Film- und Serienkritiken

Der Latinum-Standard des Star Trek Universums

„Soylent Green“ – Das Review zum Naschen

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Nicht jeder Klassiker ist gut gealtert. Manche sind sogar nur deswegen Klassiker geworden, weil heutige Kulturautoren sich gerne an das erinnern, was ihnen als 6-Jähriger bemerkenswert vorkam. Und seien es nur 2 Szenen (gerne genommen: eine mit einem süßen Hund, die andere mit einer leichtbekleideten Dame), die tolle Musik aus dem Abspann oder die Tatsache, dass „wir ja damals nur 3 Programme hatten und die zwei anderen gerade gereinigt wurden, als das hier lief“. Doch gehört „Soylent Green“ dazu oder ist dieser Oldie ein ECHTER Klassiker mit der Lizenz zur „Blu Ray ist noch zu wenig!“-Neuauflage?

INFORMATIONEN:

Regie: Richard Fleischer
Jahr: 1973
Budget: Unbekannt

, „Soylent Green“ – Das Review zum Naschen
Man ist hier, was man isst. EHRLICH!
Inhalt: Im Jahre 2022 gibt es wenig zu essen, dafür viele Menschen und sonst eigentlich nix. Nur farbige Nahrungsmitteltäfelchen erhalten die Menschen am Leben. Als ein Industrieller mit einem Brecheisen ermordet wird, versucht ein Polizist herauszubekommen, ob da irgendetwas im Argen liegt…

Besprechung:

Es gibt Dinge, die altern schlecht: Fischstäbchen, die man als Snacks eine Woche lang in der Chipsschüssel anbietet, Politikerversprechen über 1 Wörtern/Satz und eben SF-Filme der frühen 70er Jahre. Klar, man könnte jetzt die „Ja, ABER…“-Relativierungskeule rausholen, die ruhige Machart loben, die angebliche Tiefe der Darstellung und dass die Steinzeitmenschen eben noch wussten, wie man eine subtile Geschichte aufbaut, aber: Objektiv betrachtet war der Film wohl schon damals nicht der beste im Karpfenteich der Klassikeranwärter.

Genau genommen hat er nicht mal eine besonders aufgefeilte Idee für eine Dystopie, die über das übliche „Umwelt kaputt“ hinaus gehen könnte. Im Gegenteil: Mit „Saurer Regen“-Charme statt „Boah! Krasses Problem“-Stimmung hangelt sich der Streifen die meiste Zeit durch Wohnhauskulissen und die Mikromimiklandschaft seines Hauptdarstellers.

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„Wo war ihr Kissen zwischen 28 Uhr 89 und 30 Uhr? Sie können mir die Antwort auch später geben, Hauptsache, ich kann nach 30 Minuten Filmzeit noch mal reinkommen. (*Hinter Wohnungstür duck*) Hm, sind das da alte Rindenstücke unter ihrem Bett? Schleck…?“ – Mach’s Dir doch selbst mit der Hand… -lung: Was die Dramaturgie angeht, kann man nicht viele gute Brusthaare an dem Film lassen. Dabei ist der Film in bestimmten Sequenzen gar nicht mal sooo öde. So habe ich z.B. nach dem Einnicken auf dem Sofa geträumt, dass ich ein Rennfahrer bin!

Wer gerne Charlton Heston dabei zusieht, wie er Charlton Hestons alte Rollen noch einmal nachspielt, der wird seine Freude haben. Wer es liebt, anderthalb Stunden gähnigste Ermittlungsarbeit zum Mord an einem Industriellen zu verfolgen, bei dem es zu 80% um Nutten, Verzeihung, „Inventar-Frauen“ geht, wird seine Columbo-Gummipuppe 1-2 Mal zufrieden streicheln können. Wer es mag, wenn es um das seltene Mampfen einer Lauchzwiebel geht, oder um das Ablecken eines Löffels mit Erdbeermarmelade, dann ist er HIER genau richtig. Oder halt am Probierstand seines Supermarktes. Wer es mag, wenn der Boss des Ermittlers diesen ständig zurückpfeifen will („Fall erledigt, ist großer Quotenschwarzen-Sonderbefehl!“), wird bei dieser Klischeeverkostung juchzen. Und wer sogar schon weiß (oder es nach 45 Minuten ahnt), dass die grünen Fischfuttertabletten aus MENSCHENFLEISCH gemacht sind, kann sich… sich… neee, für diese Zielgruppe ist die Handlung völlig uninteressant, da fällt mir nicht mal eine ironische Relativierung ein.

Im Ernst jetzt, so GANZ kann ich die Aufregung nicht nachvollziehen: Die grünen Nahrungsmittelbrocken sind also aus Leichen gemacht. Von denen zumindest ein großer Teil auf freiwilliger Basis entstanden ist, Stichwort „Sich einschläfern lassen“. Und die Menschen, durch Umweltgifte und Übervölkerung hungernd, bekommt halt einmal in der Woche die Pappe-Imitate, ohne zu wissen, was sich hinter den „natürlichen (Ar)oma-Stoffen“ auf der Verpackung verbirgt.

DAS war der ganze Plot? Klar, ich esse auch lieber gesundes (und inzwischen ja sogar irgendwie deklariertes) Pferdefleisch in meiner Lasagne, als in meinem Streichkäse Körperteile von meiner Nachbarin Oma Platuschke wiederzufinden. Uneklig geht definitiv anders als in dieser Leichenschredderstory. Aber sooo schrecklich finde ich es jetzt nicht. Asche zu Asche, Staub zu Formfleisch, Proteinbank zu Lebensmittelspekulanten. Habe schon Schlimmeres in SF gesehen. In Star Trek 12 ist z.B. plötzlich die ganze Föderation verblödet und keiner merkt’s, nicht mal der Regisseur! DAS sind neue Ideen, die frisch sind und schockieren!

Völliger Schwachsinn ist natürlich auch die Vermutung des Hauptdarstellers, dass einst Menschen extra gezüchtet werden (unter anderem mit Soylent Green?!), damit diese Leute eines Tages zu Soylent Green verarbeitet werden können, um das Volk zu ernähren. Gut, wenn diese Leute unter Vorhaltung einer Knarre dazu gezwungen werden, 100% der zugeführten Energie später auch wieder abzugeben (kacken verboten?!), wird es wenigstens ein Nullsummenspiel. Als Kern einer SF-Story, auch wenn es nur die geäußerte Vermutung in der „großen Endauflösung“ ist, ist dies aber so armselig, dass man sich fragt, um WAS diese Story denn nun konkret gehen soll. Oder habe ich einer Sportübertragung zugesehen? Beidbeiniges Kampflaufen der Herren? Zielscheiben-Imitation bei dem „spannenden“ Schusswechsel im Slum? Wettschwitzen und Pudersparen der Herren und Damen? – Siehe das kleine Bild über dem Artikel…

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„Gemach, gemach! Dies ist immerhin ein organisierter Unrechtsstaat! Immer schön in Zweierreihen herandrängeln, ich habe schließlich nur zwei Arme und zwei Gummiknüppel!“ – Es gibt kein Ri… Kindfleisch mehr: Bilder wie aus Sachsen-Anhalt, kurz vor der Wende ODER nach der Ausgabe der Essensgutscheine beim Sozialamt (letzte Woche): Wo Bananen knapp sind, muss man seinem Nebenmann einfach die seine abbeißen. Die beste Szene im Film krankt jedenfalls daran, dass man sie auch hätte weglassen können. Oder war es… weg-„lachen“?!

Wobei ich Letzteres sogar nett fand, würde man Schauspieler doch heute nicht mehr wie eine Speckschwarte glänzend und Salzflecken-auf-Teppich-fabrizierend durch die Handlung winken. Aber warum nicht? Bei „InTime“ mit Justin Timberlake konnte man schon froh sein, dass die Figuren selber nicht vom zwischenzeitlich draufgelegten Löschpapier aufgesogen worden sind. Apropos Oberflächlichkeit: Tolle Kulissen gibt bei „Soylent Green“ leider kaum, nur das Selbstmorder-Center hinterlässt mit seinen 500-Zoll-Monitoren so etwas wie einen futuristischen Touch, der MIR ironischerweise den Lebenswillen beim Gucken zurück gab.

Musik kann man bis auf das seichte Softporno-Gedudel beim verbalen Vorspiel ebenfalls vergessen: Selbst bei den wenigen Actionszenen (Prügeln, auf Auto hocken, Leiter hochklettern) verlässt man sich ganz auf den natürlichen Rhythmus von Männergrunzen und den Beat behäbiger Fußschritte.

Das sorgt dafür, dass die Handlung (wo immer sie sich auch rumtreiben mag, das Luder) extrem behäbig wirkt. Ein saftiger Bösewicht oder wenigstens ein fieser Provinzverwalter, Hobbyfolterer oder uneinsichtiger Finanzbeamter, etwas in dieser Art hätte dem Unrechts(?)regime ein Gesicht gegeben. Wenn Heston in einer Szene einen Auftragskiller verprügelt und ihn dabei irgendwie feminin mit „Strolch“ und „Halunke“ beschimpft, sorgt das eher dafür, dass man sich selber noch MEHR Antagonisten-Namen aus dem Mittelalter einfallen lassen möchte. „Unhold“, „Ekelpaket“ oder „Wüstling“ wäre mir da ja noch eingefallen, jedoch nicht, dass ich das Dargebotene für spannend oder gefahrvoll gehalten hätte.

Die stärkste Szene ist daher auch die auf dem Marktplatz, als Hunderte Leute herandrängen und nichts mehr zu Beißen bekommen. Das wussten wohl auch die Macher, sieht man doch die darauffolgende Szene, in der Menschen einfach in einen Kipplaster(!) geschüttet werden, auch groß auf dem DVD-Cover bzw. Filmplakat. Wobei man da auch nicht zu genau hinsehen sollte, machen die „Geschaufelten“ doch nicht die geringsten Anstalten, vom Bagger herunter zu springen: „Zu hülf, wir stehen auf einer Schaufel, die sich langsam nach oben bewegt! Ich glaube, da mache ich erst mal ein Nickerchen, bis mich mein Stuntman für den finalen Abwurf wecken kommt…“ – Klar, alles Details, aber leider sehr wenige, die FÜR den „Soylent Green“ sprechen, was vermutlich nur so was wie „Grünspan“ heißt und die schon damals vorhandenen filmerischen Defizite karikieren sollte.

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„Hey, das… das… sind die Computer-Speicherkarten von Kirks Enterprise aus den 60ern!“ – Charlton investigativ: Als einziger Mensch (neben einer Tausendschaft von Arbeitern) hat der Hauptcharakter herausgefunden, wie diese Fabrik – trotz Energiemangels – betrieben werden kann. Und zwar durch Katzen, die zu energiehaltigen Briketts gepresst werden! Dafür wird das Regime büßen müssen! ZWEI Mal anschreien wird in der letzten Einstellung daher das Mindeste sein!

Am Ende ist nichts erreicht, außer dem Beweis, dass man auch mit einem Bauchdurchschuss noch Bösewichter verdreschen kann, wenn man nur die Zähne und zweigeteilten Innereien fest aufeinander presst. Die Hauptfigur brüllt wie irre: „Solylent Green ist Meeenschenfleeeeisch, aarrghl!!“ und erntet von den anwesenden Statisten den selben Blick wie vom Zuschauer. Und der sagt: „Na und? Ich habe Hunger und die nächsten Wahlen sind erst wieder in 20 Pluto-Jahren.“ – Es liegt nicht mal das leichte Prickeln eines befreienden Aufstandes in der Luft, ja, nicht mal eine wochenlange Medienkampagne à la „Ist es unethisch, sein Essen zum Ausfüllen eines Organspendeausweises zu nötigen?“ kann ich mir im „Solid Gähn“-Universum vorstellen.

Auch der Held ist ja nur ein Typ, der seinem harten, undankbaren Job mit einer weltverbesserischen Verbissenheit nachgeht, welche man selbst vom ZDF-„Großstadtrevier“ nicht kennt. Bitte jetzt die Titelmelodie mit „Wir im Slum-Stadt-Reeeevier“-Text summen… – Würde Heston zu Beginn nicht Beweise (meist Essen) unterschlagen, ich hätte ihn aufgrund seines ansonsten grundlosen Ehrgefühls zum „Klingonen ehrenhalber“ ernannt. Und niemand weiß so sehr wie wir Trekkies, dass niemand Klingonen mag, nicht mal wir.


Fazit: Wo einem der Film „1984“ mit Anlauf in die Magengrube hopst und es in „Planet der Affen“ (auch mit Charlton Heston!) deutlich mehr zum Nachdenken gibt, bleibt hier das Gefühl, einfach nur 90 Minuten auf die allgemein bekannte Auflösung gewartet zu haben. Manche Szenen wirken wie eine Mischung aus einem 60er-„James Bond“, „Schulmädchenreport“ und „Lindenstraße“ (Das Hausbesetzer-Special). Zumindest ich hatte das überwältigende Gefühl, meinen Kopf zwischenzeitlich in grünen Blätterteig verwandeln zu müssen. Brot… äh… „Klap für die Welt“ sozusagen. Dann wäre das alles wenigstens etwas sinnvoller gewesen…

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Artikel

von Klapowski am 30.09.13 in Filmkritik

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Kommentare (6)

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  1. Onkel Hutt sagt:

    Gehe da mit. Man scheut sich ja heutzutage etwas devor, seine geliebten Filme aus der Kindheit nochmal anzuschauen. In der Regel ziehen sich die Filme aus heutiger Sicht wie Kaugummi und man fragt sich, ob man in all den Actionpausen damals wohl ständig Gummibärchen in sich reingefuttert haben mag, was den Bauch von heute erklären könnte.
    Der Zauber verfliegt und was bleibt ist ein DVD-Film, der alle drei Jahre mal in tiefster Verzeiflung, was man sich denn heute anschauen sollte hervorgezogen und wieder zurückgedrückt wird, um am Ende als Abfall oder Spende zu gehen.
    Aus diesem Grund habe ich seitdem nie wieder den Godzillafilm mit den beiden Frankensteinmonstern oder gar „Invasion vom Mars“ gesehen.
    Kennt irgendwer die Seire „Die Roten Elefanten“ ?? Gabs mal vor anno knips im ZDF und spielte in Afrika. Habe diese Serie geliebt. Erst sptäer erfuhr ich jedoch, daß es eine deutsche Produktion war und hoffe das diese niemals wieder im Fernsehen gezeigt wird. Ich glaube, ich müsste mich schämen die Serie je geguckt zu haben. Wird wohl eine Art „Die Wicherts von nebenan in der Serengeti“ gewesen sein

  2. BigBadBorg sagt:

    Ich kann mich dieser Wertung nicht anschließen. Nach wie vor (jaaa, vor ca. einem Jahr nochmal geguckt) strahlt der Film eine solche Trostlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung aus, daß es eine Qual ist ihn zu gucken. Und das meine ich nicht negativ! Als der alte Mann am Schluss zu Bildern einer intakten Natur und der wunderschönen Musik von Beethoven einschläft kommen mir die Tränen.

    Wenn ich mal Lust auf eine richtig schön verstörende Dystopie habe, ist dieser Film genau das richtige. 1984 strahlt das ebenfalls aus, nur ist Soylent Green nicht so verschachtelt, er zeigt einem ohne Umweg und Schnörkel, wie Scheisse so eine Zukunft mal irgendwann sein kann.

    Die Atmosphäre überwog für mich alle oben angeschnittenen Kritikpunkte, so das ich auch heute noch ruhigen Gewissens sagen kann: Ja, ein Klassiker.

  3. jabla sagt:

    wWieso nicht gleich die Futurama-Parodie dieses Films mitrezensieren?

    http://www.youtube.com/watch?v=mI5-L6s6dqk&list_pxtube=PL449A01F35D20A5D1

  4. BobSeb sagt:

    Sehr geiler Artikel! Unterschreibe sie voll und ganz! :D

  5. Zuse sagt:

    Soylent Green is HUMAAAAAAAAAAAAAAAAAAAN !!!

    Wie kann man dieses dysoptopische Meisterwerk nicht mögen?

    Laut dummen deutschen Titel spielt das Ganze in 2 Jahren (Ok: 1 1/12 Jahre und 3 Tage).

    1970 hatte man mehr Angst vor einer neuen Eiszeit und dazu kamen SMOG-Warnungen. Aber man merkte, Überbevölkerung ist „etwas problematisch“. Warum machen wir 50 Jahre später nichts dagegen? Also, den Entwicklungsländern beibringen, 2 -3 Kinder pro Paar sind genug?

    Schaffen wir nicht und daher hat das NYC von 2022 40 Millionen Bewohner und die werden mit Schublader weggeschafft, wenn im Weg.

    Die Sterbe-Szene des Alten sollte jeden Menschen ergreifen! Er kennt noch die Natur etc. – Und mit seinem Tod bringt er den Hauptdarsteller auf die Fährte!

    Soylent Green is HUMAAAAAAAAAAAAAAAAAAAN !!!

  6. Chefkoch sagt:

    „Hey, das… das… sind die Computer-Speicherkarten von Kirks Enterprise aus den 60ern!“

    Doppelplusgutwitz:
    Die synthetisierten Nahrungswürfelchen von Kirks Enterprise aus den 60ern sahen (etwas plattgedrückt) fast genauso aus. Dafür in noch bunter, wohl für die Diversität.
    Zum Ende der originalen Serie (doS) konnte der aufmerksame Zuseher beobachten, wie der Anteil der roten Sättigungsquader immer größer wurde. Warum bloß?

    In der 4. Staffel doS hätte Pille einen neuen Standardspruch gehabt:
    „Er schmeckt gut, Jim.“

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