Film- und Serienkritiken

Der Latinum-Standard des Star Trek Universums

Cronenberg TV – 3 Reviews zum Meister der „Häää?!“-SF

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David Cronenberg hat mehr für die Science Fiction getan als J.J.Abrams mit dem flohmarktmäßigen Ausverkauf von Star Trek und (demnächst) Star Wars. Der David hat unzählige Filmchen verwirklicht, von denen die eine Hälfte total krank ist und die andere Hälfte total krank MACHT. Kein Wunder, so ungeschützt, wie er in seinen Streifen stets Körperöffnungen benutzt (Ansteckungsgefahr!) und alternative Realitäten erschafft, in denen man sich spontan unwohl, aber beim Gucken auch irgendwie „unhohl“ fühlt. Lest hier nun die Reviews zu „eXistenZ“, „Die Fliege“ und „Videodrome“

„eXistenZ“ (1999)

David Cronenberg ist der Meister der Arschlöcher. – Nein nicht von Euch, verehrtes, aber besserwisserisches Zukunftia-Publikum, sondern von künstlerisch-metapherischen Popoöffnungen. Ähnlich wie in „Naked Lunch“ (rollige Schreibmaschine mit begattungsbereitem Arschloch) gibt es nun in „eXistenZ“ Körperöffnungen, in die USB-“Fleischleitungen“ geschoben werden. Und die PS4 ist dort ein großer Schinken zum umständlichen Dran-Rubbeln. DA hätte ich gerne mal den Shitstorm auf der E3 gesehen, wenn Sony das als „Meat-Feature OHNE Online-Zwang“ angekündigt hätte.

Da 95% des ganzen Films sowieso in einer Art Spielekonsolen-Matrix spielt, ist es aber sowieso egal, was hier Sinn macht, vorspielt oder komplett verneint. Spätestens, als die Gamedesignerin und der Türsteher bei ihrer Flucht vor den Anti-Konsoleros (= PC-Gamer?) auf ein zweiköpfiges Insektenwesen treffen, darf man getrost ausschließlich auf den Metaphernreichtum der Handlung einsteigen. Selbst Madonna hat mehr echte Bestandteile als dieser Film. – Doch leider gelingt es Cronenberg im Vergleich zu dem weiter unten rezensierten „Videodrome“ nicht, dem Grundthema namens „Medien und Realitätswahrnehmung“ eine gewisse Tiefe abzugewinnen. „Schiefe“ oder verweinte „Schniefe“ vielleicht, wenn man verzweifelt versucht, den unauflösbaren Crap von den durchaus entschlüsselbaren Bildern zu trennen, aber nichts, was hängen bleibt.

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„Verehltel Kunde kann mich erschießen, doch die Gebrauchtspielesperre der neuen Xbox, die BLEIBT!“ – „Und was ist, wenn ich hier einfach nicht mehr einkaufe? Und meine Freunde auch nicht?“ – „In diesem Falle: Bye, bye, Geblauchtspielespelle!“ – Kellner (süß-)sauer: Nein, dies ist kein Egoshooter, auch wenn es seitens Cronenberg enorm VIEL Ego gibt.

So sieht man irgendwann emotionsformatiert zu, wie eine fleischige Konsole in einem Stall allerlei Sporen entlässt, der Kellner in einem asiatischen Restaurant von einer Pistole aus Knochen erschossen wird und wie sich der „Krieg um die Realität“ letztendlich in einer realen Maschinengewehr-Ballerei entlädt. – Schade, denn mit etwas mehr Emotionen der mehr als verschnarchten Darsteller von unterforderten Hollywood-Darstellern hätte man mich hier durchaus packen können. Schon „Star Trek“ hat mit mindestens 5 genialen Serienepisoden (die 28 misslungenen von Voyager nicht mitgerechnet) gezeigt, dass kaputte Scheinrealitäten eigentlich immer gehen, WENN man ganz nah dran bleibt und die Verwirrung der Figur porträtiert, die nicht gaaanz checkt, warum ein Affe mit Schlangenkörper aus dem eigenen Toaster schlüpft.

Eigentlich rettet „eXistenZ“ nur das Ende in Verbindung mit dem Anfang. Erst dann löscht man den Leerlauf der Mitte und versteht beispielsweise, warum in der Scheinwelt der Hund ständig die Knochenknarre herumgetragen hat. Ansonsten bleibt leider nicht viel, was das Thema beleuchtet: Die Games-Branche besteht scheinbar aus Scheunen, Strohballen und öligen Mechanikern, die „Handlung“ der Games hingegen ist so sprunghaft und actionarm, dass heute nicht mal ein Indie-Entwickler seine virtuellen Finger danach lecken würde.

Fazit: Es gibt Leute, die „eXistenZ“ für den besseren „Matrix“ halten, welcher immerhin aus dem selben Jahr stammt. Dem muss ich entschieden – und mit einem Analplug im DVD-Laufwerk – widersprechen: Zu wenig Substanz, zu viel Cronenberg-Arroganz („Wer braucht ’nen Plot, wenn er Halluzinationen hat?“). Schade!

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„Die Fliege“ (1986)

„Die Fliege“ ist da schon ein anderer Schnack, wie man so schön sagt. Mit 0% Halluzinationen im Fettanteil und anfangs nur subtil steigendem Ekelfaktor baut Crony-Boy (Freunde dürfen ihn so nennen) ein Horrorwerk auf, das auch heute noch wirkt. Immerhin 27 Jahre nach der Entstehung und nur anderthalb Monate nach dem ekelerregenden „Star Trek 12“ zeigt der Meister hier, was echten Horror ausmacht. Nämlich, dass man den Fernseher AUSMACHEN möchte, wenn Jeff Goldblum nach einem missglückten Teleportations-Experiment seine Fingernägel verliert und sein Essen außerhalb seines Körpers vorverdaut. Das alles hat eine Intensität, wie man sie wohl nur in den 80ern fand, als die Puppen- und Maskeneffekte so weit waren, um geil auszusehen, die CGI-aber noch zu ungeil, um überhaupt jemanden gezeigt zu werden. Letzteres ist bis heute ja noch größtenteils so geblieben…

Wenn Jeff sein absterbendes Ohr abpult, so ist das erinnerungswerter als die 45 CGI-Minuten vom 2013er „A Battle Within“, einen Film, der so vergessenswert ist, dass ich der einzige bin, der ihn noch kennt – vielleicht aber auch, weil er nie existiert hat? Jedenfalls ist „Die Fliege“ erstaunlich gut gealtert, wenn auch nicht in Persona, denn die Fliege wird am Ende ziemlich ekelig zerstört. Aber so ergeht es nun mal Wissenschaftlern, die in der Natur herumpfuschen! Wenn Gott gewollt hätte, dass wir uns teleportieren, so hätte er uns einen Schmerbauch gegeben und uns „Scotty“ genannt!

Okay, zu meckern gibt es hier natürlich auch etwas: Der Wissenschaftler bleibt die ganze Zeit recht blass und distanziert, was aber ein typisches Stilmittel von Kronzeugen-Bert (Freunde dürfen ihn so nennen) zu sein scheint. Ob er oder seine Journalistenschnalle nun leben oder sterben oder auf ewig mutieren, ist einem irgendwann ziemlich Latte. Der Schrecken eines sich verändernden Körpers (unsere pubertierenden Zuleser werden bestätigend mit ihren Rechtschreibfehlern nicken) ist hier die Hauptfigur, Ohnmacht und das Gefangensein zwischen auswegloser Lage und gelagerter Ausweglosigkeit.

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„Oh Gott, ich bin eine Fliege, schleimig, stark und mächtig, niemand kann mir etwas anhaben. Hey, Moment? Wer ist DAS?“ – „SPIDERman.“ – „Neeeeein!“ – Todeskrampf beim Beamen: Hier zeigt sich wieder mal, wie sehr die EU-Forschungsmillionen verplempert wurden. Viel zu hohe 493,34 Euro wurden in das Projekt „Genetische Teleportation gesteckt“, aber nur 520 Milliarden in „Machen Ameisengene sogar Griechen fleißig“? – Ein Skandal!

Klar, man könnte anmerken, dass Jeff erst mit bereits zu Klumpfingern mutierten Händen mal langsam anfängt, am Computer eine Lösung zu erarbeiten, oder aber, dass keiner der drei Hauptfiguren es für nötig hält, mal einen echten Typen mit Doktortitel aufzusuchen (die versuchte Abtreibung außen vor gelassen) – oder wenigstens Jürgen Domian anzurufen. Aber letztendlich lebt der Film von 4-5 Momenten wie z.B. einem nach außen gestülpten Affen oder einer mächtig verdauten Hand, die einem auch Tage nach dem Sehen nicht aus der Birne gehen.

Man muss auch bedenken, dass der Film damals durchaus mehr „Impact“ (nein, nicht der Film!) als heute hatte, trotz „nur“ 15 Millionen Dollar Budget für Puppen und Schleim. So schrieb z.B. die Publikation „Sagenhafte Welten – Der phantastische Film“ noch im Jahre 1990: „Eine neue Stufe krankhafter Phantasie. Hier ist eine Stufe erreicht, die mich nötigt, nach einem Verbot dieses und ähnlicher antimenschlicher Werke zu schreien.“ – Das erscheint fast schon lächerlich, wird dem Protagonisten seine Verwandlung und Wesensveränderung ja von außen aufgezwungen (siehe dazu Franz Kafkas „Die Verwandlung“). Hätte sich der Typ aus FREIEN STÜCKEN dazu entschieden, einem Mann den Fuß wegzuätzen, der Autor der obigen Zeilen hätte sich vermutlich eine Fliegenklatsche ins Großhirn gerammt.

Fazit: Ein Klassiker, der so klassisch und zeitlos wirkt, dass es fast eine Schande ist, dass die Figuren trotz Bumserei, Eifersucht und Abfaul-Ängsten nie ganz beim Zuschauer ankommen. Aber allein die Maskeneffekte rechtfertigen es, sich dieses frühe Spätwerk des junggebliebenen Altmeisters anzusehen. Man wird heutige Horrorfilme danach vermutlich mit anderen, fascettenreicheren (Igitt!) Augen sehen.

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„Videodrome“ (1983)

Mit dem klassischen filmischen Stilmittel der „Kranken Scheiße“ (einfach mal nachblättern) schafft es Krombacher (Freunde dürfen ihn so nennen) hier, den Zuschauer nachhaltig zu verstören. Okay, die Magnetbänder und VHS-Kassetten der frühen 80er würden dafür eigentlich schon genügen, aber Cronenberg setzt hier noch etliches drauf. Und das begibt sich so: Der Betreiber eines Piratensenders, der vor allem Gewalt und Sex zeigt, hat vor der Gründung von RTL2 noch mächtigen Untergrund-Erfolg. Doch eines Tages sieht er auf einem anderen Piratensender noch krassere Folterszenen, welche die Zukunft des Marktes bedeuten könnten. Dummerweise lösen diese Halluzinationen (immerhin besser als heutige Werbeblöcke) aus, was den Protagonisten zum Spielball werden lässt.

Im Gegensatz zu eXistenZ oder gar „Naked Lunch“ fällt es hier etwas leichter, Realität und Halluzination auseinander (oder besser: „zusammen“) zu halten: Vaginaähnliche Öffnung im Bauch? – Halluzination. Atmende, pulsierende Fernseher? – Einbildung. Eine Knarre, die gummiartig aus einem Fernseher herauswächst? – Ein Irrsinnsindikator… – Moment mal! Ihr fragt, warum es in dieser Aufzählung kein Beispiel für eine interessante REALE Begebenheit gibt? Weil die einfach nicht so interessant sind und man sich auch nicht zu 100% sicher sein kann, was jetzt wirklich geschieht.

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„Sie brauchen eine höhere Auflösung, der Herr. Also, die Auflösung ihres Gehirns, meine ich natürlich!“ – „Oh Gott! Alles, nur nicht die alten Dallas-Episoden!“ – Bauchgefühl: Viel interessanter als der Film ist vermutlich der Moment, als Cronenberg den Plot seinen Produzenten vorgestellt hat. Aber wer weiß? Vielleicht waren das Asiaten und fanden das alles noch zu… normal? Oder aber die Verhandlungen sind so gelaufen wie bei dem Bild zu „eXistenZ“ weiter oben…

So ist es z.B. selbst mit an Hirnkernschmelze grenzender Nachdenkarbeit unmöglich, im Nachhinein aufzudröseln, WAS zum Geier die Bösen jetzt WIRKLICH getan haben, um die Hauptfigur zu ihren Zwecken umzuprogrammieren. Ich gehe davon aus, dass es eher schwierig ist, einem Menschen eine Videokassette in die Gedärme zu schieben? Ich frage ja nur, da ich vorhabe, mein geliebtes Super Nintendo in Zukunft in meinem Hinterkopf aufzubewahren… Und WO war die Knarre jetzt eigentlich wirklich, als sie in seinem Inneren verschwand? In der Popofalte? – Aber vielleicht ist es auch ganz gut, dass nicht alles erklärt wird, denn wenn wir zwischendurch die Otto-Versand-Umhängetasche gesehen hätten, in der all das Zeug gelandet ist, es hätte den Film entmystifiziert.

Was Cronenberg uns mitzuteilen versucht, ist jedoch bei aller kranken Scheiße und anderen Lokus-Hommagen recht ersichtlich: Er fasziniert den Zuschauer mit brutalen Bildern und stellt gleichzeitig in Frage, ob diese ihm gut tun. Vielleicht macht er sich aber auch lustig über jene, die den (härteren) Medien den Untergang des Abendlandes zuschieben wollen. Wie auch immer, das Grundthema der medialen Massenverblödung ist immer noch aktuell, wenn man sich im Kopp die Videokassetten in einen Mauszeiger umdenkt und die Röhrenmonitore in Flachbildschirme. Aus denen aber unmöglich derartige Mengen an Gedärmen purzeln könnten (*Endlich Vorteil alter Technik gefunden hab*).

Wirklich SPAß im klassischen Sinne darf man sich hier allerdings nicht erhoffen. Wenn ein normaler Blockbuster einem Eimer Popkorn entspricht, so ist das hier irgendeine ausländische Fleischsorte von einem unbekannten Tier, wo man nicht weiß, ob der seltsame Geschmack vom jahrelangen Ablauf des Haltbarkeitsdatums herrührt oder einfach nur, weil’s so ungewohnt mundet. Trotzdem fühlte ich mich nach dem Verfolgen von Cronenbergs These, dass Privat- bzw. Piratensender entweder im Kopf Krebs verursachen oder aber „nur“ einen neuen Hirnstamm wachsen lassen, weniger schmutzig als nach zahlreichen Mainstreamfilmen der letzten Jahre.

Fazit: Ein Film wie ein Autounfall: Man kann nicht weggucken und möchte zudem ein Feuerzeug an das ausgelaufene Benzin halten. – Um zu sehen, ob es trotz aller „Krank-ness“ noch ein bisschen kaputter und desolater geht. Lasst Euch von der „6er“-Wertung nicht zu sehr beeinflussen, denn diese basieren nur auf den unausrottbaren Mainstream-Stimmen in meinem Schädel: Wer Medienkritik und „Kot-aleralschäden“ in ungewöhnlichen Filmen liebt, sollte hier mal rein- und Cronenberg in den Enddarm schauen.

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Artikel

von Klapowski am 23.06.13 in Filmkritik

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