Film- und Serienkritiken

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Master & Commander – Bis ans Ende der Hoffnung

Kurz vor der Fussball-EM und der vierten Enterprise-Staffel muss die Frage erlaubt sein: haben wir die Kraft über die ganze Distanz zu gehen? Ein Zweifeln ist angezeigt, seit wir zuverlässig ermitteln konnten, dass Jürgen Kliensmann und DeForest Kelley definiv nicht mehr mitspielen werden.

Man kann die US-Regierung nur in ihrem Ansinnen unterstützen, die Welt vom internationalen Terrorismus zu befreien. Neben der Erfassung biometrischer Merkmale von 60-jährigen Inline-Skatern wäre in diesem Zusammenhang eine kritische Kontrolle von Fernsehserien wünschenswert.

Wer sich als Hauptdarsteller einer Serie ernsthaft bei den Betreibern einer Webseite namens „saveenterprise.com“ für die Sicherung seines Arbeitslosenhilfeanspruchs bedankt, kann insgeheim nur die Flutung der Kalahari planen. Alles andere wäre unfassbar sinnlos.

Oh Verzeihung. Darf man Euch auf das Thema ENTERPRISE eigentlich schon wieder ansprechen? Wäre ja möglich, dass da noch gewisse Empfindlichkeiten herrschen seit Ihr 2001 Euren Dispokredit darauf verwettet habt, dass die Serie ein echter Knaller wird. Was heißt hier: von diesem kriminellen Trekzone-Pack in die Irre geführt? Wir dürfen daran erinnern, dass wir bereits am 02.09.2001, also 9 Tage vor den Anschlägen auf das World Trade Center, vor miesen Quoten und schlechten Stories gewarnt haben. Niemand kann also behaupten, er habe nichts gewusst.

Und wer die Botschaft „Back to where it all began“ realistisch zu deuten wusste, konnte die Marschrichtung erahnen. Um Zurückzugehen muss ich doch erst einmal irgendwo herkommen, oder? Und wenn man Archer und sein fliegendes Minensuchgerät mit Warp 9,9 (formerly selled as Warp-5-Egine) durch die scheinbar doch ziemlichen endlichen Weiten rumpeln sieht, fragt man sich, wo die so schnell hin wollen. Erkennbar macht es keinen Sinn, wenn ein 97-jähriger HIV-Patient noch einmal so richtig Gas gibt, wenn es im Radio heißt: „Vorsicht, das Stauende befindet sich hinter einer Kurve.“

Völlig zu Unrecht wird indessen kritisiert, dass die Serie das bislang bekannte Star Trek Universum durch Widersprüche und Logikfehler zerstört. Im richtigen temporären Licht betrachtet, waren es doch TOS und TNG, die sich meilenweit von der Grundidee von ENT entfernt haben.

Erst mit DS9 und VOY konnte man wieder an alte Tugenden anknüpfen. Und bei kontrollierter Einnahme von Heroin wird der mündige Fernsehzuschauer dieses Konzept auch unschwer durchblicken. Ich jedenfalls habe selten eine Star Trek Serie so unbeschwert genossen, was in der erster Linie dem postkubistischen Sendekonzept von SAT1 und der Tatsache zuzuschreiben ist, dass ich mich seit „Carbon Creek“ auf das Lesen von Trekzone- und StuS-Reviews beschränke.

Eine in der Tat völlig abgefahrene Fernseherfahrung, die wohl nur richtig zu schätzen weiß, wer sich mit einem sehbehinderten Mitbürger schon einmal die erweiterte ungarische DVD-Fassung von „Star Trek 1“ angeschaut hat.

Hierbei sind mir zwei Dinge schmerzhaft aufgefallen. 1. Durch die Installation eines „Roten Fadens“ (Temporärer kalter Krieg, Xindi) versucht man offenbar vergeblich, an die Traumquoten von DS9 (3.1 % Prozentmarktanteil bei den 18 bis 24-jährigen Hauptschulabbrechern) anzuknüpfen. 2. Eine kürzliche misstrauische Nachfrage bei meinem Zeitungszusteller ergab, dass meine Lieblingszeitung „Die Woche“ am 02.03.2002 eingestellt worden ist.

Nur noch rein rhetorischer Natur ist hingegen die allwöchentliche Frage: wird man das Gesicht von Jonathan Archer nach einer Erstkontakt-Verhandlung noch erkennen können? Hier haben sich im wesentlichen zwei dramaturgische Varianten bewährt: a) Archer betritt einen Raum. Im nächsten Moment drischt ein vor Hass wahnsinniger Alien mit einer gußeisernen Stehlampe auf den Captain ein. b) Archer betritt einen Raum. Schnitt. In der nächsten Einstellung kratzt Phlox einen blutigen Klumpen Fleisch aus einer Ecke.

Dankenswerterweise ist die Charakterzeichnung von T`Pol ungleich ausgewogener. Durch die sensible Beobachtungsgabe der Autoren wurde im wesentlichen mit den populären Irrtümern aufgeräumt, Vulkanierinnen trügen gerne Kleidung und hätten ein indifferentes Verhältnis zu Geschlechtsverkehr. Dies eröffnet auch nachfolgenden Zuschauergenerationen eine völlig neue Sichtweise auf die rund 620 TOS-, TNG-, DS9- und VOY Folgen, in denen Vulkanier mitunter als unnahbar und gefühllos karikiert wurden.

Ganz anders sieht es hingegen bei Lt. Reed aus. Zu offensichtlich und aufgesetzt sind die Bemühungen der Produzenten, seine weibliche Seite herauszukehren, um das homoerotische Klientel aus dem Fitnessstudio vor den Fernseher zu locken. Zu sehr abgekupfert erscheint dieser Schachzug von dem Geniestreich, einen Russen mit einer „Monkeys“-Frisur ans Waffenschaltpult zu setzen.

Nicht bestätigt wurden auch unsere anfänglichen Befürchtungen, die technischen Fähigkeiten des 21. Jahrhunderts könnten sich zu schnell den Gegebenheiten des ausgehenden 24. Jahrhunderts annähern und vom gefürchteten Transporter würde alsbald ausgiebiger Gebrauch gemacht. Diese Sorge erwies sich letztlich als ebenso unbegründet wie die Befürchtung, die Voyager werde mit 36 Torpedos, 2 Shutteln und 419 Konservendosen alsbald auf ernstzunehmenden dramaturgische Probleme stoßen. Hier wurden all jene Philister Lügen gestraft, die behaupteten, das Konzept einer Star Trek Serie umfasse immer nur die nächsten 10 Folgen. Es handelte sich offensichtlich um die gleichen bösen Zungen, die verbreiteten, „Matrix“ sei ursprünglich gar nicht als Trilogie geplant gewesen.

Doch wir Älteren unter den Trekkies – und ich schließe hier von Jahrgang 1982 aufwärts an ungefragt alle ein, um eine Mehrheit hinter mich zu zwingen – müssen erkennen, dass die Zeiten von Captinaniök Kierk (die Gulaschfassung lässt mich nicht los) und Schonn Juck Piekaardt(auch das englische Original wusste durch weltoffenen Charme zu überzeugen)wohl endgültig vorüber sind. Entsprechend altbacken klingt es, fast religiös zu betonen, dass Roddenberrys Ideale durch Berman verraten worden sind. Aus diesem Grunde sage ich, um eine Floskel zu vermeiden, „Ja, Roddenberry würde im Grabe rotieren!“ (zustimmendes Nicken im Saal). Denn für den wahren Star Trek Freund werden die Serien des neuen Jahrtausends niemals eine Alternative sein! (Jubel bricht aus). Denn William Shatner und Patrick Stewart sind zum Synonym geworden für weltraumige Erotik die gleichsam auf dem Captains-Chair implodiert (Hysterie, Sportpalast-Stimmung, Frauen reichen GGH ihre Enkelkinder zum Handauflegen). Ok, das Bild ist jetzt etwas aus dem Rahmen gefallen. Aber ist doch so.

Wir wollen uns aber dem Neuen, wie albern es uns auch immer vorkommen mag, nicht vollständig verschließen. Der Respekt vor unseren adipösen Mitbürgerinnen und Mettburgern verbietet uns, vorschnell ein Urteil über den Wunsch nach zeitgemäßen Star Trek zu fällen. Doch obschon wir mit Staffel 3 das beste Star Trek seit fast zwei Jahren gesehen haben, kann ich mich beim Anblick von T`Pol immer noch nicht des Gedankens erwehren: „Welches Muster hinterlässt eigentlich ein Winterreifen auf Deiner Zweitfrisur?“. Seit Jahren muss ich allwöchentlich mit dem Gefühl einschlafen „Nächste Woche wird es bestimmt besser!“ Und nach einer Enterprise-Folge geht es mir ganz ähnlich.

Ist doch eh inzwischen alles egal. Welche Tabus könnten die Enterprise-Autoren noch brechen? Welche Leitsatz des Star Trek Universums wurde noch nicht zerstört? Als Cliffhanger zur fünften Staffel – so die vierte nicht völlig zurecht nach 10 Folgen unangekündigt und unkommentiert abgebrochen wird – wünsche ich mir noch einen echten Knaller: Nachdem Tucker Bordmitteln eher zufällig den Transwarpantrieb entwickelt, klatscht bei einem ersten Testflug vor Bajor unvermittelt Captain Sisko aus dem Wurmloch gegen die Vorauskamera der Enterprise – und ist zur Überraschung der erwartungsfrohen Zuschauer sofort tot. Da mehrere Bergungsversuche scheitern, muss die Brückencrew mehrere Tage mit eingeschränkter Sicht navigieren. Im übrigen scheint sich niemand über den Zwischenfall zu wundern. Wäre es zuweit hergeholt, wenn T`Pol aufgrund fortgesetzten Drogenkonsums an dieser Stelle ihre negrophilen Gefühle nicht mehr kontrollieren könnte? Eine entsprechende Traumsequenz könnte die Einschaltquote unter die Rekordgrenze von 300.000 Splatterfreunden drücken. Space, the finale frontier.

Wer sich also weiterhin nach einer vierten Staffel sehnt, gibt bitte hier seine Stimme ab: www.bringbackkirk.com.

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Artikel

von Hoffmann am 04.06.04 in Star Trek

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Kommentare (8)

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  1. hotzenplotz sagt:

    erster ;)
    (ja, haut mich ruhig)

    wass soll ich sagen – ich finde die worte nicht.
    du sprichst mir aus der seele :)

    hotz'

  2. nakedtruth sagt:

    Wenn schon die Charakter analysiert werden, was ist mit dem Quacksalber der den Holo(caust)doc Robert "Ich nehme gerade eine CD mit dem Geräusch auf wenn ich mir die Zehennägel schneide " Picard(!)o symphatisch erscheinen lässt?
    Ja, Doktor Phlox, dauergrinsend und so lustig wie ein kleiner Gehirntumor, jetzt auch mit ganzen Nüssen.

  3. Klapowski sagt:

    Hoffmann vor, noch ein Tor!

  4. Gast sagt:

    ahem es sollte vielleicht heißen:"…Nachdem Tucker MIT Boardmitteln…"

    Und jetzt geh ich erst mal meinen Fremdwörterduden rauskramen.

  5. bergh sagt:

    tach auch !

    Ja Kär !
    Du hast ja soooo recht.

    Weiter so mach uns Ent noch madiger, als einen weggeworfenen Hamburger um August.

  6. bergh sagt:

    tach nochmal !

    Sorry sollte "im August" heißen.

  7. ObiJan sagt:

    Die bösen Zungen haben recht:Matrix wurde nicht als Trilogie geplant !..
    Ups..Ich hab vergessen den Ironie-Stus-Translator-Button zu aktivieren. Jetzt macht der Text hier wieder (k)einen Sinn.

  8. frakesjoe sagt:

    In einem Punkt ham die Jungs von der "Kirk zurück"-Site ja recht: Bergab gings seit "Generations". Ob das aber was mit Kirks Tod zu tun hat?
    Ich fands damals sowohl traurig als auch lustig, besonders im Bezug auf "Captain auf der Brücke!" Diesmal wars halt anderrum "Brücke auf dem Captain!"…

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