Film- und Serienkritiken

Der Latinum-Standard des Star Trek Universums

„Mr. Nobody“ – Ein Review für niemanden

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Willkommen bei den Kulturwochen auf Zukunftia! Da es in den letzten Jahren immer mal wieder Filme gab, die SF-Elemente mit tiefgründigem Arthouse-Chic verbanden, planen wir nun Sonderreviews unter dem Oberbegriff „SF-Thema – Aber bitte mit Pfeife!“ Lest also heute aus dieser Reihe etwas über den Mann, der irgendwie immer wieder was anders macht. Mal so, mal so, wer weiß das schon. Und der sehr alt wird, vielleicht aber auch nur träumt. – Wie? Nein, das ist nicht lieblos, ich kann es wirklich nicht besser beschreiben…

INFORMATIONEN:

Regie: Jaco Van Dormael
Jahr: 2009
Budget: 47 Mio $

, „Mr. Nobody“ – Ein Review für niemanden
Nemo braucht‘n Memo

Inhalt:

Der letzte sterbliche Mensch namens Nemo(!) wird – inzwischen steinalt – nach seinem Leben befragt. Dummerweise hat die Hirnfäule bereits zugeschlagen und so hält der Zuschauer das wirre Blabla für Zeitsprünge und Parallelwelten. Kann ja mal passieren.

Besprechung:

Im Ernst: Ich bin der Letzte, dem bei ein bisschen Filmgaga gleich der Kamm schwillt. Der irre SF-Kultfilm „Brazil“: Für mich eine leichte Sommerkomödie. Der verrückte „Wrong“, wo’s im Büro regnet und die Palme zum Tannenbaum mutiert: Für mein Gehirn fast schon zu konventionell. Lars von Triers „Antichrist“ mit sprechenden Füchsen und zerdepperten Geschlechtsteilen: Ein normaler Samstag-Abend-Film in meiner Geschlossenen. – ABER hier kam ich dann doch an meine Grenzen, was weniger an den ständigen Zeit- und Handlungswechseln lag, sondern an dem bräsigen Oma-Stil. Denn im Prinzip ist das der richtige Film für Leute, die sowohl SF lieben als sich auch gerne einen Porzellan-Engel in die Topfpflanze stellen. Also eigentlich ein Film für … niemanden.

Stellt Euch vor, „Butterfly Effect“ und „Wunderbare Welt der Amelie“ hätten durch die Macht der Lieb… der lieben Gussform einen Film gezeugt. So weit, so kultig. Dazu kommt aber noch die gefühlte Länge der „Herr der Ringe“-Trilogie, ein esoterischer Mischmasch à la „Tree of Life“ und ein ausdrucksloser Schönlingsdarsteller (Jared Leto), gegen den Elijah Wood wie der geborene Gangsterrapper wirkt. Tja, und wenn die Dramaturgie hier mal wieder nicht weiter weiß und sich in den Tiefen der Zeitsprünge, alternativen Realitäten und in der esoterischen Glaspyramide verlaufen hat, kommt einfach mal wieder ein Element auf den Tisch, das vor einer halben Stunde schon abgehakt schien. – Wieee war das noch maaaal, wo damals auf der Parkbank die drei Mädels…? Waruuum saß der Vater jetzt gleich im Rollstuhl…? Ach so, aus GAR keinem Grund. Gut, dass ich nicht ernsthaft nachgefragt habe.

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„Da geht er hin, der Zug meines Lebens, treu des Gedankens, fern des Gedenkens…“ – „Hey, Junge, geh da weg, da vorne ist es gefährlich…“ – „Oh, Bahnhof, folgend deiner Seele Butterbrot seh ich still dem Karottenbaum entgegen. Äh, haben sie gerade was gesagt, Schaffner?“ – „Nee, habe es mir anders überlegt. Bleib bitte genau DA stehen, jaaa?“ – Aus irgendeinem Grund hängen in der Schlüsselszene keine riesigen Schlüssel vom Himmel. Ein Filmfehler?!

Würden die zwei Hauptrealitäten namens „Aufgewachsen bei Mama“ und „Aufgewachsen bei Papa“ wenigstens abwechselnd gezeigt werden, ginge es ja noch. Aber so sind die ständigen Rückblicke/Rückschritte/Rückschnitte zu dem Nasebohr-Unfall im Kindergarten und der einstigen Bückschnitte (= Freundin aus Parallelwelt 3b) nur noch nervig und unwichtig. Der „Butterfly-Effect“ in der schlimmstmöglichen Variante. Und dieser Effekt wird sogar noch GENANNT und gezeigt.

Ist der Hauptdarsteller jetzt in den Pool gefallen, weil er in Universum 2b mit dem fahrenden Motorrad eine Eiche fällen wollte? Ist er in der SF-Handlung nur deswegen auf dem Mars, weil er in Universum 1a ein Autor ist, der sich von seiner alternativen Frau in Beziehung 7b abzulenken versucht? War er jetzt ein Penner, der über der Bank schwebt(!) und hat er sein Auto tatsächlich angezündet? Liebt er die Asiatin nicht, weil er den Unfalltod eines Nebencharakters vorhersah, was wiederum nicht mit dem Meteoritensturm über dem Mars zu tun hatte? – Und wieso bleibt er im Regen so lange stehen, bis die ultrawichtige Telefonnummer auf dem Zettel weggewaschen ist? 10-minütiger epileptischer Rumsteh-Anfall oder watt?

Und ist die ferne Zukunft mit den Hochglanzfassaden nur der Traum eines Kindes, wie am Ende angedeutet wird? Das wäre natürlich die pannigste Erklärung, scheint dieses Kind dann doch im Alter von 9 mal eben 3 bis 17 Lebenserfahrungen zusammengesponnen zu haben. Interessant, dass er sich da eine depressive Frau erträumt und philosophische Gedanken, die selbst den lieben Gott wieder gähnend an die Spielekonsole treiben würden.

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„Entschuldigen sie, guter Mann? Ihnen ist gerade ihre Schnapsflasche hochgefallen. Würden sie bitte die Scherben wegkehren, damit sich im Himmel keiner verletzt?“ – Symbolbild: Als Obdachloser macht Nemo die Erfahrung, dass man vom ungewohnten Verzehr von fester Nahrung plötzlich auf üble Trips kommen kann. Solche Filme mit dem gewissen „Cloud Atlas“-Faktor wären ohne NRW-Filmfonds wohl schon längst ausgestorben…

Da hilft es auch nichts, dass der Reporter in der Zukunft auch völlig verwirrt dem zusammenhanglosen Gefasel des 118-Jährigen lauscht: Außer der Botschaft „Entscheidungen sind irgendwie wichtig im Leben, wegen dem Entscheiden halt“ ist aus dieser kunstbesoffenen Parallel-Gähn-Welten-Farce nichts rauszukriegen, was irgendwie gehaltvoller als „Star Wars – Episode 1“ wäre.

Okay, viele Kamerafahrten, visuelle Ideen, Übergänge und Halluzinationen sind wirklich schön gemacht, wenngleich man sich bei manchen Bildern nur noch seine Schuhe in die Nase stecken möchte (krümmungstechnisch auf dem Sofa), wenn z.B. eine CGI-Walze den Straßenbelag aufrollt. „WARUM?!“, will man da fragen, in handelsüblichen Traumbüchern eher wenig von Straßenbelägen findend. Schade, denn mit ein bisschen weniger Kitsch (wenn ich noch einmal ein CGI-Blatt durch die halbe Weltgeschichte fliegen sehe, verbrenne ich meinen Computer!) und harrrrten Schockmomenten hätte das hier durchaus ein subversives Kunstwerk werden können.

So aber bleiben nur Jared Letos ultrablaue Schmerziherzi-Augen, in die im Zweifel immer gezoomt wird, wenn der „interessante“ Hintergrund (vorgespult rennende Menschen in der U-Bahn, Leute, die alle die selben Sachen anhaben, etc…) nach 1-2 Minuten zu viele Kunstkritiker in mein Wohnzimmer zu locken droht.

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„Ich… gah… blah… habe alles gleichzeitig erlebt, jawohl, zeitgleichig! Latürnich! Und ich sag noch zum dem fliegenden Holländer: Shakespeares Nasenhaare werden überschätzt, gnahaha!“ – „Danke für dieses Interview. Ich bin froh, diese 29 Stunden meines Lebens investiert zu haben. Tschüss. – Äh… Hilfe? Ich weiß plötzlich nicht mehr, wie man die Türklinke bedient…?!“ – Kann ich bitte doch wieder Opas Abenteuer im Schützenpanzer hören?


Fazit: Findet Nemo… – Oder er sich selbst?

Parallelwelten, Entscheidungen und Zeitsprünge in der Variante für Alzheimerpatienten und esoterikbedingte Endorphinausschütter. Wer nach 2,5 Stunden Dauerbedoofung immer noch nicht kapiert hat, dass das Leben mal so – oder ganz anders – hätte kommen können, dem ist auch nicht mit dem “erklärenden“ Ende geholfen.

Dieses präsentiert einem nach der „Tatsache“, dass alles nur der Traum eines Jungen gewesen ist, dann DOCH wieder den Oppa, der aus dem Krankenhaus spaziert. Während sich übrigens das Universum zusammenzieht und alles zurückgespult wird. Quasi ein offenes Ende mit dem Vorschlaghammer! Getreu dem Motto: „Und hier noch ein Hammer-Lösungs-VORSCHLAG“…

Lieber Autor/Regisseur: Vielleicht vor dem Zubettgehen nicht so viel Harald Lesch gucken?

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Artikel

von Klapowski am 15.09.14 in Filmkritik

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