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„Das Philadelphia-Experiment“ (1984) – Eine einst verschollene Kritik

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Kindheits-Klassiker haben zwei Probleme: Erstens fand man die meist nur deswegen gut, weil wir sonst nix hatten, oder weil man ein eher minderbemitteltes Kind war – was erklären würde, warum es mir nie gelang, bei meinen Eltern erfolgreich auf die Anschaffung von Pro7 und Tele 5 zu drängen. Dieser Film bietet jedoch auch einen guten Grund an, ihn faszinierend zu finden: So glaubte man damals in gewissen Kreisen, das Philadelphia-Experiment hätte wirklich stattgefunden! Und das nur wegen eines einzelnen „Zeugen“, der ein verschwundenes Schiff gesehen haben will (= Widerspruch?).

INFORMATIONEN:

Regie: Stewart Raffill
Jahr: 1984
Budget: 20 Mio Dollar

, „Das Philadelphia-Experiment“ (1984) – Eine einst verschollene Kritik
Da werd ich lieber Philatelist

Der erste Seltsamseindruck lässt nicht lange auf sich warten: Alles wird so flott und profan erzählt! Herr Marvel, sind Sie das?

Hatte ich nach 20 Jahren Schau-Pause noch eine mysteriöse Geheimoperation im Gedächtnis, bei der es um Strahlen und verwunde(r)te Seemänner ging, so zerstört der Film die Illusion schon beim ersten Pobacken-Sortieren auf dem Fernsehsessel. Das „geheime“ Experiment findet nämlich am helllichten Tag statt, mit gefühlt null Geheimhaltung, null Erklärung, null Sinn für das Besondere des ganzen Experiments. Ja, ein wenig mehr Geraune im Halbschatten hätte den ersten Szenen deutlich gut getan. Zumindest wäre es nett gewesen, bei diesem gigantischen Strahlenkranz auf dem Meer ein paar „Oh Gott“s und „Was haben wirrr getaaan?“s einzustreuen. Aber gut, vielleicht rufen das ja die 10 russischen Spione und die 1000 Touristen ringsherum.

Alles, was man wissen muss… Schon damals haben Sie aus irgendwelchen Gründen den kompletten Film von vorne bis hinten im Trailer erzählt. Hatten die Macher etwa einen Hass auf Zeitwellen, die im Kino vergehen?

Etwas eilig sehen wir dann nur noch zwei der Besatzungsmitglieder, die wieder auf festem Grund stehen – nämlich im Jahr 1982, Zeitreise sei Undank. Hier offenbart sich leider auch schon, dass die Hauptfiguren und deren Verhalten nicht gerade geeignet sind, um heute noch die Hand von der Stirn nehmen zu können. Wo man beim etwas älteren „Alien“ auch noch 2018 mitfiebert, schießen sich die beiden Matrosen mit unqualifizierten Kommentaren in‘s dramaturgische Niemandsland, in das auch kein Zeitstrahl mehr rein scheint: „Vielleicht bilden wir uns nur ein, dass wir hier rumlaufen! Das könnte ein Gehirnexperiment sein!“ – Nein, du Dödel! Wir waren doch eben bei einem elektromagnetisches Schiff-Verschwindibus-Experiment! Memo vom Chef nicht gelesen?“

Im Ernst: Wenn Filmfiguren gefühlte Viertelstunden nicht wahrhaben wollen, dass sich zeit- und raummäßig erheblich was getan hat, sind sie auf ihren Job schlechter vorbereitet gewesen als der Zuschauer.

, „Das Philadelphia-Experiment“ (1984) – Eine einst verschollene Kritik

„Irgendwas ist mit uns geschehen, als wir auf dem Schiff waren! Sieh mal, wie wir leuchten!“ – „Es ist das Gulasch vom alten Pete, ich hab‘s doch immer gesagt!“ – Wo die rechte Hand nicht weiß, warum die linke … rot-weiß: Der Umgang mit der neuen Situation hätte ein paar clevere Gespräche und sehr frühe Planungen vertragen können. Und zwar bezüglich der Einschulung dieser beiden Figuren.

Auch die Nebenfiguren sind dem Puder aus dem Klammerbeutel nicht gerade fern… So hält sich einer der Helden die schmerzende und sichtbar aufglühende Hand, woraufhin die Spielautomaten in ein auffälliges Blitzlichtgewitter getaucht werden. Doch statt zu fragen, wie das eigentlich alles möglich ist, holt der Kneipenwirt gleich das Schießeisen aus der Ecke und zwingt zur Flucht. Ach ja, und auch die weibliche Hauptdarstellerin eher plump zur Ab- und Mitreise. Verliebt wird sich daher natürlich später auch, obwohl das aufgesetzter erscheint als der Alu-Hut eines Philadelphia-Experiment-Sachbuch-Lesers.

Obwohl ständig dramatische Dinge geschehen (Raumzeitloch am Himmel, drohender Strahlentod des Kameraden, Wiedersehen mit der damaligen Freundin 40 Jahre später), so wirkt alles so seltsam unterkühlt, als müsste man nur einen drohenden Stromausfall in New York verhüten. Starke Momente wie die mit dem Krankenhausarzt, der angenehm offen zuhört und die wilde Geschichte (fast) zu glauben scheint, werden leider nicht zu Ende geführt. Auch fehlt mir ein wenig die Erklärung, warum wir einen der Kameraden bereits als alten Mann sehen (der die Rückreise also geschafft hat), aber nie gefragt wird, ob der andere vielleicht auch angekommen ist und vielleicht nur ein Haus nebenan hockt. Oder wenigstens auf dem Friedhof. – Hier wird man mit etwas wirrem Geschweige und späteren Gebrülle auf einer Ranch abgefertigt, was angesichts der netten Erklärszenen von „Zurück in die Zukunft“ (erschien nur ein Jahr später!) heute reichlich polterig wirkt.

, „Das Philadelphia-Experiment“ (1984) – Eine einst verschollene Kritik

„Da ist ein Schiff im Zeittunnel, Herr Oberst! Und eine Forschungsstation!“ – „Wo genau?“ – „Auf 13 Uhr. Nein, auf 19 Uhr! N-nein! Auf 2 Uhr! Verdammt! Es ist ja wirklich ein ZEITtunnel!“ – Z(w)eitverwertung: Diese Passage stanzt Löcher in Satellitenbilder – UND in die liebgewonnene militärische Kommandostruktur. Denn wie z.B. soll man ein Objekt aufklären, wenn man statt in das Radargerät nebenbei auch noch in die „Enzyklopädie der Militärgeschichte“ schauen muss?

Die Effekte sind für die damalige Zeit Standard, manchmal auch drunter. Der Zeittunnel kann nicht gegen das „Was auch immer das war“-Korridor-Zeugs in „Star Trek – Der Film“ anstinken, es gibt keinen Kielabdruck im Wasser (einfach bestimmte Szenen aus „Die zehn Gebote“ reinkopieren?) und das Schiff im Himmelsloch sieht man auch stets aus der selben Perspektive. Dafür ist das Loch in der Wolkendecke aber sehr hübsch anzusehen.

Schade auch, dass man in den letzten Szenen nicht deutlich mehr Sorgfalt walten ließ. Zwar startet der Zeitloch-Rückkehrer immerhin mit einer Art Raumanzug, muss dann aber selbst zusehen, wie er – unsichtbar für den Zuschauer – auf das wild rumfliegende Schiff gelangt. Und warum er am Ende ohne Helm über die Brüstung springt und genau so ankommt, wo und wie er das wollte (unzerschmettert, ohne das bereits etablierte Verstrahlte-Hand-AIDS, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit), das ist dann doch schon sehr „Filmlogik“. Ein kleines Fallschirmchen auf dem Buckel hätte mir da schon sehr weitergeholfen.


Fazit: Aus damaliger Sicht ein sehr solider Vertreter in Sachen Mystery und Zeitreise. Die Effekte waren Budget-Standard (Falschfarben drüber – fertig) und das bereits kursierende Mysterium tat sein Übriges, um all jene zu faszinieren, die BOCK auf Nicht-Oma-Unterhaltung hatten. Eine lockere 3 von 5 eben.

Heute allerdings krankt die Handlung an allem, was man sich nur so an Wertungskriterien ausdenken kann. Und dass ich die beiden Figuren schon während des Films kaum auseinanderhalten konnte, ist nur ein Aspekt von vielen. Schade…

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Artikel

von Klapowski am 01.02.18 in Filmkritik

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Kommentare (10)

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  1. Susan sagt:

    Ich denke, dieses Review wird wohl nicht so viele Kontroversen anfachen wie die Star Wars/Trek Sachen ;)

    Meine Erinnerungen an den Film sind in etwa übereinstimmend mit dem Review. Ich hab keine Ahnung, wie der Film nicht in Vergessenheit geraten ist… So verzichtbar, so dröge. Muss wohl ein sehr verregneter Kinosommer gewesen sein ;)

  2. bergh60 sagt:

    tach auch !

    Der Film war damals ein Knaller, heute wirk er schnarchlahm.
    Bei allen Fehlern, hat sich heute einfach die Sehgewohnheit geändert.
    Wenn ein Film nicht wie ein Musikvideo geschnitten ist verliert die Generation Ritalin sofort die Aufmerksamkeit.

    Gruß BergH

  3. Nitpicker sagt:

    Erstaunlicherweise scheint Discovery beim Publikum hervorragend anzukommen:

    https://scontent.fsnc1-1.fna.fbcdn.net/v/t1.0-9/27073260_10160004319220008_8168133098400829779_n.jpg?oh=7da03cc82baa808d80261f11197fcb5f&oe=5B24DC20

    Ist das jetzt so ein klarer Fall von Doktor Crushers „Wenn mit mir alles in Ordnung ist, dann muss es das Universum sein, das sich irrt“-Philosophie? Ich verstehe nämlich die Welt nicht mehr. :(

  4. Susan sagt:

    Ok, ich hab mich geirrt – anscheinend gibts sogar bei diesem Machwerk Potential für Dissens. Wer hätte das gedacht!
    Ich weiß ja nicht, welche Sehgewohnheiten Bergh meint – aber ich vermute sie beinhalten sich solche Filme schönzukiffen ;)
    @Discovery: vielleicht hilft das da ja auch, wer weiß!

  5. Bergh60 sagt:

    tach auch !

    @Susan

    Beispiel :
    Silent Running. Ein Super Science Fiction Film aus den 70 ern.
    Wenn Du den heute schaust schläfst Du ein.
    Sehgewohnheiten:
    – Man ist bessere Tricks gewohnt
    – Die Geschichten werden heute im Fast-forward erzählt
    – alle paar Sekunden fliegt völlig unmotiviert irgendetwas in die Luft

    Bei Silent running wäre heute die Geschichte in 25 Minuten erzählt und der Film müsste nicht 89 Minuten dauern.

    Jetz vergreife Ich mich an einem Meisterwerk (?) Odysse 2001
    Da fliegt eine Mondfähre 7 (sieben) Minuten über die Mondoberfläche. NICHTS passiert, kaum Musik , oder wie es einer meine Lieblingsrezensenten titulierte:
    Crap floating in Space.

    In der Zeit passiert in anderen Filme deutlich mehr.
    Das würde sich heute keiner aus der Generation Ritalin mehr angucken (können.)

    Klar soweit ?

    Gruß BergH

    • Susan sagt:

      Ich denke, wenn ein Film die breite Masse anziehen will, ists immer einfacher mit viel Bum-bum und schnellen Schnitten. Das sich das über die Jahrzehnte ziemlich extrem entwickelt hat – geschenkt. Reizüberflutung ist quasi überall und kaum zu entgehen. Das stumpft die Leute ab.
      Aber so ein Film wie 2001 war schon als er herauskam was Spezielles. Heute fällt das wohl nur umso mehr auf. Was heute im Kino zu sehen ist, ist nur noch sehr selten wirklich gewagt. Lieber mehr vom Gleichen, viel Spektakel, wenig Hirn – da geb ich dir Recht.
      Aber das macht den Film an sich nicht unbedingt besser.

      Antworten
    • WKT sagt:

      Der Vergleich hinkt ein bisschen. In 2001 ist die Langsamkeit und die Stille ein bewusstes Stilmittel um die besondere Atmosphäre zu unterstützen, eines der Grundthemen des Films. Das funktioniert deshalb so gut, weil es dem Ganzen diesen besonderen, klaustrophobischen Anstrich gibt. Das war schon damals außer der Reihe und „gegen die Sehgewohnheiten“ und genau deshalb funktioniert der Film auch heute noch.

      Das „Philadelphia-Experiment“ ist einfach ein Film, der damals schon durchschnittliche Massenkost war, die halt nicht gut gealtert ist, aber einen gewissen Kultstatus entwickelt hat, wegen des Mythos Drumherum.

      Antworten
  6. Tabularius sagt:

    bzgl. „kontemplativen“ *hust* Filmen kann ich „A ghost story“ empfehlen. Der ist in etwa soweit weg von modernen Sehgewohnheiten wie man es sich nur vorstellen kann. mMn aber trotzdem sehr gut gemacht und interesant

    Waehr doch auch mal was fuer ein Review hier !?

  7. DerBeimNamenNennt sagt:

    Zitat:
    „So glaubte man damals in gewissen Kreisen, das Philadelphia-Experiment hätte wirklich stattgefunden! Und das nur wegen eines einzelnen „Zeugen“, der ein verschwundenes Schiff gesehen haben will (= Widerspruch?).“

    Wobei ich mich bei solchen Dingen immer frage: Was war zuerst da, die Verschwörungstheorie oder die Scifi.

    Zitat:
    „Wenn Filmfiguren gefühlte Viertelstunden nicht wahrhaben wollen, dass sich zeit- und raummäßig erheblich was getan hat, sind sie auf ihren Job schlechter vorbereitet gewesen als der Zuschauer.“

    Wieso?
    Ist vielleicht gar nicht mal unrealistisch.
    Falls mir sowas mal passieren würde, so wäre ich auch ziemlich verwirrt.

    Ich habe den Film als insgesamt unterhaltsam in Erinnerung. Wobei ich den alterbedingt nur als Nachmittagsfüller an Feiertagen mitbekommen habe – also entweder verkatert wegen den langen Abend davor oder satt und angeheitert vom gemeinsamen Essen.

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