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„Strange Days“ (1995) – Kritik zum Film

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James Cameron als Drehbuchautor? Kantiger Kultfilm? Reale Erinnerungen, die sich auf Spanner und Träumer übertragen lassen? – Tatsächlich hatte ich von „Strange Days“ noch nie gehört, stieß aber dank Amazon („Dieser Artikel wurde ihnen vorgeschlagen, da sie auch folgende Film verrissen haben: … „) auf dieses Kleinod, welches typisch für die mittleren bis späten 90er ist. Grobes Thema: „Bald ist alles digital; hilf mir doch, Mama!“ – Aber ob derlei Thema auch heute noch relevant für Papa ist? Schaut einfach mal hier rein… (*Erinnerungen aufklapp*)

INFORMATIONEN:

Regie: Kathryn Bigelow
Jahr: 1995
Budget: 42 Mio $

, „Strange Days“ (1995) – Kritik zum Film
Nur mit technischer Unterstützung erinnerungswürdig

Inhalt: In nicht sehr naher Zukunft, nämlich VOR exakt 16 Jahren, hat sich die Technologie etabliert, andere Leute Erinnerungen immer wieder zu durchleben – oder die eigenen, wenn man denn mal ein heißer Stecher war. Das macht Spaß, ist meist ab 18 und irgendwie halblegal. Einer der Anbieter dieser Discs – ein Excop – gelangt in einen Dschungel aus Polizeigewalt, Vergewaltigungen und anderes Gedöns. Dabei will er doch nur seine hysterische Freundin zurück gewinnen!

Bewertung:

Oder mal hier die Geschichte, wie ICH sie zuerst verstanden hatte: Wir schreiben das Jahr 1999. Ein seltsamer Virus, der vermutlich alten Bierflaschen entstiegen ist, verwandelte 95% aller Bürger in langhaarige Rocker, perverse Spinner und Gangmitglieder. Hausfrauen und Hausmeister gibt es kaum noch; dafür aber ein paar Reiche, die für das Benutzen von der bahnbrechenden „Fremde-Erinnerungen-erleben“-Technologie ausgerechnet einen schmierigen Ex-Cop(!) brauchen. Konnte die sich die Mini-Discs nicht im Gemüsekarton aus Katar schicken zu lassen? Silicon Valley durch E-Gitarren verschüttet, oder watt?

, „Strange Days“ (1995) – Kritik zum Film

„Ah, neeeein! Diese Erinnerung will ich nicht sehen! Es … ist einfach zu … viiiiel!“ – „Das ist keine Erinnerung, Sir! Sie gucken auf mein Taxometer. Das macht dann bitte zwei Nieren und 8000 Dollar, Sir.“ – „Total Recall“ für Warme: Die Grundidee ist eigentlich ganz gut, verliert durch uncoole Strampeleien jedoch etwas an Würde. Und bei dem Gezappel werden die Haarmuskeln ja noch nicht mal mittrainiert!

Aus irgendwelchen mir unerfindlichen Gründen wird außerdem den halben Tag raue Rockmusik gehört, mit langen Haaren rumgewedelt und überhaupt ziemlich viel die 80er-Jahre imitiert. Wann immer die Handlung auf der Straße stattfindet, stehen irgendwo amtliche Mülleimer-Anzünder und umgeworfene Autowracks herum. Das sollte dem feuerängstlichen Zuschauer wohl mit dem breiten Info-Trichter klarmachen: Hier gibt es ein leichtes Kriminalitätsproblem durch Leute mit offiziellen „Oma-Erschreck“-Frisuren! Aber dazu kommen wir weiter unten noch.

Warum alle Menschen innerhalb von 4 Jahren (der Film wurde 1995 gedreht) eine merkwürdige Vorliege für mettwurstartige Haare und „Baby, Baby!“-Gröhlmusik entwickelt haben, bleibt das Geheimnis der Filmemacher. Politisch oder technologisch gibt es da keine Erklärung abzugreifen. Überhaupt bleibt alles sehr im Dunklen – schon weil es nachts spielt, damit der Crime-Overkill beeindruckender daherkommt.

Entscheidet selbst: Gut gealtert? Schlecht gealtert? Nur für Walter, Alter?

Unzählige Dinge sind seit den 90ern suboptimal gealtert – oder waren vielleicht auch niemals auf zeitloses Guckvergnügen angelegt. So nervt beispielsweise die Manie um die 2000-Jahres-Silvesterfeier derartig, dass man sich nicht mal mehr im Spaß damit auseinander setzen will, ob die Welt an diesem Tag untergeht oder die Böller uns eine Art Paradies hinüberbomben. Hatten die Leute „damals“ nichts Besseres zu tun, als Jesus‘ zugegebenermaßen seeehr geraden Geburtstag zum größten Besoffski-Fest zu machen, bzw. sich darauf zu freuen?

, „Strange Days“ (1995) – Kritik zum Film

„Ich frage mich, wie diese Welt so herunterkommen konnte.“ – „Ja, ich bin eines Tages mit diesem Outfit zu meiner Arbeitsstelle bei der Sparkasse gegangen und wurde einfach so gekündigt! Kapitalistenschweine!“ – Knöllchen her, denn an Einfahrten herrscht striktes Punkverbot: Einige Dinge habe ich hier nicht ganz verstanden. Vielleicht war die Musik im Hintergrund auch wieder mal zu laut?

So ziiiieht sich die inzwischen altbackene Story um geteilte und verkaufte Erinnerungen wie ein Kaugummi im strohigen Haar eines Frontsängers. Mehrere Male sehen wir den Protagonisten, wie er miese Absteigen aufsucht (okay, zugeben: es ist meist dieselbe), um sich von seiner abgestürzten Freundin anschreien zu lassen. Die hat es irgendwie geschafft, von einem zuckersüßen, normal wirkenden Mädel zu einer tussihaften Kreisch-Bitch zu werden. Vermutlich zeichnete auch hier der eingangs erwähnte Bierpullen-Virus verantwortlich? Mehr Gründe werden hier nicht aufgezeigt.

Natürlich will ich die „Botschaften“ des Filmes nicht verschweigen, die auch recht deutlich präsentiert werden. Doch obwohl es hier andauernd um Vergewaltigungen, Polizeigewalt und Erinnerungen als Droge geht, bleibt die Handlung so naiv wie ein Zehnjähriger, dem man zwecks Anmeldung an der Universität ein Kostüm von Albert Einstein übergestülpt hat. – Die Cops sind sauböse und erschießen einfach Leute? Vielleicht sollten die Opfer dann nicht provozierend und scheißelabernd um die Häuser ziehen, sich nicht wie ein kaputter Mülleimer anziehen und immer dort herumstehen und klatschen, wo gerade was brennt? Es mag vielleicht oberflächlich klingen, aber ein Dystopie, die nur deswegen eintritt, weil die Bürger sich strunzdoof benehmen und irgendwie alle wie die Punks aus „Police Academy 2“ (siehe dieses Video) wirken, ist nun wirklich nicht des George Orwells letzter Schluss…

, „Strange Days“ (1995) – Kritik zum Film

„Wir kommen zu spät! Auch dieser Teil New Yorks ist in die Fänge der unorganisierten Kriminalität geraten!“ – „Werde mal nicht albern! Das ist lediglich eine Massenvergewaltigung von Filmkritikern mit Hundewelpen auf dem Kopf.“ – „Oh. Na dann. Feiert mal schön, ihr Junggesellenabschieds-Racker.“ – Die Subtilität des Films ist deutlich schlecht gealtert…

Gerade die Motive und Herleitungen lassen sehr zu wünschen übrig:

– Die Hauptfigur ist nur deshalb dauernd in Schwierigkeiten, weil sie zu dumm ist, sie zu umgehen. Die meiste Zeit geht es nicht um Frauenquäler & Co., sondern darum, sich auf möglichst uncoole Weise verhauen zu lassen. Ist das so eine Art Rollenspiel? „Blöder Ex-Cop, blutender Ex-Cop?“ Um was geht es hier eigentlich? Verändern sich die Figuren überhaupt oder muss ihr Schwanken zwischen den Polen „IQ 70“ und „IQ 90“ genügen?

– Die bösen Polizisten sind Psychopathen, weil es im Drehbuch steht; Text haben sie nämlich keinen(!). Das geht so weit, dass man im großen Finale ziellos in Passanten ballert (spätestens hier gab es für sie wirklich keinen Grund mehr, irgendetwas zu vertuschen) und immer noch Rache zu wollen, wenn man schon blutend, umringt, gestellt, totgelabert und dramaturgisch demokratisch überstimmt am Boden röchelt.

– Wieso soll sich die komplette Gesellschaft verändern, wenn „nur“ ein (Brain-)Video veröffentlicht wird, welches Polizeigewalt zeigt? Ist es denn sinnvoll, sich in einer Welt, in der eine Art Daueraufstand herrscht, eine Art singulären Aufstand herbeizurufen? Gegen was rebellieren die Kriminellen hier eigentlich langfristig, so über den Abspann hinaus? Weniger Schusswechsel beim Ladenraub? Weichere Wasserstrahlen der anrückenden Feuerwehr?

, „Strange Days“ (1995) – Kritik zum Film

„Ich … muss da wieder rein!“ – „Wieso? Die Typen haben dich jetzt schon 17 mal zusammen geschlagen.“ – „Ja, aber diese Käufer von Shades-of-Grey-Erinnerungen sind einfach unersättlich. Ich muss mir noch einmal in die Eier treten lassen, sonst ist mein künstlerisches Lebenswerk in Gefahr!“ – Ghandi wäre auch wieder rein gegangen: So manche Wendung kommt heutzutage eher komisch daher…

– Und nochmals: Warum ist die restliche Polizei hier auch „böse“? Wenn ICH hier die Wahl hätte, mit wem ich um die Discos ziehe (andere Häuser gibt es ja in der Zukunft anscheinend nicht mehr?), würde ich wohl auch die Cops wählen… Bei denen ist wenigstens nicht ständig pinkfarbenes Licht und Gitarrengeschrubbel angesagt. Der Verklopp-Counter zählte irgendwie einen höheren Schmerzwert in den Nachtclubs – und nicht in den (nicht gezeigten) Polizeipräsidien.

– Bei so manchen Elementen kommt man sich eh vor wie in der „Nackten Kanone“: Das gezückte Messer im Finale bekommt einen satten „Aufblitz!“-Grafikeffekt verpasst (könnte ja ein Zuschauer für eine Zahnbürste halten?) und der asiatische Geschäftsmann beömmelt sich dorftrottelig auf der Rückbank, als würde er nicht mitkriegen, dass 30 Zentimeter weiter vorne gerade gestritten wird – „Peter Steiners Theaterstadl“ lässt grüßen…? („Hm, Sechs Füße unter der Tischdecke. Na, der verstecken sich bestimmt NICHT drei Leute drunter.“)

– Die Grundidee war damals noch recht frisch, ist heute aber – nach „Matrix“ und 200 überladenen SF-Krachern – auch nicht knackiger als Warpantrieb und Robotergedöns. Gedanken und Gefühle lasse sich also übertragen, was zu 95% der Geschichte die Konsumenten schwitzend dasitzen lässt, während sie wie ein Priester dasitzen, der zum Blowjob gezwungen wird: „Neeeeein, das will ich doooch niiiicht!! (Aber eigentlich doch. Lechz!)“ – Das würde man heute mit der breiteren Gesellschaftskritik-Nadel stricken.

, „Strange Days“ (1995) – Kritik zum Film

Gute Ideen wie „Vergewaltigungsopfer muss die Gedankenwelt des Täters per Hirnstromübertragung miterleben“ gehen leider völlig unter. Zu sehr sind die Protagonisten beschäftigt, ihre Abscheu über diese Taten zu verkünden, was extrem uncool wirkt: „Oh Gott, ich muss kotzen! Das ist ja furchtbar! Dieser fremde Schmerz ist so grausam! Ich muss mich unter ein Schlagzeug legen zur Beruhigung, sonst sterbe ich vor Scham!“


Fazit: Lieber Knobi-Dip als dieser Geheimtipp. Ersterer stinkt im Vergleich nämlich deutlich weniger. – Trotz wirklich hehren Zielen, soliden Darstellern und nett durchdachter Geschichte fühlt sich „Strange Days“ seltsam vom Zeitgeist strange… äh, stranguliert an. Mit kultigen Actionszenen oder mehr Mut zur Abartigkeit/Unbequemlichkeit hätte man vielleicht noch was aus dem überlangen Langhaar-Gelatsche rauskitzeln können. So bleibt es bei einer verpuffenden Sylvesterrakete im Lederfummel.

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Artikel

von Klapowski am 20.06.16 in Filmkritik

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Kommentare (5)

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  1. Cronos sagt:

    Ich fand den Film damals ziemlich gut. Klar, vieles macht wenig Sinn, aber damals fand ich den Film cool. Na ja, ich schätze viele Jugenderinnerungen haben auch viel mit Verklärung zu tun.

    • Onkel Hotte sagt:

      Geht mir genauso. Aber der Film landete schonmal in meiner amazon prima Watchlist, kann sich also nur noch um Monate handeln bis ich mir den Film tatsächlich ein zweites Mal antue.

      Antworten
    • Cronos sagt:

      Ich weiß nicht ob du das wirklich tun solltest. Als ich mir den Film vor ein paar Jahren nochmal ansah, fand ich ihn weitaus weniger toll.

      Antworten
  2. Bergh60 sagt:

    tach auch !

    Also keine Empfehlung.
    In meiner Erinnerung ist lautlos im Weltraum voll cool, realistisch, geil und so weiter.

    Wenn Du Dir den heute antuest, hilft nicht mal die Musik von Joan Baez.

    Der Erzählstiel und das Tempo sind so dermaßeb 70 er ,
    dass selb^st jemand der in den 60ern geboren wurde das heute kaum noch ertragen kann.

    So geht es mir mit den meisten alten Filme. Leider !!!

    Gruss bergH

    • Talg75 sagt:

      mahlzeit. nich?

      Also ich fand den mit den Wölf*innen Tanzenden auch irgendwie belanglos.
      Wenn Du Dir den heute antust, tut nicht mal mit einer Faust stehen helfen.

      Vielleicht ist mir aber auch nur bei der Tempo-Benutzung der Erzählstiel aus der Hand gefallen.
      So geht es leider mit den meisten Alten bei Filmen.

      Gruss, der Berg ruft zurück.

      Antworten

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