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„Watchmen“ – Was guckst Du?!

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„Gut Review will Weile haben!“ hat meine Großmutter mir immer gesagt. Und nachdem ich diese notwendige Weile nun endlich fingernagel- und baldriankauend abgewartet hatte, habe ich mir vor zwei Tagen auch endlich den brandneu… brandalten „Watchmen“-Film angesehen! Ist das eigentlich normal, dass man für Kultfilme wie diese nach nicht mal 4 Wochen nur noch Kinotermine um Mitternacht bekommt? – Das hätte doch zu „The Dark (K)night“ viel besser gepasst, oder?

Wenn das Wort „Kunst“ wirklich von „Können“ kommt, so müsste dieser Film ein „Gunstwerk“ sein, denn er ist ausnehmend geil“!

Was habe ich schon kritisch über zahlreiche Superheldenstorys abgepupt: Schlechter oder fehlender Humor, Charaktere, die nur dann interessant sind, wenn sie ihre Masken noch NICHT als dauerhafte Gesichtstapete tragen sowie einfallslose „Bumm-Peng“-Enden seien hier nur beispielhaft als uralte Kritikpunkte genannt. Doch „Watchmen“ sollte wirklich anders werden. Anspruchsvoller. Nicht dieses „Der Darsteller wird erst drei Mal gebrochen und dann auch noch zu einem Papierboot zusammengefaltet“-Anspruchsvoll, mit dem man uns bislang immer ködern wollte. Und auch nicht dieses „Wir haben den Film unterbelichtet und einen tiefgründigen Dialog kurz vor Schluss angefügt“-Anspruchsvoll.

Nein, Watchmen sollte wirklich „Anspruchsvoll“-Anspruchsvoll sein. Mit Dialogen, die so clever und poetisch sind, dass unsere alten Deutschlehrer zu heulenden Babys mutieren und unsere Mütter in der Nachbarschaft stolz von unseren „großen Comicsammlung“ berichten mögen. Eben ein Kunstwerk, ein Fanal (was ist das eigentlich?), halt so was wie der ultimative „Titanic“-Film für Männer!

Um es vorweg zu nehmen: Über weite Strecken nimmt „Watchy“, wie ich ihn von nun an liebevoll nennen möchte, diese Hürden grandios! Und abgesehen davon, dass hier die Helden ohne „mystische“ Superkräfte viel zu stark sind, ist dies wohl einer der realistischsten Superheldenfilme überhaupt… Dass das ganze Verkleiden aus einem „Scherz“ einer kostümierten Räuberbande entstand, den die „Guten“ dann nur ihrerseits aufgriffen, ist eine ziemlich einleuchtende Erklärung! Kurz danach trafen dann halt ein paar Selbstdarsteller mit vielen Muskeln (aber manchmal wenig Hirn) auf dankbare Pressevertreter und schon waren die Verbrechensbekämpfer mit dem dunklen Lidschatten und den Gummiohren geboren!

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„Hey, Leute! Adolf Hitler hat gerade angerufen! Er bestellt bei uns 200.000 Exemplare der Henkersverkleidung! Wofür er die wohl braucht?“ – Bunte Minuten-Terrine: Die allerersten Superhelden machten wenigstens noch was her! Unvergesslich bleibt bei den meisten ihr legendärer Kampf auf Leben und Tod mit Omas alter Nähmaschine, um diese Kostüme überhaupt fertigzustellen…

Aber ist der Kultcomic wirklich so intellektuell und tiefgründig, wie man in manchen Reviews lesen konnte? Manche Kritiker hatten ja sogar Sorge, dass der Mainstream sich trotzig eine Popkorntüte über den Kopp ziehen und mit lauten „Versteh‘ ich nicht!“-Rufen die Vorführungen stören könnte. Nun, das ist sicherlich übertrieben, denn soooo kunstfilmig ist das Teil jetzt nun auch nicht. Und schwedisch spricht hier auch keiner. In anderen Genres (Thriller, Komödie, Weltkriegsdokumentation auf N24) sind diese Dialogmengen ebenfalls üblich, nur halt nicht so ganz auf den Punkt gebracht wie bei „Watchmen“. Manche zynisch-trockenen Zeilen erinnerten mich tatsächlich ein wenig an „Sin City“, was ich als Lob verstanden haben möchte…

Und wer den Film gesehen hat, wird sich an den Satz „Muss noch ein kleines Geschäft erledigen“ sicherlich mit Wohlwollen erinnern…

Wem das alles zu anspruchsvoll oder langweilig ist, ist mit der animierten Star-Wars-Serie sicherlich besser bedient, alle anderen (und das scheint die Mehrheit zu sein) sind zu recht begeistert von einem Heldenfilm, der gar keine Helden zeigt. Das ist aber durchaus legitim, denn Mario Barth hat schließlich auch eine Komödie ohne Witze auf den Markt gebracht! Und ein kleiner Teil der Faszination liegt auch darin, dass wir hier eine alternative Realität in den 80ern sehen, in der Nixon zum vierten Male wiedergewählt und der Vietnamkrieg flott (dank Heldenpower) beendet wurde. Das ist dann schon was ganz anderes als die vorgekaute Product-Placement-Bubblegum-Welt von Spiderman, X-Men und Konsorten!

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„Natürlich schieße ich nicht auf Frauen und Kinder! Sonst könnte ich nach der Schlacht ja niemanden schänden und vergewaltigen!“ – Pathologisch unsympathisch: Der Comedian ist ein eher schwieriger Geselle. Und ihr solltet erst mal das Werkstück sehen, das er für seine Gesellenprüfung angefertigt hat! Unglaublich, wie viele herzförmige Hackfleischbällchen man aus hundert Vietnamesen kneten kann…

Auch die Musik ist kein Standard-Orchestergedudel des meist unvermeidlichen John Williams-Nacheiferers, sondern liefert ältere Songs aus der Popkultur. Hier darf es gerne auch mal etwas Langsames sein, was den harten Kampf zu Beginn gleich doppelt bemerkenswert macht. Und wen hält es noch auf seinem Sitz, wenn kurz vor einem Atomkrieg zwei der Protagonisten in einem Restaurant sitzen und Nenas „99 Luftballons“ aus dem Kinolautsprecher dröhnt? – Nur einen Mensch mit dem Kunstverständnis einer analphabetischen Amöbe, möchte ich behaupten…

Aber zurück zu den Charakteren, deren Beleuchtung fast den ganzen Film in Anspruch nimmt: Ein paar der hier dargestellten Watchmen wären tatsächlich besser im Fetisch- und Serienkillerbereich aufgehoben, so dass man sehr gut verstehen kann, warum Nixon diese Arschloch-Amokläufer zu Beginn des Films einfach verbieten lässt. Als dann einer dieser „Ehemaligen“ unter mysteriösen Umständen umgebracht wird, tritt mein Filmliebling Rorschach auf den Plan, der einfach weiterhin seine Maske trägt. Besonders schön: Er nennt sie fortwährend „Mein Gesicht“ und deutet damit liebevoll an, dass man einen verkleideten „Helden“ im wirklich Leben eher in die Kategorie „Deppen, Exhibitionisten, Bauernfänger“ einordnen würde.

Was danach folgt, sind erst einmal Rückblicke, Ausblicke, Augenblicke… Und Genicke der Zuschauerköpfe! Denn mal ehrlich: Das große Finale hat uns bei solchen Filmen doch noch nie wirklich interessiert. Der Böse (der hier sehr spät enthüllt wird) bekommt halt auf’s Maul und der Gerechtigkeit der Selbstjustiz wird Genüge getan. That’s it! – Doch hier gibt es vor allem die Hintergrundinformationen, die uns wirklich anmachen: Was unterscheidet einen selbsternannten Verbrechensbekämpfer von einem Terroristen? Ist ein WIRKLICH mächtiger Charakter (wie hier Doktor Manhattan) überhaupt noch ein Mensch, mit dem man leben kann? Ist eine Frau im Lederdress sexuell ausgeglichen oder muss sie mal wieder ordentlich rangenommen werden? Und kann man einer solchen mit einer Vergewaltigung auch einen Gefallen tun? Und wie spült man eigentlich einen Zwerg im Klo herunter?

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„Ich weiß gar nicht, wieso das eigentlich ‚Gefängnisaufstand‘ heißt, wenn dabei alle müde in der Ecke rumliegen…!?“ – Echte Hau-degen: Die Dame rechts ist übrigens nur deswegen mitgekommen, weil hier die Alarmsirene kaputt ist und sie beim Gehen ein ähnlich auf- und abschwellendes Knatschen von sich gibt…

Alle diese Fragen werden nacheinander beantwortet, bevor überhaupt klar wird, wer der Böse ist und was er vorhat. Da die Charaktere an sich allerdings der Schlüssel zu dieser Antwort sind, befindet man sich aber bereits in der Haupthandlung des Filmes, während man sich noch im endlosen Vorgeplänkel wähnt… Auf DVD wäre dieser Film bei mir daher ein Kandidat für „Auf 2 Tage verteilt gucken“, was ich aber nicht als wirklichen Kritikpunkt sehe.

Optisch spielen die „Guckmänner“ auch ganz vorne mit: Zwar halten sich die Computereffekte (für heutige Verhältnisse) arg in Grenzen und Doctor Manhattan sieht manchmal ein bisschen wie der Nachfolger von Meister Propper aus, der für irgendein blaues Reinigungsgel wirbt, jedoch mochte ich die ganze Stimmung und Ausstattung sehr. Vor allem die Kameraperspektiven scheinen direkt aus dem Comic übernommen zu sein und hatten für mich eine ähnlich hypnotische Wirkung wie damals „Sin City“. Und von dieser Hypnosetherapie würde ich gerne ein wenig an die Macher zurückgeben, indem ich suggestiv von ihnen „Meeeeehr davooooon!“ verlange und dabei eine Brille mit komischen Kreiselbildern aufsetze…

Vielleicht sollte man in Zukunft JEDES Hollywood-Drehbuch erst mal als hochwertigen Comic umsetzen und diesen dann visuell 1:1 verfilmen. Vielleicht klappt es dann ja auch mit meinem ersten zuende geschauten Adam-Sandler-Film?

Nach den groß aufgebauten Charakteren musste das „Watchmen“-Ende dann aber zwangsläufig ein bisschen enttäuschen, wenn auch nicht viel. Vielleicht war ich aber auch nur enttäuscht darüber, dass der Film zuende ist, wer weiß?

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„Ja, wir sind alle Brüder! Unsere Mutter hat einfach in der Hoffnung weiter schwängern lassen, dass ihr irgendwann ein Kind mit Pupillen gegeben wird.“ – Vielleicht hätte sie auch seltener im Atomkraftwerk arbeiten und das Anabolika in der Schwangerschaft auf ein Kilo täglich reduzieren sollen? – Doctor Manhattan ist einer der interessantesten Figuren im Film. Schon allein wegen seiner… Figur.

Fazit: Ein toller Streifen, der spürbar 10 Jahre nach dem Beginn der aktuellen Superhelden-Manie auftrifft. Vermutlich mussten einem die Helden in Strumpf- und CGI-Hosen auch erst ordentlich auf den Sack gehen, bevor düstere Werke wie „Batman – The Dark Knight“ und halt dieses hier mal ordentlich reinhauen durften. In den Sack.

Von mir aus kann es so jetzt auch noch ein paar Jahre weitergehen, denn nach Superman, Hulk und den phantastischen Vier gibt es eine Menge verdrängten Scheiß aufzuarbeiten. Und Filme wie „The Watchmen“ sind das lang ersehnte Quellwasser (wenn auch in tiefschwarz), um diesen endlich die Toilette herunterzuspülen…

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Artikel

von Klapowski am 12.04.09 in Filmkritik

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Kommentare (2)

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  1. Pherim sagt:

    „Vielleicht sollte man in Zukunft JEDES Hollywood-Drehbuch erst mal als hochwertigen Comic umsetzen und diesen dann visuell 1:1 verfilmen.“

    Es ist ja sowieso üblich, dass erst ein Storyboard aus dem Drehbuch gemacht wird, in dem Comichaft der Szenenablauf dargestellt wird, einschließlich Kameraperspektiven und so weiter, also streng genommen passiert genau das bei jedem Film, wobei man natürlich über die Hochwertigkeit streiten kann. Außerdem macht eine gute Comic-Umsetzung aus einem schlechten Drehbuch immer noch keine Vorlage für einen guten Film (äh, wie bitte?).

    Wie auch immer, super Film, super Review!

  2. Michael K. sagt:

    Der Comic war super, der Film ist es m.E. ebenso! „Watchmen“ ist als Comic übrigens Mitte der 80er erschienen, nahezu zeitgleich mit Frank „Sin City“ Millers „Batman – The Dark Knight“! Beide Comics (bzw. ab diesem Zeitpunkt „Graphic Novels“ genannt) waren revolutionär, weil sie sich mit der Frage beschäftigen, wie weit ein Superheld bei der Verbrechensbekämpfung gehen darf, inwieweit Selbstjustiz gerechtfertigt ist („Who watches the Watcher?“ – Sinnigerweise steht dieser Spruch im Film auch als Graffiti an jeder zweiten Hauswand…). Erst hier begann die Ära des „Comics für Erwachsene“ – mit Themen, die Kinder entweder nicht verstehen oder (noch) nicht interessieren. Danach war nichts mehr, wie es vorher war; kein Comic durfte mehr ohne Düsteroptik erscheinen. Bereits 3 bis 4 Jahre später schlug sich das auch in der Filmindustrie nieder, als Tim Burton beschloss, den Look von „The Dark Knight“ bei seinem eigenen Batman zu verwenden, der allerdings eine andere Geschichte erzählt, nämlich u.a. die Industrie-Spionage-Geschichte aus dem allerersten Batman-Comic, erschienen in „Detectice Comics, Ausgabe 27“. Somit waren Watchmen und Dark Knight wahre Meilensteine. Entsprechend war ich auf die filmische Umsetzung gespannt.
    Besonders schön umgesetzt fand ich auch die Entstehungsgeschichte von Dr. Manhatten, die im Comic ebenfalls ein ganzes, in sich abgeschlossenes Kapitel darstellt. Diese 15-minütige Sequenz zeigt gleichzeitig auch, wie Dr. Manhattan die Zeit wahrnimmt: Er sieht alles gleichzeitig: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – so wie man aus einem Orchester ein einzelnes Instrument raushört.
    Vor Begeisterung aus dem Sitz aufgesprungen (zum zweiten Mal nach „99 Luftballons“!) bin ich auch bei der Musikuntermalung von Philip Glass in dieser Sequenz, stammt diese doch aus meinem Lieblingsfilm „Koyaanisqatsi“, der ebenfalls in den 80er erschien.
    Das Ende gefällt auch mir nicht (sowohl im Comic als auch im Film). Abwechselnd sich gegenseitig die Faust ins Gesicht drücken – fertig.
    Nunja, demnächst wird ja noch der Director’s Cut nachgeschoben, der eine Lauflänge von über 3 Stunden hat – für eine Comicverfilmung auch eher eine Seltenheit…

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