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„Spider-Man – No Way Home“ – Das Review für Versponnene

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Endlich wieder da: Mainstream-Wochen bei MacKlap. Als ich kürzlich krank im Bett lag, hatte ich eine Vision: ALLE jüngsten Marvelfilme zu reviewen! Und zwar (jetzt kommt der Kracher) ergebnisoffen, tolerant und sensibel. Würde euch das gefallen? Das sind ja schließlich schon große Franchises, über die man als Medienschlaffer… -schaffender Bescheid wissen sollte. Allerdings: WENN die Filme jetzt TROTZ meiner Bemühungen totale Grütze sein sollten, müssen wir ALLE das wohl akzeptieren, oooder?


Für diesen Film brauchte ich mehr Anläufe als beim Heimischen Spinnwebenputzen.

Die ersten 20 Minuten waren so pubertär abschreckend, dass ich mir für den dritten Startversuch mehrere Tuben Pickelsalbe vor den Fernseher gestellt habe! – Dieses „Sofort loslegen“ mit Action, Sprüchen und Charakteren hat mich eher von der Welt abgestoßen. Das war so ein bisschen inzestuöses Dummgelaber, bei dem der Produzent (eine erschreckend große Maus mit roter Hose?) augenzwinkernd daneben steht und sagt:

„Natüüürlich weißt du noch, um was es in Peter Parkers letzten Film ging, oooder?! Wer braucht schon langsame Opening-Shots, mein Freund? Denn wir lieben alle Marvel. Wir fliiiegen alle hier drin. Und du wirst es auch!

Aber okay, man musste innerhalb von „wenigen“ Minuten etablieren, warum Peter Parkers Leben am Arschi ist, seitdem jeder(!) sein geheimes Alter Ego kennt – nämlich das als Russlandtroll auf Instagram. Erst später, beim Besuch von Doctor Strange, findet der Film die Lust an sich selbst. Und HIER zünden dann erstmals die vielen kleinen Dialoge, mühelos eingewobenen Querverweise um schieflaufende Zaubersprüche und andere Neck-Details. (Strange: „Ich wusste schon, warum ich keine Kinder will!“)

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„Dieses Universum ist nicht gro… kaputt genug für uns beide!“ – „Hey, bieg doch mal das Ausfahrtschild ab, harrharr!“ – Ich werde Kultur-Pissi-Mist: Irgendwie fehlt mir hier doch eine gewisse Vision der Hauptdarsteller und Gegner. In was für einer Welt wollen beide eigentlich leben? So ein kleeeines höherstehendes Ziel („Frühstücksfernsehen auch nach 20 Uhr!“) hätte mir da fast gereicht.

Die Arroganz von Doctor Strange spiegelte dabei wunderbar meine Skepsis an dem ganzen Film wider. So wie Giles bei Buffy, Picard bei TNG und Björn Höcke bei der AfD braucht es eben immer eine graue Eminenz im Hintergrund, die hochseriös alle Fäden zusammenhält.

Was folgt, ist ein solides Abfeiern der ganzen Spiderman-Filme der letzten 20 Jahre: Doctor Octopus, der komische Elektro-Lappen-Dude aus der Kurtzman-Verfilmung, der von mir sehr geschätzte Willem Dafoe UND natürlich mein Freund, der mich stets bei (fast) allen Marvel-Filmen besucht: Der Sandmann. Diesmal aber nicht als einschläferndes Sandmännchen, sondern als rieselndes Ungetüm.

Durch die vielen verschiedenen Figuren, die ebenfalls von etwas älteren Männern gespielt werden, bekommt der Film eine gewisse Erdung. Was sich gerade beim Sandman als weiteres Wortspiel anbietet?

Ja, kurz hatte ich sogar den Reviewtext im Kopf, wie schön es doch wäre, wenn all diese Bösewichte zusammenarbeiten würden und die Sinnlosigkeit ihres Tuns einsehen. So eine Art humanistischer Humus. Nicht dieses „Ich lege den Schalter im Kopf um und will wieder alle TÖTEN“-Gedöns, das wir bereits in jedem gut… äh… vorhandenem Anime bestaunen dürfen.

Aber klar, zu viele „Helden“ hätten den Koch versalzen, der hier vom Teig gebacken wird. (Sorry, der Film ist etwas wirr) Somit tauchen dann bald wieder die alten Rivalitäten auf. Und natürlich die anderen Spidermänner. Nämlich Tobey Maguire und der Dingsbums aus der Kurtzman-Werkstatt.

, „Spider-Man – No Way Home“ – Das Review für Versponnene

„Willkommen im Universum, in dem alle Städte auf die Unterseite von Chemtrail-Wolken geklebt wurden!“ – Eigentlich wäre dieses Traumbild passender für den Film „Inception“, der oft zu normal aussah. Aber okay, HIER geht es immerhin um ganz andere Seriositäts-Level. Konkret: Um eine magische Hutschachtel mit einem Zauberspruch drin. – DIE ist übrigens auch computeranimiert, da Zahnräder dran sind. Wer würde so etwas Verrücktes auch real BAUEN wollen?

Nein, ich will das Spektakel gar nicht kleinreden – was bei 2,5 Stunden Spielzeit eh sinnlos ist – , aber man muss sich als Freund guter Dramaturgie an dieser Stelle halt entscheiden, ob man eine knackig-clevere Story haben will. Oder ob es einem reicht, dass alles durch eratisch-erektile Erfordernisse… einfach… so geschieht, wie es geschehen muss. Gemeint ist die Marvel-Formel aus möglichst vielen Helden und Antihelden, die sich gegenseitig auf neue Effektshots abkloppen. („Hey, ein neuer Move mit Tentakeln UND Sand! Oscar-Nominierung, wir kommen!“)

Antagonisten sind dann eben für Anta-Zeug da. Und deren Seele ist nur ein ewiges Würfelspiel zwischen „Gut“, „Böse“ und „Kann nix dafür, der Computerchip im Kopf macht mich gut und/oder böse“.

Nachdem ich aber geistig ein paar Schritte zurückgetreten bin, konnte ich das Spektakel schätzen. Tatsächlich gefielen mir auch 80% der Effekte ganz gut, was teilweise schon deutlich weniger war.

Blöd wird es halt weiterhin, wenn z.B. der Echsenmann wie aus einem Werbespot für ein Turok-Videospiel aussieht. Oder wenn man beim Sandman manchmal einfach nur einen muskulösen Typen sehen will, den man mit Zahnpasta eingeschmiert und im Kindersandkasten rumgewälzt hat. Wobei mir schon ein paar reale Sandkörner auf dem Sofa reichen würden… Aber okay, „Praktische Effekte“ steht bei Marvel ja oft für „Praktisch unmöglich“.

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„Gefangene, willkommen auf Guantanamo. Wenn sie mal auf’s Klo müssen: Das Urinal-Portal wird einmal am Tag an der Zellendecke geöffnet!“ – Knast für (Anders-)Denkende: Interessant finde ich hier, dass niemand hier mal sitzt, eine Flasche Wasser oder eine Marlboro gereicht bekommt. Und da sagen die Leute immer MIR, nur auf dem Kritiker-Olymp wäre man ein abgehobenes, feinstoffliches Wesen…?

Umso mehr erfreute es mich, dass auch in der zweiten Filmhälfte noch persönliche Momente dabei waren. Der Tod einer wichtigen Figur, das Auftauchen der anderen Spidermen… Immer gab es ein paar REALE Momente, die den Zuschauer mit der Handlung verknüpften. Das ist bei so einem Spektakel durchaus eine Kunst, dass man z.B die Tante noch im Kopf hat, die ganz ruhig auf die beiden Spideys reagiert – und sie vorm Zubettgehen auffordert, bitte die Spinnennetze wegzuputzen.

Was die Motivation für den großen Endkampf angeht, bin ich zwiegespalten: Es ist ja mal schön, dass die Bösen diesmal keine menschheitsvernichtende Maschine anstreben, sondern „nur“ ihr Leben und ihre Kräfte behalten wollen. Aber irgendwie funktionierte das Konzept bei mir nicht. Wenn es um so ein verständliches (Grund-)Recht geht, fällt schon mal so eine gewisse Langzeit-Wirkung aus. Bei Thanos wusste man wenigstens, dass der auf seinem privaten Putin-Taschenrechner ausgeknobelt hat, dass es zu viele – lebende – Menschen im Universum gibt.

Hier geht es NICHT um unvereinbare Pläne für die Menschheit (z.B. Religion vs. Fake News), sondern um’s persönliche Wohl. Was auch immer das konkret sein soll, wenn die Bösen nur die Hobbys „Hintergehen“ und „Von hinten auf’n Kopp hauen“ haben?

Schon 5 Minuten nach dem Film wusste ich nicht mehr, was die vier Fiesen jetzt einzeln WOLLTEN. Außer dem blanken Überleben.

Zurück nach Hause? Spiderman-Omelett auf den Bratpfannen-Händen? Rache für die Geschehnisse im fünften Uralt-Film von Rechts? Irgendjemanden wiedersehen? Tochter, Oma, Marvel-Gehaltsscheck? – Oder doch nur wieder den bösen Computerchips im Schädel (= Doc Oc und Green Goblin) nachgeben, weil’s von führenden Industriedramaturgen empfohlen wird?

, „Spider-Man – No Way Home“ – Das Review für Versponnene

„Ich dachte, du wärst ‚Spiderman Nr. 3‘?“ – „Nein, die Drei war die Schulnote für DEINE Filme.“ – „Streitet nicht, sonst gehen uns die Multiversums-Gags aus. Wir haben nur unendlich… wenig davon.“ – Genau richtig: Und zwar der, in dem einer in den Raum kommt, „Peter Parker“ sagt und sich alle gleichzeitig umdrehen. Ein Klassiker! Aus heutiger Sicht natürlich etwas un-woke, weil man jedes Wesen als Individuum begreifen müsste?

Meist sind die Kritikpunkte eher egal. Denn das Timing funktioniert, die Figuren haben Wiedererkennungswert (Was machen eigentlich die „The Eternals“ gerade? Bleistifte mit ihren Laseraugen anspitzen?) und Multiversums-Gedöns schadet eh den wenigsten Filmen, die sonst nix auf der Pfanne haben.

Trotzdem blieben am Ende vor allem zwei Fragen zurück: Konnte nicht wenigstens das große Metallschild am Boden NICHT aus dem dem Computer sein? Und wieso muss beim finalen Notopfer-Augen-Buhu immer sooo kitschig die Morgensonne draufscheinen? Gibt es überhaupt irgendwas am Endkampf, bei dem man nicht anfangen will, gelangweilt in den eigenen Achselhaaren rumzuwühlen. („Huiii, sie kämpfen mal wieder an der Freiheitsstatue. Kult?“)

Zumal ich die Liebesgeschichte zwischen Spidey und MJ nicht als sonderlich emotional wahrnahm. Da waren die halben „Titanic“-Szenen von Tobey und Kirsten Dunst irgendwie romantischer… Hach.

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Als die Tränen Gondeln trugen: Am Ende geht es darum, WER sich überhaupt noch an WEN erinnert. Ich nehme an, dass hier langsam die Alltagserfahrungen der Marvel-Macher durchkommen? („Sag mal, hatten Iron Man und Hulk eigentlich ein Kind namens Venom?“ – „Ist doch egal. Das klären wir in ‚Schulmädchenre-Thor 13‘, wenn es sein muss!“)


Fazit: Einer der besseren Marvel-Filme. Was vor allem daran liegt, dass die Hauptdarsteller (und damit meine ich nicht die Polygone) sympathisch und „normal“ wirken. Gerade Tom Holland trägt das Ganze sehr fluffig. Dass ein falscher Darsteller einen Streifen komplett verändern kann, ist ja kein Geheimnis.

Auch die Wahl der Superkräfte schien mir hier das Geheimnis zum Erfolg zu sein. Ein Hulk oder Superman sind z.B. einfach zu MÄCHTIG. Aber einen Green Goblin, der einfach nur 500%… äh… 50% stärker als ICH ist, den kann ich mental kapieren.

Aber: Hätte man hier aber nur geringere Abweichungen an den Kochzutaten vorgenommen, wäre alles in sich zusammengekracht. Ständig ist man nur eine Millisekunde davon entfernt, das hier als jene ranschmeißerische Geldgrabschmaschine zu erkennen, die der Film halt ist.

Ein Film, der sich mit 20 Marvelfilmen davor und danach (oh Gott?!) messen muss. Ob nette Sprüche hier oder Fanservice da.

Weswegen ich in 5 Jahren niemals auf die Idee kommen würde, ausgerechnet DIESEN Spinnenschinken ein zweites Mal anzusehen.


Filmwertung ohne die letzten 20 Minuten:

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

Filmwertung mit den letzten 20 Minuten:

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM
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Artikel

von Klapowski am 09.12.22 in Filmkritik

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Kommentare (5)

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  1. Bolleraner sagt:

    Wie hoch genau wird denn Wilhelm Dafoe von Dir geschätzt? Ich vermute er ist lediglich um die 1,75m.

  2. Einheitskanzler sagt:

    Stimmt, den Film habe ich dieses Jahr auch gesehen. Schon ganz vergessen… Das war doch der mit dem Strange im Multiversum und vielen Cameos, oder? Hatte der eigentlich ne Handlung?

  3. Bergh60 sagt:

    tach auch !

    Also :







    Und das ist alles was ich zusätzlich zu diesem Film sagen möchte.

    Dafoe war mal gut , ist aber zu oft dem Geld hinterhergerannt.

    Gruß BergH

  4. Ferox21 sagt:

    Sicherlich der beste Marvel-Film aus Phase 4. Und auch ein guter Spiderman-Film.

    Logiklücken hat der Streifen natürlich auch und gefühlt ist er etwas zu lang, aber ich war vor einem Jahr, als er rauskam, doch sehr gut unterhalten worden.

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