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„Mute“ – Das Review zum Leiserstellen

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Duncan Jones war schon ein toller Hecht: Sein Film „Moon“ war ein grandioses Kammer- und Kraterspiel, sein Streifen „Source Code“ immerhin solide SF mit Schönlingsnasen und „World of Warcraft“ kam in China so gut an, dass es mich nicht wundern würde, wenn es zu dem Film demnächst mal ein Videospiel gäbe. Umso höher (im Mittelklasse-Segment) waren die Erwartung vor „Mute“, den er für Netflix drehen durfte. Der übrigens im Jahre 2050 in Berlin spielt. Und damit will ich die wertneutrale Inhaltsangabe auch schon beenden.

Achtung, Spoiler:

Die Hauptfigur ist ein stummer, lieb schauender Teddybär, der jedoch den ganzen Film über seine blauhaarige Freundin sucht – und darüber zu einem st(runzd)ummen, böse schauendem Teddybären mutiert. Fräst er zu Beginn noch tänzelnde Delfine in Holzpfähle (und nein, das ist keine humoristische Übertreibung), verkloppt er am Schluss zwei riesige Türsteher mit genau diesem Prügel. Wobei man der Glaubwürdigkeit zugute halten muss, dass er sie nicht wiiirklich verhaut, sondern die Kamera aus zehn Metern Entfernung irgendein wirres Handgemenge zeigt. Genau so gut hätten die zwei Security-Männer auch an einer Fischvergiftung umfallen können, so wenig, wie die sich wehrten.

Bis man allerdings an diesen Punkt des Dramas gelangt, läuft Freund „Feuchtes Murmelauge“ durch die ganze Stadt, gestikuliert vor Trägern von recht … interessanten Frisuren, vor Freunden von Robotersex, Sex allgemein und von Premium-Sex. Warum das alles im Berlin des Jahres 2050 stattfinden musste, jene Info bleibt der Plot jedoch bis zum Ende schuldig. Dieses verfilmte Brettspiel („Scotland Yard“?), hätte auch ohne den aufdringlichen „Blade Runner“-Look exakt so funktioniert, wie es hier tat. Nämlich gar nicht.

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„Barkeeper, wollen Sie sich nicht mal kurz über meine Probleme unterhalten?“ – „Gnnnfff… Fmmp! Haaaaccchhr!“ – „Äh… Danke. Mir geht es schon viel … besser?!“ – Unterhaltungs(un)wert: Wieso der Mann überhaupt in einem Nachtclub arbeitet, leuchtet mir nicht ganz ein. Aber gut, Integration ist ja was Gutes. Und die blinde Bedienung nebenan macht ja sogar deutlich mehr falsch als er!

Der Film funktioniert weder als zukünftige Gesellschaftsstudie besonders gut (gevögelt wird außerhalb unserer Leserschaft ja schon heute), noch als visueller Augenöffner (sieht alles nett aus, ist aber nichts Neues), noch als Drama um verlorene Seelen. Dafür sind einem alle drei bis vier Hauptfiguren nämlich herzlich egal, egal, in wie vielen dunklen Nächten sie sich auf regennassen Straßen widerspiegeln.

Bei dem schwulen Antagonisten-Pärchen, das wir beinahe noch häufiger sehen, ist die Dramaturgie ähnlich seltsam: Der Schnauzerboy, nennen wir ihn „Mager-Magnum“, ist einfach nur ein unsympathischer Typ aus der US-Armee, der sich mit halbseidenen Jobs durch das Leben bringt. Liebreizend wird es für den Zuschauer nur, wenn er seinen noch ekligeren „Freund“ in die Fresse haut oder ihn mal wieder in die Zimmerecke drückt, weil Brillenschlange zum zehnten Mal angedeutet hat, kleine Kinderpopos irgendwie geil zu finden. Und da Mager-Magnum gerne mal Zivilisten bedroht und auch eine kleine Tochter hat, ist hier recht schnell klar, in welche Richtung es am Ende des Films laufen könnte. (Nein, sie reiben sich NICHT mit Neonröhren ein und feiern eine Orgie)

So plätschert dieser ewig gleiche Reigen an verlotterten Clubs und verlotterten Wohnhäusern also in der ewig währenden Nacht an uns vorbei, ohne uns eine nennenswerte Geschichte zu enthüllen.

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„Küss die Hand, gnädige … Frau? Mann? Trans… ? Äh, auf welche Toilette gehen Sie denn genau?“ – „Gendercode-Raum 129A, immer nur auf Gendercode-Raum 129A, mein Herr!“ – Diversität, bis er steht: Die allgemeine Offenheit wäre cooler rübergekommen, wenn nicht alles trotzdem so zwanghaft verrucht wirken würde. Hier hätte ein Nudisten-Clown beim stinknormalen Kindergeburtstag mal für ein Ausrufezeichen gesorgt!

Die gesamte Dramaturgie entpu(p)pt sich als feuchter Darmwind eines unglaublich großen Fans diverser SF-Filme – der nebenbei ein nicht minder großer Fan von sich selbst ist. Was gewisse Abzweigungen, Designs oder Details eigentlich bedeuten, erfährt man in diesem Kleisterwerk bis zum Schluss nicht. Und auch nicht darüber hinaus, wenn man unter Zuhilfenahme anregender Substanzen (Kantholz auf den Schädel, etc) noch ein paar Tage drauf rumdenkt. Ja, der ganze Film fühlt sich an, als hätte die Filmhochschule Bielefeld-Süd eine Abschlussarbeit zum Thema Dystopie haben wollen, sich dann aber nach den ersten Dreharbeiten auf das Thema „Gastronomie in SF-Comics des Jahres 1980“ umentschieden.

Der Held ist ein (Insert_Religion) Amish, was allerdings nur bedeutet, dass er mit einer Oma-Lupe im analogen Berliner Telefonbuch wühlen muss und ab und zu mal für eine Minute doof dasteht, wenn es an die Bedienung elektronischer Geräte geht. Äh, also quasi von ALLEM, was im Jahre 2050 so in der Gegend rumsteht. Das bedeutet allerdings KEINE interessanten Dialoge im Sinne von „Für und Wider – Elektrostrahlung vs. Gott“, denn – ich erwähte es bereits – der Held ist ja (Insert_Behinderung) stumm. Und somit dazu verdammt, mit traurigen Triefäuglein auf jeden Klingelknopf zu starren, bis der sich aus Mitleid von alleine drückt. Autofahren kann er jedoch trotzdem irgendwie. Ist ja ein altes Auto. Da lässt der Amish-Gott dann auch gerne mal ein Like da.

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Der Terence Hill der Herzen: Dieser eigentlich sanftmütige Kerl überwältigt fast jede Person, die sich ihm in den Weg stellt. Wobei ich fast glaube, dass die lange Krankschreibung des Regisseurs und Drehbuchautors (2014 bis 2018) ihm da eeetwas unter die Arme gegriffen hat. Äh, was heißt das eigentlich, wenn auf einem ärztlichen Attest als Diagnose „HabeNullBockaufLogik-itis“ steht?

Völlig wirr (und uninteressant) ist auch die Art, mit der der gute Mann auf Spurensuche geht. Die meiste Zeit hält er seinem Gegenüber irgendwelche Zettel unter die Nase. Die darauf notierten Infos gehen in die Richtung von „Wo ist Günther?!!!1“ bis hin zu „Wie, es gibt mehrere Günthers in dieser Stadt?!!!!11“.

Das ist einem aber irgendwann auch egal, weil man lieber das verrückte Verbrecher-Paar sieht. Und das heißt schon was, ist einer immerhin ein gesuchter Deserteur (Warum?) mit Null Bock auf Unauffälligkeit (wieso genau musste er doch gleich im Supermarkt Nüsse klauen?) und der andere ja – wie erwähnt – eher im Blattwerk des örtlichen Future-Kindergartens anzutreffen. Pädo? Viel!

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„Schatz, hör auf! Ich kann nicht, solange dieser entsetzlich künstliche Porzellanhund uns zuschaut!“ – Klappe(r), die Erste: Was auf Standbildern noch ganz cool aussieht, kommt im fertigen Film einfach nur völlig … fertig rüber.

Und als am Ende alles auf ein mittelgroßes Finale zusteuert, geht der Film einfach noch mal sinnfrei 15 Minuten weiter. Denn wieso der Bösewicht unseren karpfenverdächtigen Schweiger erst mal an den Stimmbändern operiert(!) und dann noch durch die Gegend fährt, das ist auch mit der im Film gelieferten Erklärung irgendwie … unerklärlich. Denn der überlebende Böserwicht will eine Entschuldigung dafür haben, dass Schweigi seinen Kumpel abgemurxt hat. Aber gut, kann man ja unter Zerstückelern durchaus mal einfordern. Man ist ja nur beruflich ein Monstrum, aber privat kein Unmensch, stimmt’s?

Irgendwie soll das alles wohl zeigen, dass man seine Stummheit und Einsamkeit überwinden kann, wenn erst mal alle tot sind, die einem bereits über die eigenen Stummheit und Einsamkeit hinweggeholfen haben. Oder vielleicht ging es auch darum, jemanden zu präsentieren, der über seine Hyperreligiosität hinauswächst? Äh, was er aber eventuell bereits geschafft hatte, als er zwischen Transen- und Mafia-Nachtclubs als Barkeeper arbeitete? Nur so eine Vermutung.

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„Ab jetzt klatscht es in Gebärdensprache, aber keinen Applaus!“ – Geschüttelt, nicht politisiert: In dieser Kneipen-Dystopie bleiben Einblicke in das Gesellschaftssystem der Zukunft leider außen vor. Ich gehe aber davon aus, dass der Anführer unseres Landes eine Getränkekarte sein wird. Vielleicht mit einer Schale Erdnüsse als Vizekanzler daneben?


Fazit: Ziel, Stil und (Schau-)Spiel dieses Netflix-Kaugummis bleiben trotz hübscher Neon-Ausleuchtung größtenteils im Dunklen. Vielleicht war es ja nicht die cleverste Wahl, die Hauptfigur zum schweigenden Sanftmut-Brutalo zu machen? Was in seinem Kopf vorgeht, kapierte ich nämlich bis zum Ende nicht. Außer, dass er wohl generell lebensmüde war, so oft, wie er den Bösen auf die Eier ging oder ihnen DANN den Rücken zukehrte. Ein weiterer Schrei nach Erlösung?

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Artikel

von Klapowski am 12.03.18 in Filmkritik

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Kommentare (2)

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  1. Tabularius sagt:

    Das ist ja ultra schade, Duncan Jones war eine meiner Regie Hoffnungen. Moon und Source code mMn grandios, vor allem auch von der Inszenierung.

    Und dann verbricht er Warcraft und jetzt das… echt traurig.

    (wenigstens haben wir noch Denis Villeneuve)

    Aber vllt liegt es ja an Netflix, Ich hab zumindest noch keine Netflix Produktion gesehen die mich auch nur halbwegs ueberzeugt hat.

  2. teletubbed sagt:

    Danke! Dieses Review zu PRESS MUTE TO CONTINUE erspart mir 127 vergeudete Minuten meines vergeudeten Lebens. Ein weiterer Filmklassiker für die Schnellvorlauf-Taste.

    Kommt auch ein Review zu DIE GHOSTBUSTERS JAGEN DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT UND ZERSTÖREN SICH SELBST (aka ANNIHILATION)?

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