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Black Mirror – „Bandersnatch“ – Die Kritik zum Selberkleben

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„Alle Wege führen nach RAM“: Die neue „Black Mirror“-Episode sorgte für einige Esslöffel voll mit Furore: Denn zum ersten Mal wird der Stream an wichtigen Stellen der Handlung pausiert, damit der Zuschauer entscheiden kann, wie es mit dem jungen Spieleentwickler dieser Geschichte weitergeht. Und so kann man selber mitbestimmen, wie, warum oder ob die Hauptfigur am Ende zugrunde geht… Was cool ist, da ich bei meiner fiktiven Klapo-Figur immer noch zwischen Erdbeerwein, Erdbeersekt und klassischem Schnaps hadere.

80er-Musik, 90er-Ideen und ein typisches 2000er-Review im Klapowski-Style… Ist irgendwas davon geeignet, uns heute noch die Schuhe über die Ohren auszuziehen?

Doch sind die vielen gangbaren Wege nur ein netter Gag, der sich schnell abnutzt? Oder ein geniales Feature, das eine TV-Revolution ausruft?

Wenn du willst, dass Klapo dies für einen sich abnutzenden Gag hält, dann gehe zu Möglichkeit 1.

Wenn du willst, dass Klapo dies für eine Revolution hält, gehe zu Möglichkeit 2.


M1

Leider ist das Feature der sich verzweigenden Story eher ein dämliches. Denn entweder funktioniert das Prinzip nur bei maximal verworrenen Storys (wie hier), ruft unnötige Zeitsprünge und Traumsequenzen hervor (wie hier) oder sorgt dafür, dass am Ende gar keine künstlerische Vision mehr erkennbar ist – da der Macher sich halt nicht festlegen durfte (so wie hier). Weil er damit beschäftigt war, zig Möglichkeiten irgendwie wieder zusammenfließen zu lassen. – Neee, Leute… Da reicht es mir schon, mir den Arbeitstag vom Lieben Gott vorzustellen.

M2

Die Idee ist ohne Zweifel genial! Den Zuschauer wichtige Teile der Geschichte selbst bestimmen zu lassen, sorgt für neue Möglichkeiten im mental leergesabberten Streaming-Alltag. Schließlich experimentieren die großen Dienste – Gerüchten zufolge – schon länger mit dieser Möglichkeit. Der Homo Smartphonos ist es schließlich gewöhnt, dass seine persönlichen Wünsche jederzeit und überall berücksichtigt werden. Und warum auch nicht in einer mittelmäßigen Serie? Die meisten Szenen hat man eh nach wenigen Wochen vergessen. Da kann man sich genauso gut auch die Handlungs-Rosinen rauspicken. Oder die alle paar Minuten erscheinenden Auswahl-Fenster zum Anlass nehmen, beim neuen Netflix-„Blockbuster“ überhaupt noch Aufmerksamkeit aufzubringen.

Was nun? Soll Klapo weiter draufhauen (M3)? Oder sich weiterhin von einer Welle der Sympathie mitreißen lassen (M4)?


M3

Blicken wir den Tatsachen ins Auge… Wir sehen hier eine Episode, die ihre Auswahlbildschirme für eine Dramaturgie nutzt, die selbst meinen Nasenlöchern zu popelig wäre. Denn ob hier nun Mysterien aus der Vergangenheit mitmischten, eine Art Computerspiel Gottes abläuft oder „nur“ die Hauptfigur irre wird: Am Schluss ist jedes Ende so gut(/schlecht) wie jedes andere. Okay, man sieht sich vielleicht so viele Enden wie möglich an, doch mit jeder alternativen Version verlieren selbst die GUTEN massiv an Bedeutung. Quasi wie bei den Marvel-Filmen der letzten Jahre. Denn wenn Kunst zur Knöpfchendrücker-Spielerei wird, macht das zwar kurz Freude, ist aber nur so innovativ wie ein Drehbuch, das noch nicht fertig ist. Da kann man sich auch an die Fußgänger-Druckampel stellen, bis endlich mal ein ROTES Auto ganz vorne anhalten muss… Und dann behaupten, dass man das Ziel interaktiv erreicht hat.

M4

Ich mag das Konzept! Zumindest in dieser einzelnen Episode. Zusammen mit meiner Freundin habe ich daher so ziemlich jede Möglichkeit durchgespielt, um auch bloß kein Easter-Egg zu verpassen. Und da die Hauptfigur sich teilweise dagegen „wehrt“, von uns gesteuert zu werden, bekommt man gleich auch noch einen hübschen Durchbruch der vierten Wand – was natürlich auch nur eine gut gemachte Illusion ist. Doch dadurch, dass auch die Hauptfigur ein Computerspiel mit multiplen Enden programmiert, gerät man noch tiefer in die wahnsinnige Geschichte. Das Ende ist dann auch fast zweitrangig, denn es geht um das Gefühl, so verloren und verwirrt zu sein, dass die eigene Psychologin depressiv wird, wenn sie einen von weitem sieht.

Soll Klapo noch mal nachtreten (M5) oder doch noch mal derbe abfeiern (M6)?


M5

Zum Schluss bleibt der fade Gedanke, dass man durch ein dröges Binär-Event (= Knöpfchendrücken und anderes Video triggern) zum begeisterten Netflix-Jubler erzogen werden soll. Dass eine Geschichte ohne richtiges Ende keine richtige Geschichte ist, das sollten wir wohl beim Einrichten des 48-monatigen Streaming-Abos vergessen. Dazu passt auch, dass wir erneut durch Schockermomente wachgerüttelt werden sollen – was Black Mirror ja neuerdings häufiger macht. Denn auch wenn man es zu vermeiden versucht, so kommt man doch schnell an eine Stelle, an der man eine Person umbringen und zerlegen/vergraben muss. Tut man das nicht, sieht man einen Großteil der möglichen Endsequenzen nicht. Kultepisoden und wirkliche Entscheidungsfreiheiten sehen anders aus…

M6

Ich bleibe dabei: Diese Episode ist eine der besten der letzten zwei Jahre. Die Darsteller spielen gut, optisch wird der nagende Irrsinn super eingefangen und ein bestimmtes Handlungselement um eine Telefonnummer (im Ernst: Kann man die richtige überhaupt rausbekommen? Wurde im Netz schon alles durchprobiert?) beschäftigt mich seit 2 Tagen nachhaltig. Und das muss man auch erst mal schaffen. So wirklich medienkritisch wirkt die Episode zwar nicht – gegen was soll man hier auch sein? Videospiele in den 80ern? -, versprüht dafür aber mehr Charme und Atmosphäre als die X-te „Auf dem Holodeck, da leben Menschen“-Folge.

, Black Mirror – „Bandersnatch“ – Die Kritik zum Selberkleben

Mogel-Spackung: Bei manchen sogenannten „Entscheidungen“ ist die Geschichte schneller vorbei, als man „Bandersnatch“ im Wörterbuch nachschlagen kann. Aber gut, so kommt man dann wirklich auf die angegebene Laufzeit von 90 Minuten, ohne irgendwas zu verpassen. Und beim zweiten Durchlauf ist man auch viel schneller wieder an dieser Stelle.


Wählen Sie bitte jetzt Ihr Fazit: Kritisch (M7) oder sanft (M8)?

Fazit M7: Eine reine Marketing-Folge für Menschen, die sich gerne instrumentalisieren lassen. Wer hier vor Freude ausrastet, hat vermutlich noch nie ein 20 Jahre altes, interaktives Videospiel ausprobiert. Die Geschichte wird mit jeder Sekunde beliebiger und die Möglichkeiten (inklusive Rücksetzfunktion, falls man sich „falsch“ entschieden hat!) werden einem teilweise so linear und deutlich aufgezeigt, dass sich die Episode sogar selbst drüber lustig macht.

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

Fazit M8: Eine schöne experimentelle Episode, die wenig falsch macht – dafür aber haufenweise Fragen darüber aufwirft, wer oder was unser Schicksal lenken könnte. Dass keines der Enden eine wirkliche Auflösung ist und auch keines wirklich positiv ist, sorgt sogar für Extrafreude beim überkritischen Betrachter. Denn so vermeidet man, dass der Zuschauer das vermeintliche „richtige“ Ende erreichen will. Bitte demnächst mehr solcher kleinen Kunstwerke!

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von Klapowski am 30.12.18 in Serienkritik

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Kommentare (3)

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  1. BigBadBorg sagt:

    Erstmal danke für dieses nette Review! Eine super Folge, schließe mich an!

    So, jetzt bin ich Weg 2 gegangen, scheiß Folge, hast absolut recht!

    Und genauso fühle ich mich nach dem Gucken von Bandersnatch. Eine tolle Idee, es funktioniert auch irgendwie ganz gut, aber habe ich danach genauso ein flaues Gefühl im Magen wie nach den anderen Folgen? Ja, ich meine dich, du Weihnachtsalbtraum-Folge!

    Nein. Habe ich nicht. Diese Folge beschäftigt mich in keinster Weise mehr wenn sie vorbei ist. Sind wir mal ehrlich, man versucht alle Enden zu finden, und dadurch wird die ganze Story bedeutungslos. Welches Schicksal die arme Sau am Ende erdulden muss ist nichts im Vergleich zu dem armen Teufel in dem Ei (ja, du bist wieder gemeint, Weihnachtsalbtraum-Folge).

    Es hat Spaß gemacht Entscheidungen zu treffen, es war ein spannendes Experiment. Aber dabei sollte es auch bleiben: Ein einmaliges Experiment. Die nächsten Folgen hätte ich gerne wieder dramaturgisch durchdacht bis zur letzten Sekunde, ohne mich herausreißende Unterbrechungen. Das kann hit and miss sein, aber es ist immer noch besser als das Chaos von Bandersnatch.

    Ich erlaube mir hier abschließend deine beiden Fazits zusammenzufassen: Super Erlebnis, aber es wird kein großer Eindruck hinterlassen. Bitte wieder zurück zum alten Format! Einmal war cool, aber das reicht auch.

    Ooooh, ist das Orville Staffel 2 Folge 1????? Ist es schon so weit?!? Tut mir leid ich muss weg!! Cu!

    • Serienfan sagt:

      „The Orville“? Du meinst von diesem wahnsinnigen Typen namens Seth MacFarlane, der tatsächlich glaubt, eine reine Charakter-Episode wäre als Auftakt einer neuen Staffel viel geeigneter als eine reine Action-Folge?

      Antworten
  2. 7ge sagt:

    die telefonnummer ist 20541

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