Film- und Serienkritiken

Der Latinum-Standard des Star Trek Universums

„Transcendence“ – Die Kritik zum In-den-Computer-fahren.

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Eigentlich gibt es keinen Grund zum Meckern: Alle paar Wochen kommt ein SF-Film raus, der den Namen auch verdient (Life, Star Wars, Alien, Arrival, … ) und so mancher davon lässt mich meinen seit 15 Jahren anschwellende Star-Trek-Enttäuschung so sehr vergessen, dass ich bald sagen kann: „J. J. Abrams? Wer soll das sein?“… Doch „Transcendence“ ist nicht so ein Film. Vielmehr ist der sogar geeignet, einem das Genre zu versauen und mit Kreppband an einen Stuhl zu fesseln, um Lösegeld zu verlangen. – Doch schimpft selbst:

INFORMATIONEN:

Regie: Wally Pfister
Jahr: 2014
Budget: 100 Mio Dollar

, „Transcendence“ – Die Kritik zum In-den-Computer-fahren.
Wenn sie tranct, ist sie woanders…

Inhalt:

Nach einem feisten Mordanschlag liegt der Obertechnologe Will Caster (= Die „Willensrolle“ auf Deutsch, kapiert ihr? Genial, der Name!) im Sterben. Nur eine Übertragung auf einen Computer kann seinen Geist jetzt noch konservieren. Doch, oh Schreck!: Das Programm verhält sich gar nicht so berechenbar und will mit Hilfe der Witwe des Fleisch-Originals immer weiter wachsen! Und somit baut sie in einem Dorf eine gigantische Serverfarm(!), von der aus immer … irgendwas … passiert.

Besprechung:

WARNUNG, dieser Text enthält viele SPOILER!:

Eigentlich ein schöne Grundidee, möchte der Genrekenner meinen. Künstliche Intelligenz und reale Doofheit, das geht als Thema eigentlich immer.

Doch was mit der schönen Frage anfängt, ob man ein Lebewesen in einen Computer übertragen kann (= ja, überraschenderweise mit einer verdrahteten Badekappe innerhalb von drei Filmminuten), wird bald mit immer mehr Dramatikelementen angereichert. Das Problem dabei ist nur, dass jeder einzelne davon nur bierdeckelverdächtig aufgelöst wird:

„Ist die Hauptfigur jetzt nur eine schlechte Kopie ihrer selbst?“ – Antwort: Kann sein, kann nicht sein. Entscheidet im Zweifel die letzte Schmalzeinstellung im Film. Wegen Liebe und so.

„Was passiert, wenn ein Mann alle Internetdaten der Welt sieht?“ – Antwort: „Das Bankkonto der Witwe ist immer voll und Morgan Freeman steht besorgt am Fenster rum.

„Könnte dieser Mann Kriege und Unrecht aufhalten? Gar neue Arzneimittel entwickeln?“ – Antwort: Wenn vor der Haustür einer zusammengeschlagen wird, wird er natürlich verarztet. Der Rest der Welt ist mit 0,2 Millisekunden einfach zu weit weg, um sich drum zu kümmern. Jedenfalls bis kurz vor Filmende…

„Wie fühlt sich die Ehefrau neben einem körperlosen Serverpark?“ – Antwort: Vermutlich nichts so toll, aber es gibt ja auch noch hampelmännische Cyberaktivisten und reglose Regierungsbeamte, da ist keine Zeit für so’n Quatsch wie bereits etablierte Problemchen.

Und das sind nur VIER der interessante Dinge, die mehr oder weniger in der blassen Inszenierung versickern. Denn irgendwie setzt sich dieser Film zwischen alle Stühle – und reißt sich dabei den Popo an rumliegenden Platinen auf. Er erklärt zu wenig Technisches, um bei Nerds für frische Impulse zu sorgen, weigert sich aber auch beharrlich, die Anti-Nerds irgendwas fühlen zu lassen. Es sei denn, am Ende stellen sich noch mal die großen Fragen: Sich schnell opfern oder sich … äh… langsam opfern? Die Liebe bewahren oooder die Liebe erhalten?

Zumal der lahme Schluss am Anfang des Films schon angedeutet(!) wird, so nach dem Motto: „Hohooo! Ihr wollt doch sicher wissen, wie es dazu kaaam?“ (Nein, halt die Fresse!)

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„Ich hoffe, die Geist-an-Computer-Übertragung funktioniert so gut wie bei den Schimpansen?“ – „Oh, Mist! Johnny! Ich habe die Festplatte nach den Affenexperimenten gar nicht bereinigt!“ – „Ich merke hier drin nichts davon. Bleib also ruhig, pell mir eine Banane und zeig mir mal kurz deinen roten Popo, ja?“ – Über… Übeltragung: Dieser Teil des Films wirkte etwas profan. Doch ein gewiefter Autor kann das überspielen, indem er einfach auch den Rest übel schreibt.

Aber zurück zu den anderen Storyversäumnissen. – Die rumlungernden Dörfler werden ja z.B. irgendwann per Nanobots ferngesteuert… Haben sich die Alten und Kranken freiwillig gemeldet, was zumindest angedeutet wird? Okay, kann ich verstehen; aber warum auch die Kids, die wir dort sehen?! Werden die Leutchen von ihren Familien vermisst? Gehen sie noch mal nach Hause zwischendurch? („Du bist so anders, seitdem du 5 Tonnen aus der Hüfte heben kannst, Alfred!“) Haben sie den „Nanodrink“ in der örtlichen Kneipe genossen oder wurden sie nachts durchs Ohr „befruchtet“? Was DENKEN die immer noch teilselbstständigen Drohnen-Droschken über das alles?

Schlimmer sind aber die überbordenden Logikfehler, die mir mit jeder Minute auch noch den letzten Spaß aus der Platine quetschten. Das fängt damit an, dass die Gattin von Johnny Depp innerhalb von 2(!) Monaten auf dem Land(!) eine ultramoderne(!) Forschungseinrichtung von gigantischen(!) Ausmaßen errichten lässt.

Okay, der örtliche Handarbeiter und Grashalmkauer wird zwar mit den Worten „Stellen sie so viele Leute ein, wie sie brauchen“ begrüßt, doch dass der dann mal gerade die NASA und Microsoft hat kommen lassen („Joah, Datt Quantengedöns is jetzt feddich. Ich hab‘ ja nur datt Vogelhäuschen am Eingang gebaut, woll?“), halte ich für unrealistisch. Aber in diesem Universum scheint sich eh keiner für neumodisches Zeugs (Computer, nachvollziehbare Dramaturgie, verbindende Szenen…) zu interessieren.

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„Und wie habt ihr ihn in den Computer reingekriegt?“ – [Als amüsant-belehrende Antwort standen diesmal diese drei Ideen im Raum:] „Da müssen sie den Cutter des Films fragen.“ / oder: „ Auf dem Hammer und dem Brecheisen stand irgendwas von wegen ‚Quanten‘ drauf. Nur das ganze Blut war etwas störend.“ / oder: „ER ist nicht im Computer. Das ist unser Programmierer. WIR sind Holodeckfiguren im Alphastadium.“

Sogar die US-Regierung schickt anfangs nur einen starräugigen Spinner, der in der Kneipe die Infos zu dem weltbewegendem Serverpark unter’m Rübenacker entgegen nimmt. Gefolgt von ein paar seltsamen Figuren in drei Jeeps nebst Granatwerfer. NUR. Denn Flugzeuge und Antiterroreinheiten sind vermutlich zu gefährlich, wenn Johnny Depp nach einem lässigen Nebensatz das ganze Internet kontrolliert? Und bei mehr als einer Handvoll Gestalten bestünde die Gefahr, dass… öh… das Dorf zu voll wird? In der Mitte durchbricht?

Ja, wir sehen gar nicht, was die Übernahme von immerhin der … der … WÖÖÖLT bedeutet, denn die gesamte Handlung spielt ja nur in einem Kaff, das anscheinend nicht vom Web zu trennen ist. So erleben wir dann halt die ganze Zeit blässliche Cyberaktivisten am Windrad (warum die da auftauchen musste, weiß ich wirklich nicht), statt mal die Zigarrenspitze eines echten Generals aufblitzen zu sehen.

Aber gut: Immerhin versucht die „Regierung“ es irgendwann lobenswerterweise mit „Gewalt“.

Daher brauchte der Drehbuchautor wohl auch plötzlich die übermächtigen Nanobots, die wie Wasser aus dem Wüstenboden sprudeln. Diese kleinen Helferlein konnten dann sofort die zerbombten Solaranlagen reparieren und dienten somit als praktischer Film-Expander… – Ja, vermutlich hätten sie auch die Glasfaserkabel zum Städtchen wieder repariert, wenn denn überhaupt irgendwer auf die Idee(!) gekommen wäre, die mal versuchsweise zu zerschnetzeln.

Aber vielleicht wurden solche Details auch in einem Halbsatz am Zuschauer vorbeigeflüstert; schien mir eh eine Spezialität dieses Streifens zu sein.

, „Transcendence“ – Die Kritik zum In-den-Computer-fahren.

„Böser Maschinengeist! Ich beschwöre dich mit diesem heiligen Buch, den Serverpark zu verlassen!“ – „Lady, ihre Bibel bringt uns jetzt auch nicht weiter!“ – „Das ist keine Bibel, sondern die Liste der Besetzungscouchen, auf denen ich schlafen musste, um als … Pruuust… Cyberaktivistin durchzugehen.“ – Superhacker / Megakacker: Die Hälfte der Nebenfiguren steht nur rum und redet dummes Zeug. Die andere Hälfte gibt sich als Hauptfiguren aus und macht das gleiche.

Ob der „Held“ nun angeschossen, vergiftet oder in den Computer überspielt wird: Alles wirkt emotionslos hingerotzt, so als wollte man dem greisenhaften Sparschauspiel von Johnny Depp auf allen Meta- und Theta-Ebenen entgegen kommen… Gewöhnt euch dran, meistens nur seine leidende Mine zu sehen – gerne auch als blau wabernden Kopp auf’m Riesenmonitor. Gefühle und Nuancen darf man mit der Bildschirmlupe suchen…

Und natürlich können die Nanobots irgendwann (= kurz nach ihrer Einführung) FLIEGEN und sich bis in die Wolken verdrücken. Dann allerdings kriechen sie wieder minutenlang über die Straße, um omahaft ihre Gegner zu umtänzeln. Am Ende mischt sich dann alles zu einem zehnfach überwürzten Motivations-Eintopf: Keiner wurde getötet, aber irgendwie hätte es doch jederzeit passieren können. Alle sind irgendwie frei, und doch ist die Welt im Arsch. Und wir erfahren, dass Johnny immer noch ein Mensch ist, weil … weil … die weibliche Hauptrolle das am Schluss im Fieberwahn behauptet.

Nun, vielleicht bin ich einfach zu doof für diese Art Film, denn verstanden hab ich das Finale nicht. Höchstens Binär-Null, um genau zu sein … Wusste Johnny z.B., dass sich seine Geliebte für ihn opferte und opferte sich daher ebenfalls, um ihr Opfer nicht umsonst werden zu lassen? Hat er die Falle mit dem Computervirus (Gääähn) durchschaut und sich trotzdem mit ihr vereinigt, oder ist er voll reingefallen, hat ihr aber ultraschnell verziehen? Wollte er sterben oder auf ewig mit ihr verbunden sein? Wollte er die Welt übernehmen und verbessern oooder sie in die Steinzeit zurück-nanobot-isieren? Und wenn ja, warum? Oder wäre alles ganz anders gelaufen, wenn da nicht diese widerlichen Jeep-Fahrer und ihr Hund Scooby-Doo gewesen wären!?

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„Wir müssen ihrem Mann eine Falle stellen! Hier, spritzen sie sich eine uns unbekannte Technologie, in die wir ohne Probleme einen Computervirus eingebaut haben!“ – „Aber… Das macht doch alles keinen Sinn!?“ – „Deswegen wird er nicht damit rechnen, Lady! Und wenn sie drin sind, dann versuchen sie, einen Zeitreise in die Steinzeit zu machen, während sie Antimaterie erschaffen. Nur zur Sicherheit!“

Ah, und war die Bot-Pfütze am Ende jetzt die verbleibende Seele der beiden oder ihr toter, kläglicher Rest?

Ein bisschen musste ich tatsächlich an das grenzdebile Bücherregal-Ende von „Interstellar“ denken – nur dass die Macher hier nicht wussten, ob man ein klappriges Regal, eine massive Schrankwand oder ein gemütliches Loch haben wollte, um seine Bücher drin zu verstauen. Völlig visionslos, trostlos und logikbefreit werden wir aus einer Geschichte entlassen, die sich nach einer zusammengeschnittenen Miniserie anfühlt. Von den 100 Millionen Dollar Budget sieht man wenig, auch wenn man die 15 Millionen abzieht, die an Johnny Depp geflossen sind – der sich bedenkenswert wenig Mühe gibt.


Fazit: Witzloses SF-Derivat mit wenig echter SF und noch weniger Emotionen. Die Charaktere sind leblose Schnarchnasen, die beim Digitalisieren nicht viel „Seele“ zu verlieren drohten. Und da man die ganze Zeit nicht kapiert, was hier technisch machbar (und inhaltlich überhaupt GEWOLLT) ist, haben wir hier einen weiteren Anwärter auf den Titel „Thema verfehlt – setz… äh… falschrum einscannen lassen!“

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von Klapowski am 08.04.17 in Filmkritik

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Kommentare (1)

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  1. Tabularius sagt:

    Eigentlich ist der Film noch viel zu gut weg gekommen.
    Selten so einen langweiligen Mist gesehen.
    Versagt wirklich auf allen Ebenen.

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