich das hier lese, brauche ich das auch nicht – scheint ja dasselbe zu sein wie Teil 2.
    Der war natürlich 08/15, hatte aber tolle Sprüche zu liefern :)

    „Wir haben ein fünfköpfiges Team hingeschickt, aber in den folgenden Stunden wurden alle bis auf einen getötet.“ – „War ja ’n Spitzen-Team!“
    „Verpisst Euch, ich fahr nach Hollywood!“
    „Ich hab doch gesagt, ihr sollt beten, dass ihr mich nicht wiederseht!“

    Herrliche Trash-Oneliner!

  4. sloan sagt:

    „Ein sehenswerter Anti-Film ohne große Botschaft, aber mit viel Flair.“

    Nein, die Botschaft ist anarchokapitalistisch. Snake landet als Söldner und Exsoldat auf den World Trade Center und muss den Präsidenten der an den Atom Koffer gekettet ist aus einer dystopischen Ruine von New York befreien. Atomwaffen, Städte und die Leute die da Regieren sind die Linken, die Leute die gerne viel umverteilen und alles vom Staat kontrolliert wollen haben, das sind die Bösen im Film. Der Filmpräsident ist ein Anspielung auf der Versagen von Jimmy Carter, quasi in der Hand der Terroristen. Snake scheißt auf den Staat und arbeitet für sich selber, sozusagen privater Unternehmer/Abenteurer. Bei L.A. geht es um die Grenzmauer und darum die Leute draußen zu halten, wo Snake quasi pro Einwanderung ist da sie gut für Wachstum im Markt sorgt. Abstrakt gedacht. Der Film ist anti Regulierung, pro Reagan (Hollywood Präsident) , anti Carter (Zu viel Regulierung, Militärischen Versagen im Iran) , pro Private Wirtschaft, wenig/keine staatliche Eingriffe.

  5. BergH60 sagt:

    tach auch

    Teil 1 ist Kult und in sich meist stimmig.
    Teil 2 ist S.C.H.R.O.T.T.

    Gruß BergH

  6. BergH60 sagt:

    P.S. Was dem ersten Film natürlich ungemein hilft ist der coole soundtrack.
    Diese treibende Snake Plissken Theme ist großartig.

    Gruß BergH

  7. BigBadBorg sagt:

    Teil 1 ist ein Klassiker den wir schon als kleine Kinder geliebt haben! Rauf und runter geguckt auf VHS!

    Dann waren wir älter, Teil 2 kam ins Kino und wurde von allen vernichtet. Mein bester Freund war drin und fand ihn scheiße.

    Ich habe ihn mir nie angesehen, bis vor einem Jahr. Er tauchte in meiner Liste auf, ich hatte nichts zu tun und gab ihm ne Chance. Die Erwartung war niedrig.

    Und ja, er ist nicht wirklich gut. Aber er war besser als erwartet. Er hat Trash-Charme, ein relativ ok’es Budget, die Schauspieler machen Spaß, und er war unterhaltsam.

    Kurz gesagt: Ich war angenehm überrascht. Vielleicht gucke ich ihn in 20 Jahren sogar nochmal, wer weiß. Wer also seine Erwartungshaltung runterschraubt kann schon Spaß mit ihm haben. Trash mit Sinn für Ironie halt. So schlecht wie ihn hier einige machen ist er nicht.

    Wer aber nur Zeit hat einen zu schauen, dem sei dann doch eher der großartige Teil 1 ans Herz gelegt.

  8. Tabularius sagt:

    Beide Teile haben offensichtliche Schwächen aber ich mag sie Beide.

    Der erste Teil hat ein echt gutes Worldbuilding das hauptsächlich durch die gute Inszenierung funktioniert.

    Und Teil2 hat den Perfekten Trash Faktor man fragt sich die ganze Zeit ob das ernst gemeint ist oder nicht!

  9. Kazairl sagt:

    Ich weiß ja eigentlich, dass der 2. Teil absoluter Mist ist, aber trotzdem mochte ich ihn mehr als den ersten Film, da ich Trash gerne ansehe, vor allem, wenn er so unterhaltsam ist wie der 2. Film.

  10. TheRealSnakePlissken sagt:

    Hallo Ostwestfalen!

    Seit Anfang 2018 kommentiere ich auf dem Schweizer Newsportal Watson.ch unter dem Nickname TheRealSnakePlissken. Natürlich angelehnt an den Twitter-Account vom Donald. Logo, der zweite Aufguss war echter Trash und Carpenter hatte auch nichts anderes im Sinn. Er wollte gewisse Trends in den USA karikieren, und mir kam beim Auftritt des Trampel–Präsidenten Anfang 2018 die frömmlerische Witzfigur aus „Flucht aus LA“ in den Sinn. Der US–Präsident mit grosser Fresse und beim kleinsten Erdstoss zitternd unterm Tisch. Eigentlich das Niveau von Simpsons oder South Park. Allein wie Russell als Snake die grimmige Miene den ganzen Film durchhält, da brauchte er nach jedem Drehtag wohl eine Gesichtsmassage. Der finale Knockout der Elektrizität weltweit war dann schrottiger in Szene gesetzt als in einem James Bond aus den 60ern. Dabei ging es nur um die Botschaft, dass, auch wenn der Strom weg ist, man sich immer noch ein Zigarettchen anzünden kann. Banal, aber that‘s it. Mit der Präsidentschaft Trumps wurde diese Fiktion ja von der Realität eingeholt, teilweise noch übertroffen.

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