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TOS-Review – 1.10: „Pokerspiele“

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„Pokerspiele“? Eine Doku zum Leben von Boris Becker – oder watt? Zugegeben, viel erwartet habe ich nicht von der Episode: Ein schrill leuchtender Würfel, der sich der Enterprise in den Weg stellt (quasi die Bonbon-Version der Borg), dabei kinderspielartig rotiert und der Crew eine lange Nase zeigt?! – „Ich bin doch kein Kind mehr! Zeigt mir Burnham beim infantilen Wutanfall!“ Doch überraschenderweise ist dies eine der Geschichten, die EXAKT das liefert, was New-Trek nur unter Einstreuung von mehr Gewalt Gehalt zu leisten imstande wäre.


Inhalt:

Die Enterprise dringt in unbekanntes Gebiet vor – und die Crew beschäftigt sich teilweise mit ihren eigenen Problemen. Dies ändert sich mit rasender Langsamkeit, als ein wirbelnder Würfel erscheint.

Mit einer unbekannten Anzahl an HP und MP. Kein Wunder, dass zumindest ein Crewmitglied die Nerven verliert.


Da kann TNG sich noch eine Schreibe abschneiden

Was Professionalität (und deren Grenzen) angeht, ist das hier die seriöse Blaupause. Trotz rosa beleuchteter Schiffkulisse. Und begründen kann ich das auch:

– Kirk verlangt von seiner Mannschaft ganze 100% bei einer Übung – anstatt „nur“ 94%. Was Pille zu der Frage veranlasst, was er mit diesen 6% machen wolle, wenn die Crew sie lieferte.
Endlich mal EINFACHE Dialoge, die Sinn ergeben.

(Bei Sparkillers Meinungskasten fordere ich immer zusätzlich 90%. Für den klassischen 190%-Meinungskasten)

– Eine Nebenfigur verliert hier – glaubwürdig – die Nerven. Auch hier hat Pille wohl recht, der Kirk freundlich darauf hinweist, dass der Mann zu früh befördert wurde. Was bis zum versöhnlichen Ende NICHT relativiert wird. Bei Discovery hätten ihm alle später einen Versöhnungskuchen gebacken („Du darfst so inkompetent sein, wie du willst. Hauptsache DU findest dich toll!“)

– Gerade die Szenen, in denen wenig passiert und die Crew nur abwarten kann, fühlten sich wertig an. Trotz Doomsday-Countdown konzentriert dasitzen und grübeln? Hut ab, mit MEINER Hirnchemie wäre es nicht möglich.
(*auf Ohrenschmalz zeig*)

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„Arrgl! Ich sitze hier seit 10 Minuten und es gibt immer noch keine Lösung für unser Problem!? Und dabei wollte ich eh 4,9 Tage die Woche im Home Office arbeiten!“ – Hallo, Generation Z: Viele Berufseinsteiger haben seit der Coronapandemie Probleme auf der Arbeit. Dieser junge Mann musste z.B. anhand eines Tischkickers erst lernen, den Lichtschalter im Quartier zu bedienen.

Auch unwichtige Sätze haben mir gefallen: Kirk nennt sein Schiff „seine Frau“, während er auf Geheiß des Arztes Salat essen muss. Oder Spock weist humorvoll einen Offizier zurecht („Adrenalindrüse? Besser entfernen lassen!“). Ja, SO geht Unterhaltung.

Und das tatsächlich nur im bescheidenen Sinne von: „Zwei Leute unterhalten sich“.

Die unbekannten Weiten des Alls sind – in UNS! (*panisch Jogginghose abklopf*)

Generell steckt in dieser Klumpi-Folge für geistig Minderbekrittelnde viel mehr, als man denkt.

So erinnert das Ganze doch sehr an diverse (tolle) TNG-Episoden, wenn das Schiff einfach nur von einem Phänomen gestoppt wird. Nicht mehr, nicht weniger. Ohne weitere Infos, aber mit viel Unsicherheit im klaffenden Weltraumstrudel.

Ausgestoppt von so viel geistiger und kinetischer Bewegungslosigkeit muss die Crew dann stets definieren, WAS sie eigentlich vom Gegenüber annimmt.

Eine feindliche Handlung? Oder ist ein Gutmensch, der sich vor lauter Liebe mit dem Hintern auf sein Funkgerät gesetzt hat? Ist das ein Test? Oder nur eine lustvolle/lustlose Machtdemonstration?

Gerade diese Lücken in der Bedrohungslage tun ganz gut, da TOS ja bekanntlich Schwächen bei Alienkostümen und/oder düsteren Setdesigns hat. Hier guckt man halt auf die seltsamen Formen und das All und denkt mit Schrecken: „Im Weltraum hört dich keiner… was auch immer wir hier machen sollen?!“

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„Bitte halten Sie sich bereit. Sie werden gleich mit Urmel aus Eis verbunden.“ – Willkommen in der Augsburger Pockenkiste: Dass Kirk nicht merkt, dass er hier mit Pinocchios lernbehinderten Bruder spricht, KANN einen natürlich aus der Handlung rausreißen. Aber zum Glück passiert sofort wieder dies hier.

Kunst kommt von Können

Wobei mir sogar der rotierende Würfel heute viel besser gefällt als in den 90ern. Denn dieser Bauhaus-Look bietet einfach viel mehr Interpretationsspielraum – und steht besser für das UNBEKANNTE als ein Schiff mit Düsen, Rohren und Windschutzscheibe. Das gilt dann auch für das überdimensionierte Corona-Virus, das wir später sehen.

Warum auch nicht, liebe Kurtzman-Geschädigte? Mal Assoziationsketten schmieden statt Klischees beklatschen! Und nur, weil ein Raumschiff in Herzform daherkommt, heißt das ja noch lange nicht, dass die Fremdlinge das auch als Herz wahrnehmen. („Das ist das Symbol für unseren Gott Bermancotl.“)

Und richtig mächtige Aliens haben es halt nicht nötig, ein Schiff schick aussehen zu lassen.

Finde es übrigens wichtig, die neue, optisch knackscharfe CGI-Fassung zu gucken. Die Originalfassung braucht kein Mensch. Jim, wir sind hier schließlich im All, nicht auf einem Spülschwamm!

Ist natürlich nur meine Meinung, dafür aber eine starke.

, TOS-Review – 1.10: „Pokerspiele“

„Das fremde Raumschiff hat uns gerufen. Äh. Es will uns zu einem … Ball einladen?!“ – Alles andere als rundgelutscht: Dieses ikonische Bild kennen viele von uns. Dafür mussten wir zwar auf die Bilder von Discos, Lebenspartnern und sozialer Anerkennung verzichten, aber: DAS war es wert, Leute.

Und auch die deutsche Synchro hat mich eher genervt: Kirk sagt z.B. „so eine schei… schöne Maschine“ beim Fitnesstest, was im Englischen fehlt. – Gut so! Wir sind hier ja nicht auf dem Jahrmarkt.

Das monotone Schnaufen von Kirk sagt schließlich was anderes aus als flapsigen Sprüche. Die deuten nämlich an, dass der Captain nicht wirklich ins Schwitzen gerät – was bei solche einer intimen Episode nicht so recht passt.

Ein Königreich für ein Drama

Richtiggehend genial sind alle Szenen, wo sich etwas zuspitzt: Die Enterprise wird abgeschleppt? Die Maschinen überhitzen? Das fremde Raumschiff kommt näher? Die Strahlung nimmt zu? Die Buchse wird voll? Die Energie im Akku wird weniger energetisch?

Alles wird mit auf- und abschwellenden Sounds begleitet, die das tapfer kämpfende Schiff porträtieren. Da spürt man noch die Anstrengung in den Stromleitungen, die knirschenden Grenzwerte, das nervöse Blättern im Schiffshandbuch. – Wobei auch die Musik hilft: Zwar ist das alles TOS-Gedudel, das sogar in späteren Folgen wiederholt wird, aber noch 24 Stunden später ertappte ich mich dabei, wie ich meinen Kollegen den eingängigen Soundtrack vorsummte: „Tödödö-TÖTÖ, Tödödö-TÖTÖ.“

Ein bisschen wie beim „Weißen Hai“, nur mit unterschiedlicheren -Tönen.

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„Greifen Sie nicht weiter an! Wir haben eine gefährliche Waffe an Bord, die jederzeit hochgehen kann!“ – „Minen? Antimaterie? Bomben?“ – „Nö. Wir behaupten dann, Sie hätten uns falsch ge-gendert!“ – Eiskalt abgebrüht: Die „Pokerspiele“ äußern sich in eine cleveren Bluff von Kirk. Gut auch, dass der Gegner nicht komplett darauf hereinfiel.

Erwähnte ich schon, dass man die Farben des rotierenden Würfels schön auf die Brückenkulissen projiziert hat?

Das Zweitbeste kommt zum Schluss

Über das Ende könnte man streiten… Einerseits nett, dass ein kindergesichtiges Kicheralien sich da auf dem Kissen beömmelt, das einfach „mal gucken“ wollte, wie die Fremden so reagieren.

Andererseits wirkt es doch etwas fragwürdig, eine halbe Mannschaft zu verstrahlen (oder z.B. deren Selbstzerstörung zu provozieren?), nur um die menschlichen Motive zu testen. Und warum war der Heini ALLEINE mit einem ein Ein-Meilen großen Raumschiff unterwegs? Was zwar nicht winzig ist, uns aber als extrem-super-groß verkauft wurde?

(„Meine Güte, es füllt den ganzen Bildschirm aus, Captain, raaaah! Bei einem 500-Meter-Schiff wäre links und rechts noch eeetwas Plaaatz, raaah?!“)

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„Willkommen in meinem bescheidenen Reich. Alle heutigen Angriffe stellten nur ein Test dar.“ – „Für unsere Friedensliebe?“ – „Nö. Für die Robustheit meiner Lachmuskeln.“ – Der kleine Ikea möchte im Kissenparadies abgeholt werden: Kirk bleibt bei dieser Story erstaunlich ruhig. Vermutlich verhörte er sich und dachte, es geht um’s Küssen statt um Kissen.


Fazit:

Eine überraschend runde Folge, die den erwachsenen Umgang mit dem Unbekannten („Da ist was Großes! NICHT ausflippen in Drei… Zwei…“) mit normalen Psycho-Problemen kombiniert („Will nicht sterben!! Meine Sprechrolle ist doch noch so jung!“).

Wenn die Enterprise durch die endlose Weiten düst und Kirk seinen letzten Kaffee vor dem Tod gereicht bekommt (mit dem Phaser erhitzt), dann geht einem das Trek-Gefühl in der Hose auf!

Am besten finde ich aber, dass man sich für jeden „Mist“ Zeit nimmt. Und die Soundeffekte überraschend gut nach elektrisch betriebenem U-Boot klingen. Ganz starke Episode!

Trotz der dümmlichen Geisterbahn-Puppe, die man – leider, leider – zu 90% im Kopf behalten wird…

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Artikel

von Klapowski am 21.03.23 in Star Trek - Das Original

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Kommentare (8)

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  1. G.G. Hoffmann sagt:

    Von mir leider ein Punkt Abzug, weil Spock seine Adoptivschwester Michael Burnham nicht erwähnt. Ingesamt zu wenig Bezüge zu ENT, DSC und SNW. Der Kirk-Darsteller sieht seltsam aus. Keine Ähnlichkeit mit Chris Pine und Paul Wesley. Ansonsten gute Folge, hoffentlich geht es so weiter.

    • Dartsarrow sagt:

      Ganz zu schweigen davon, dass im Vorspann gesungen wird. Ohne Fanfaren!

      Antworten
    • jcneal sagt:

      Oh Nein! Das Irumodische Syndrom ist bei ihm schon weiter fortgeschritten, als wir befürchtet hatten. Der arme G.G. (diesmal sogar ohne Leerzeichen: weiteres Symptom!) ist jetzt in einer Welt gefangen, in der er sich bekloppte Star-Trek-Prequel-Serien ausgedacht hat. Ein wirklich sehr bemitleidenswertes, höchst grausames Schicksal!

      Die Nachgeschichte (statt Prequel) der Ersten Föderation hätte mich aber auch a bisserl interessiert. Da ist noch dieser Offizier, der sich kurz-entschlossen-fristig als Praktikant auf dem Kugelraumer einschreibt – was wurde aus dem? Hat sich wahrscheinlich zusammen mit Balok auf Fesarius nur noch mit Tranya zugeschüttet. Sonst hätte man die Geschichte ja nochmal aufgreifen können.

      Vielleicht in der nächsten Serie. Clint Howard ist noch aktiv.
      Darauf erstmal köstliches Tranya!

      Antworten
  2. VerwirrterTurnschuh sagt:

    Dramaturgisch eine der allerbesten Folgen. Pures Trek. Handlung, Design und „Gegenspieler“ minimalistisch, Aufbereitung und Wirkung komplex. Und ja, im Prinzip besser als TNGff. Wenn nur nicht das Ende wär …

    Anstatt sich Picards Dritte tapfer schönzuputzen, kann man das Original neu entdecken. Nicht nur das Unbekannte, auch das Neue ist in uns, gelle?

  3. HerbergsVater sagt:

    Sehe es weitgehend genauso. Mit der Auflösung am Ende wird die sonst sehr gut gelungene Folge ein wenig ins Lächerliche gezogen. So eine Geisterbahn-Puppe ziehe ich den heute inflationär eingesetzten CGI–Ungetümen aber allemal vor.

    Ist eigentlich bekannt, was aus Balok und seiner… anderen Föderation wurde? Kann mich nicht erinnern, dass dieses Konzept jemals wieder aufgegriffen wurde.

  4. Donald D. sagt:

    Schön und gut, die Episode ist auch selbiges, aber wäre es nicht endlich an der Zeit, daß Klapo und Spark „Star Trek: Deep Space Nine“ ein wenig Revue passieren lassen!?!? Immerhin feiert die Serie dieses Jahr ihren 30. Geburtstag.

  5. Tabularius sagt:

    Ich war ebenfalls sehr beeindruckt von der Folge alles ist top inszeniert und spannend.

    Die Puppe empfinde ich allerdings sogar als das beste in der Folge.
    Jedesmal wenn man sie sieht macht man sich über die schlechten Effekte der Serie lustig und fühlt sich überlegen. Nur um am Ende dann zu merken das die Serie sich über einen selber lustig gemacht hat denn, die schlecht aussehende puppe ist tatsächlich eine schlecht aussehende Puppe !!

  6. Helbnerd sagt:

    Ein wirklich gelungenes Stück Fernsehen, das erstaunlich jung geblieben ist. Ich gestehe: der harmlose Endboss – das fand ich sogar genial.

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