Film- und Serienkritiken

Der Latinum-Standard des Star Trek Universums

„Utopia“ – Review der Serie (mit Serienmördern)

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Es gibt Serien, von denen würde man nie etwas erfahren, wenn man nicht gelangweilt in der Thalia-Filiale stehen und trotz fehlender Blu Ray-Angebote (gibt es ja erst seit gut 10 Jahren, die Blaulinge) in der Auslage herumblättern würde. So geschehen bei „Utopia“. Das Cover verhieß zwar eine Art Kunstfilmprojekt in Verbindung mit einem Fehldruck bei der Umschlaggestaltung, sah aber trotzdem faszinierend aus. Klar, dass ich die Serie dann bei Amazon streamte. In HD. Auch Thalia muss es schließlich mal lernen…

Doch zuerst mal ein Trailer:

Britisch, schräg, britischer: Wem das hier zu künsterisch aussieht, der möge einfach abwarten. Staffel 2 wird deutlich mainstreamiger.

Zukunftia präsentiert: Überzeichnete Grün- und Gelbtöne wie in einem Limettenfachgeschäft. Weitformatige Landschafts- und Stadtaufnahmen wie im Fotokalender. Grelles Licht und ruhige Kameraeinstellungen. All das und noch viel mehr haut einem „Utopia“ gleich in den ersten Minuten um die Ohren – die man gemeinhin Augen nennt.

Aber Apropos Hörmuscheln: Auch die Musik sucht mit weltweit ausbleibenden Erfolg ihresgleichen. Mit ihren schrägen Klängen, die ich als Musik-Banause mal dem Genre des „Verstörinismus“ zuordnen möchte, baut die Serie eine Atmosphäre auf, die man sonst nur nach dem Konsum untertassengroßer Presspulver-Tabs hinter dem Bahnhof erwarten würde. Das Jaulen, Säuseln und Sich-Konventionen-Entziehen der Mucke sagen einem sofort, dass die Macher mal etwas anders probieren wollten.

Wie auch immer: Bevor man richtig verstanden hat, worum es hier inhaltlich NICHT geht (= Langweile, deutsche Sehgewohnheiten, massenkompatible Zugänglichkeit), wird man auch schon mit den ersten Gewaltszenen geködert. – Um das vorwegzunehmen: Die beiden Serienmörder, die (unter anderem) auf der Jagd nach dem „Utopia“-Comic sind, sind die interessantesten Figuren der zwei Staffel langen Serie. Wie sie gleich in der ersten Szene mit kleinen Gasflaschen die Besucher eines Comicladens malträtieren, dürfte allen gut gefallen, die Comicläden und ihre Besucher auf hassvolle Art kritisch sehen.

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Wenn das Gelb unterschwellig den Krankheitsgrad einer nicht ganz gesunden Leber widerspiegelt: Links oben sehen wir die Gruppe, die ein Comicheft zu enträtseln versucht. Rechts unten sehen wir den Gesichtsausdruck eines Mannes, der aufgrund langjähriger Häutungsversuche an Hunden und Katzen nicht mal den historischen Wahrheitsgehalt von „Asterix“ zu entschlüsseln vermag.

In 12 Folgen erleben wir hier außerdem, was einem z.B. im Gesundheitsministerium so passieren kann, wenn man ein Sekretär mit wenig Durchblick ist, dafür aber einem elitären Geheimbund in die Hände fällt. Genau: Man wird befördert(!) und arbeitet neuerdings für den Weltuntergang himself. – Auch sehen wir, was Verschwörungstheoretikern so passieren kann, wenn sie einen Schritt zu weit gehen: Sie liegen dummerweise richtig, werden gejagt, verraten und danach gleich wieder gejagt. Zwischendurch fragen einen die Bösen immer wieder „Wo ist Jessica Hide?“, bevor sie einem buchstäblich das rechte Auge auslöffeln, das man sich durch seine Zeugung eingebrockt hat. Da ist man schon fast froh, wenn Jessica Hide nach 20 Anfragen bezüglich ihres Aufenthaltsortes endlich in Persona in der Tür steht – und immerhin nur halb so abgebrüht und brutal daherkommt.

„Utopia“ lebt von solchen Bildern, fiesen Momenten und dem Gefühl, aus einem Alptraum nicht erwachen zu können. Der Serie gelingt sogar das Kunststück, dass man irgendwann gar nicht mehr so genau wissen will, was das Utopia-Manuskript genau bedeutet. Denn die versch(r)obenen Bilder, das schräge Feeling und die absurden Momente können nur unter einer logischen Enthüllung leiden – was auch immer sie ist.

Und so kommt es dann leider auch irgendwann, spätestens mit Staffel 2: Nachdem man den – im Genre nicht völlig neuen – Grund für die Verschwörung mehrerer Mikrobiologen erfahren hat, geht es nicht mehr um die Flucht vor nachweislich Irren mit Löffelchenstellung im eigenen Augapfel, sondern um die Verhinderung des Weltuntergangs. Wieder. Und wieder. Manchmal auch wider des Weltuntergangs. Oder dafür. Plötzlich verraten sich ehemalige Weggefährten, um dann 1-2 Episoden später doch wieder Seite an Seite zu kämpfen. Auch „LOST“-Zutaten wie der Charakter, der trotz Dauerbesuch stets nur das Allernotwendigste(!) aufklärt, wenn er nicht gerade vorgibt, die Sprache der Hauptfiguren nicht zu sprechen, wurden hier immer häufiger gesichtet.

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„Findet ihr diese Bildaufteilung nicht auch ungewöhnlich?“ – „Ja, man glaubt die ganze Zeit, dass man von einem zweiten Van auf der linken Seite beschattet wird.“ – „Schnauze, Leute. Eigentlich solltet ihr gar nicht zu sehen sein. Ihr seid im Casting nämlich durchgefallen und habt die Rollen nicht bekommen!“ – Bildseher wissen mehr: Gerade zu Beginn fühlt man sich eher „be-Kunst-et“…

Wo die Figuren vorher angenehm distanzierte Genossen waren, die sich der Optik unterordneten, kommen dann immer mehr Soap-Elemente dazu. Da werden verwandtschaftliche Verhältnisse aufgedeckt, die es nicht gebraucht hätte, vermeintlich Tote werden aus der Drehbuch-Mottenkiste gekramt, und am Ende hat jeder jeden ungefähr 2x belögen und betrögen – und ja, ich imitiere den Ossi-Dialekt absichtlich an dieser Stelle, weil das Ganze „Ich will auch mal überlaufen!“ doch etwas provinziell wirkt am Ende der zweiten Staffel. Wenn sich Charaktere plötzlich verlieben, wirkt das in der kühlen, bunten Artsi-Fartsi-Welt der Serie unpassend. Genauso wie Figuren, die nach 5-10 Folgen Zurückhaltung plötzlich meinen, vor Überforderung wild um sich schlagen zu müssen und auf den letzten Metern die Schattenwelt der pubertären Stimmungsschwankungen entdecken zu wollen.

Je soapiger die Serie wird, umso mehr leidet sie darunter, dass sie das am Anfang gar nicht sein wollte. Was ungefähr so wirkt, als würde ein Film von David Lynch plötzlich in eine „Tatort“-Handlung übergehen. Und sind die Gründe, dass geheime Informationen in einem zweiteiligen Comic(!) versteckt wurden, der entweder spät oder gar nicht dechiffriert wird, wirklich logisch? Ich bin mir selbst nicht sicher, ob die komplette Rückblick-Folge beim Start der zweiten Staffel wertvolle Infos preisgibt oder nur den Mythos zugunsten mittelprächtiger „LOST“-Mechanismen zerstört.

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„Ich reibe dir jetzt Chili in die Augen, dann Bleichmittel, dann diesen Löffel. Irgendwelche Anmerkungen?“ – „I-I-ich schwöre ihnen, dass ich das Kleingedruckte nicht gelesen habe, als ich als MANN alle ‚Shades Of Grey‘-Bände bestellt habe!“ – Zeit- und augenlose Momente der filmisch aussehenden Seriengeschichte: Die ersten Folgen sind die Besten. Die letzten die Drittbesten. Noch Fragen, Leute? (*Suppenkelle hochhalt*)

Wie auch immer: Die Serie ist trotzdem sehr gut, schon alleine aus dem Grund, dass sie nach 12 Folgen vorbei ist. Das mag jetzt wie der kleine Bruder von „Scheiße“ klingen, ist aber gar nicht so fies gemeint, weswegen ich die letzten beiden Absätze auch ursprünglich in pastelligen Neonfarben geschrieben habe, um sie abzuschwächen. Eben lieber 10 Stunden gute Unterhaltung mit Anfang, Mittelteil und Ende, als ein weiterer Versuch, eine Formel auf mehrere Staffeln zu strecken. Hust – Homeland – Hust…

„Utopia“ ist trotz deutlicher Schwächen gegen Ende ein Kleinod, das visuell und musikalisch genug auf der Pfanne hat, um im Gedächtnis zu bleiben. Wenn man auch Tage nach dem Konsum gegenüber dem unfreundlichen Nachbarn das Serienmörder-Musikstück summt, bestimmte Bildaufteilungen mit Bleistiften und Radiergummis auf Schreibtisch nachbaut oder gar im Einwohnermeldeamt mit dutzendfachen Nachfragen Antwort auf die Frage „Wo ist Jessica Hide?“ begehrt, hat man wohl doch etwas Gutes gesehen.

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„Halt, nicht umfallen! Hinter dir liegt eine überreife Tomate auf dem Boden!! Ich zeige dir mit meiner Wasserpistole, wo!“ – Bluter gegen Blut-Herr: Die erste Staffel ist ab 18, die zweite ab 16. Diese Szene dürfen wir euch natürlich nur zeigen, weil die zerdrückte Tomate von dem gnädigen Schlafi-Kopfi verdeckt wird. So kultig wie am Anfang sind die harten Szenen jedoch irgendwann nicht mehr…


Fazit: Super-Sonderedition einer britischen TV-Serie mit Eiern, dafür mit etwas weniger Episoden. Mehr als 12 hätten es aber wirklich nicht sein müssen. Denn schon bei der Serienhoffnung ehemaliger „Voyager“-Autoren namens „Helix“ haben wir die Bauernweisheit verinnerlicht:

Kräht der Virus auf dem Mist,
bleibt die Spannung, wie sie ist.
Tut er’s zehnmal dann am Tag,
man Virus nur begähnen mag.

Staffel 1:

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

Staffel 2:

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM
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Artikel

von Klapowski am 25.03.16 in Serienkritik

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Kommentare (4)

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  1. DerBeimNamenNennt sagt:

    Grad noch mal nachgesehen: FSK 18. Das bedeutet rechtlich: Werbeverbot. Kein Wunder, dass ich nie davon gehört habe. Wundert mich ehrlich, dass es eine deutsche Synchro gibt.

  2. Cronos sagt:

    Ich kannte die Serie noch nicht. Muss ich mir mal ansehen. Sieht ja ganz interessant aus.

  3. TurboTorte sagt:

    Mir gefällt die Serie richtig gut und ich hätte mir eine 3. Staffel gewünscht :) Es sollte auch ein amerikanisches Remake von David Lynch auf HBO geben, wurde dann aber eingestellt.

  4. TurboTorte sagt:

    …David Fincher natürlich *hust*

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