Film- und Serienkritiken

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„Wayward Pines“, Staffel 1 – Ein Review sch(l)ießt sich weg.

, „Wayward Pines“, Staffel 1 – Ein Review sch(l)ießt sich weg.

Die Buchserie ist Kennern der Buchserie (und deren Kennern) natürlich schon seit einiger Zeit ein Begriff. Dummerweise scheint diese jedoch so erfolgreich geworden zu sein, dass die knackige, frisch abgekupferte Idee um einen Mann in einem nicht verlassbaren Dorf voller Spinner (Gallier?) jetzt eine Serie erfuhr. Was eigentlich nichts Schlechtes ist. Jedenfalls nicht in einer Welt, in der Staffeln demnächst nur noch aus FÜNF Folgen bestehen und davon zwei mit Episoden anderer Serien gefüllt werden. Denn eines nehme ich mal vorweg: Trotz tollem Beginn trägt sich die Story nur bedingt…

ACHTUNG! Ab dem Trennstrich ist der Rest des Reviews ein Spoiler!

Inhalt: Ein Agent landet nach einem Autounfall in einer mysteriösen Stadt, die er nicht mehr verlassen kann. Die Einwohner benehmen sich allesamt seltsam, reden über bestimmte Ereignisse nicht offen – oder vermeiden andere. Und wenn das Telefon klingelt, gehen alle dran. Kann der Agent das Rätsel des Ortes deutlich vor LOST-Zeitstandards aufdecken?

Besprechung:

Noch mal Sch-pine gehabt: Die ersten 4-5 Folgen machen so gut wie alles richtig. Und das, was übrigbleibt, machen sie auch nicht wirklich falsch. – Die Figuren sind nämlich schräger als eine Scherz-Wasserwaage, was bei solchen Serien gemeinhin zur Spannung beiträgt. Vor allem der ständig eismampfende Polizist ist sichtlich davon genervt, als lizenzierter Räuber im Kasperletheater nur das Krokodil spielen zu müssen. Denn jeder spielt hier nur eine Rolle, ein Abbild seiner selbst, eine Schmähkritik auf sein altes Leben… Und wer den Bewohnern etwas mehr auf die Pelle rückt („Ey, wieso spielt ihr alle Heile Welt?!“), dann zeigen die mit spastischen Bewegungen auf den nächsten Gartenzwerg und findet den gaaaanz laut gaaaaaanz toll – um zwischen den Wörtern zu zischeln: „Wir werden beobachtet! Lassen sie uns über Basilikum philosophieren!“

Der komplette Beginn der Serie ist eine ziemliche gepfefferte Würzmischung aus „Nummer 6“, „Twin Peaks“ und etwas „Truman Show“. Klar, das sind nicht die miesesten Vorbilder, auch wenn man spätestens bei dem ebenfalls treffenden Vergleich mit dem Film „Pleasentville“ merkt, dass man jetzt schon VIER Vergleiche genannt hat, ohne der Serie neue Ideen zuzugestehen. Aber was macht das schon, wenn alles fest verrührt ist und der Löffel wie eine Eins drin stehen bleibt?

Da störte es mich auch nicht, dass der Hauptdarsteller fast lotusblütenmäßig glatt wirkt – solcherlei Kritik perlt(!) gemeinhin ab, solange der Rest hübsch unheimlich bleibt. Die Präsentation ist nämlich voll okay, wenngleich man die düstere Stimmung auch nicht zu viel loben sollte. Drei Pinien im Abendrot schaffen das gemeinhin auch vor der eigenen Haustür.

, „Wayward Pines“, Staffel 1 – Ein Review sch(l)ießt sich weg.

„Oh, hat er sie etwa auch eingefangen?“ – „Ja, leider. Dann ist es mit meiner Karriere wohl bald vorbei?“ – „Immerhin führt er in diesem Laden nicht Regie.“ – „Aber es ist und bleibt M. Night Shyamalan als Produzent, das können Sie nicht schönreden!“ – Bildunterschrift mit extra viel Meta: Hier sind sich Held und Cop noch grün, doch die Drehbuchautoren schwingen bereits andersfarbige Buntstifte.

Doch all das fiel für mich schlaf… schlagartig zusammen, als schon am Ende der vierten Folge die Enthüllung angedeutet wurde, WAS die kreischenden Unholde hinter dem Zaun eigentlich sind.

Nach diesem Moment zeigte sich, was das Wort „Enthüllung“ eigentlich bedeutet: Eben der Verzicht auf eine Hülle, auf das Schleifchen mit extra Sahne drauf – es fiel nun einfach von der Story ab. Zurück bleibt ein riesige Plotmaschine, die links die Ideen in einem Bottich schaufelt, rechts „Unlogik-Neutralisator“ dazukippt und am Ende mit dem Hammer draufhaut, damit es in die vorbeifahrenden Umverpackungen passt. – Denn wo vorher noch mysteriöse Rätsel waren, seltsame Ereignisse und fremdartige Mechanismen, da dominieren plötzlich Pannemannpläne aus der Gründerzeit des Brainstormings.


Hier nur einige Beispiele (ALLES DICKE SPOILER bis zum Schluss!):

– Man will uns ernsthaft erzählen, dass man automatisch(!) 2000(!) Jahre lang Energie für die im Jahre 2014(!) erfundenen Einfrierkapseln gewinnen konnte, die mehreren hundert oder gar tausend Menschen enthalten? Was ist denn das für eine drittklassige Apokalypse, wenn diese anscheinend mehrere Atommeiler hinter’m Berg unbehelligt lässt? Hier hätten 100 oder 200 Jahre plottechnisch locker genügt, um den erwünschten Effekt (= Schulterzucken bei Genrekennern) zu erzielen.

– Autos, Briefkästen, Schulbusse und überhaupt JEDER Gebrauchsgegenstand aus dem Jahr 2014 hat es in die ferne Zukunft geschafft. Eingelagert oder nachträglich neu hergestellt. – Schon mal versucht, einen beliebigen Wagen 15 Jahre rostfrei zu halten, wenn er nur in der Garage steht? Und wie viele Tonnen Zement, Kräne, Asphalt, Kupferleitungen (und, und, und…) hat der Wissenschaftler gelagert, um das Dorf im Jahre 4000 wiederauferstehen zu lassen?

– Machte es überhaupt Sinn, diese dorfgewordene Milchkannenstellfläche zu rekonstruieren, statt ein eeeeetwas moderneres Setting zu wählen? Irgendwas, was der Tatsache „Wir können 2000 Jahre lang Leute einfrieren“ gerecht wird? Westberlin (von mir aus mit Mauer) statt Ost-Kleckersdorf? Vielleicht sogar eine größere Forschungsanlage („Sie hatten einen Unfall und müssen sich jetzt 40 Jahre hier ausruhen.“), da die ja sowieso schon da rumsteht? Beängstigender als das deppendorfer Horrordorf wäre das nun wirklich nicht…

, „Wayward Pines“, Staffel 1 – Ein Review sch(l)ießt sich weg.

„Oh, eine Mauer. Dann bleibt mir nur eines: Die Verantwortlichen mit Scherzanrufen über ihre versteckten Mikrophone so lange nerven, bis sie mich zum König machen. (*RÄUSPER*) Ich hätte gerne einen Hamburger Royal mit Käse!“ – Klingt komisch, aber funktioniert: Werden alle anderen Nörgler ganz schnell einen Adamsapfel kürzer gemacht, so kann sich Mister Held wie die Kack-st im Walde benehmen.

– Irgendwie ja doch Banane, dass der Wissenschaftler die Stadt 2-3 „rebootet“, sobald irgendwo eine Milchkanne umfällt oder der gewiefte Psychotrick namens „Wir treiben alle in den Wahnsinn und hoffen dabei, dass sie ein glückliches Leben führen“ nicht funktioniert. Überhaupt nahm ich es dem Drehbuch nicht ganz ab, dass der erste „Durchlauf“ abgebrochen werden musste, weil die WAHRHEIT (= draußen böse Viecher, alle sind in der Zukunft) dafür gesorgt haben soll, dass sich alle gegenseitig vergast haben – und unkontrolliert die Mülltonnen anzündeten haben, wie die Rückblickszene vermuten lässt.

– Nach und nach werden die „Planer“ zu grenzdebilen Amokläufern im eigenen Neuronengeflecht: Der Neue macht nur Ärger? – Ganz klar: Wenn er mit viel Glück den Sheriff der Stadt umbringt, wird er selbst(!) der Sheriff. Und man kann die Stadt verlassen, indem man von unten über die Berge klettert? – Ganz klar: Dann kommen von OBEN nicht bösen Mutanten rein, die man ja auszusperren versucht. Weiß ja jeder, dass die eine angeborene Oben-nach-unten-Schwäche haben! Ach ja, und die Schwester des Oberbösewichts lässt sich in einem kameravollgestopften(!) Verhörraum auch mal gerne dabei erwischen, wie sie ihren Chef hintergeht… – Wer NOCH mehr erwischt werden will, kann nur noch auf der Polizistenparty mit seinem Falschgeld prahlen…

– Und das oben sind nur die dicksten Bewölkungen am Facepalm-Himmel. Wer noch mehr Beispiele braucht, dem wird mit den bombastischen „Terroranschlägen“ geholfen, die gerade mal die Plane eines LKWs zerreißen – und für eintägiges Heftpflastertragen bei einem daneben stehenden Mädel sorgen. Als Bonus obendrauf empfehle ich angekettete Leichen, die vom Protagonisten natürlich nach 2 Minuten Aufenthalt in der Stadt gefunden werden (und seine Integration sehr erschweren). Und erwähnte ich schon, dass die Bösen auch nach Tagen keinen entfernten Peilsender mitbekommen? Da war „Big Brother“ wohl doch eher „Zwergwuchs Brother“, wa?…

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„Ja, sie hatten SCHON WIEDER einen Unfall. Daher haben wir schnell ein neues Krankenhaus gebaut, das sie noch nicht kennen und mehrere Differenzialdiagnosen erfunden.“ – „Sie nehmen diese Fakedorf-in-der-Zukunft-Sache sehr ernst, oder?“ – „Werden SIE in drei Jahren mal durch Spendenaktionen und geschriebene Irrsinnsbücher der reichste Mann der Welt, um das hier bezahlen zu können. Da wachsen ihnen Inflation, Nullzinspolitik und gut geplante Zeitsprünge echt ans Herz!“

– Ach ja, biologisch wird alles damit erklärt, dass die Natur(?) sich mit einer Devolution(!) an den Menschen rächen wollte. Ist ja auch voll logisch: Die Menschenwesen werden hässlicher (= Devolution im Sinne von „Germany’s Next Topmodel“), dabei aber stärker und effektiver (= klassische Evolution?). Wie auch immer: Da alle weltweit gleichzeitig los-devolutionierten, konnte die Natur vor lauter Stress nicht mitbekommen, dass sich die Mutanten trotzdem nicht hätten durchsetzen müssen. Denn ob nun De- oder normale Evolution: Draußen unbekleidet rumrennen, nur Tiere fressen (bzw. 98% der Getöteten angehapst liegen lassen) und hirnlos sein, dass dürfte jetzt wirklich nicht der genialste Einfall von Mutti Gaia darstellen.

– Was macht man mit der Frau, die eben noch alle Ungläubigen für ihre Überzeugungen töten wollte? Genau: Man lässt sie 2 Minuten später unbeaufsichtigt an der verschlossenen Tür zurück, hinter der mehrere Dutzend Mutanten Einlass begehren. – Was hätte man auch sonst tun sollen? Für 4 Minuten Abwarten fehlten schließlich die nötigen Fülldialoge!

Zu all den Logiklöchern, die selbst für Shyamalan-Verhältnisse besorgniserregend wirken, rechne ich bewertungsmindernd noch mal die Charakterentwicklungen hinzu: Der Held wird irgendwann zur Nebenfigur und äußert sich vorwiegend mit erziehungspolitisch korrekten Floskeln in Richtung seines Sohnes: „Na klar darfst du ausflippen, bist die ja die nervige Teeniefigur!“ – Oder der Protagonist verschont 2-3 Freiheitskämpfer vor dem Blutgericht, was die Bösen dann doch sehr überrascht: „Wie? Der Tag der offenen Tür zu unserem Serverraum hat ihn noch gar nicht überzeugt und umgedreht? Na, das gucken wir uns maximal noch 5 Folgen an!“ Da würde ich es irgendwie auch wie seine Ehefrau machen und naiv-sparsam aus der Wäsche schauen, irgendwo zwischen „Frauenbild der 80er“ und nachträglich aufgepfropften Durchsetzungsszenen, um vorgenanntes Frauenbild auf den letzten Serienminuten zu verschleiern.

, „Wayward Pines“, Staffel 1 – Ein Review sch(l)ießt sich weg.

„Hört zu! Wir Krankenpfleger haben euch immer unterstützt, die Spritzen nicht ausgewaschen und die Mullbinden zweiseitig benutzt. Aber jetzt ist es Zeit für einen Fake-Betriebsrat für eine Fake-Lohnerhöhung!“ – Dieses Reich reicht jetzt: Nachdem es nach viel Hin und Her doch nur einen kinetisch aufgeladenen Lkw brauchte, um den schützenden Zaun zu beschädigen, gerät die zurechtweisende Hand dieser Frau außer Kontrolle.

Der Oberfiesling selbst steht nur planlos an seinen Überwachungsgeräten herum. Oder in einem klischeehaft eingerichteten Luxus-Appartment, in dem aggressiv dudelnde Klassik-Musik aufzeigen soll, dass er von allen am reichsten ist – oder reichlich einen an der Erbse hat. Wahlweise ist er dort bedrückt von der miesen Stimmung im Städtchen („Dabei sind doch nur drei Mikrophone unter jedem Klo?!“) oder verteidigt aggressiv seinen Plan („Wir müssen alle töten, um niemanden zu retten! Ja, ich bin genial!“) oder lässt sich von seiner (Kranken-)Schwester lächerlich machen, die mehrmals darauf hinweist, dass man bei niedrigem Blutzuckerspiegel schlechte Laune bekommt. Und das direkt vor allen Fernsehzuschauern! Da kann man auch gleich die besten „Doktor Evil“-Gags aus „Austin Powers“ einspielen…

Fazit Folge 1-5: Der Beginn ist stark und spannt die selben Staffel-1-Muskeln an, die auch LOST damals schon aus der Muckibude „Zur silbernen Mysterie-Hantelbank“ tragen durfte. Da stört es nicht, dass die Charaktere klischeehaft sind (ist schließlich gewollt) und die Dialoge reichlich schräg wirken. Schließlich ist das ein Horrordorf, die dürfen… nee: MÜSSEN das!

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, „Wayward Pines“, Staffel 1 – Ein Review sch(l)ießt sich weg.

„Brröööh. Ich weiß nicht… Knurrrr. Das Ende wird mir irgendwie zu comichaft.“ – „Das sagst du nur, weil du nicht schneller ziehst als mein Shyamalan!“ – Das Ende (gerade die letzten 60 Sekunden) ist doof, aber okay. Rätselhaft bleibt nur, warum inhaltsleere Mysteryserien neuerdings keine einzige Staffel mehr tragen. Was haben wir eigentlich damals bei LOST gemacht? Uns gedopt?


Fazit Folge 6-10: Nach der Enthüllung in Folge 5, was das alles soll, verläuft sich die Handlung im Devolutionsdickicht: Langweilige Nebendarsteller rennen urplötzlich mit Silvester-Böllern in der Stadt herum und behaupten, mächtige Bomben zu besitzen. Der Hauptdarsteller ist kaum noch zu sehen, weil an allen anderen Ecken irgendwie die letzte Logik zusammengekratzt werden muss. Jungschauspieler overacten maßlos und bekommen die Regieanweisung, das Buch „Die Welle“ in doof nachzuspielen. Die böse Führungsebene wirkt blöder und planloser als die Bediensteten eines Burgerrestaurants. Und zu schlechter Letzt sind die letzten 2 Minuten nur zur Serienstreckung gedacht. Somit insgesamt leider keine Empfehlung. Und schon gar nicht für Staffel 2.

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Artikel

von Klapowski am 16.04.16 in Serienkritik

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Kommentare (3)

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  1. Raketenwurm sagt:

    Die ersten zwei, drei Episoden haben mich an diese schauderlichen Stephen King Fernsehverfilmungen erinnert, in denen Normalo-Leute mit dem Auto in irgendeinem Kaff liegenbleiben und sich dort dann mit einem overactenden Sheriff und auf eine unangenehme Weise mysteriös wirkende Kleinstädter herumschlagen müssen. Wahrscheinlich weil genau das auch in der Serie erstmal passiert. Die Mitte der Staffel fand ich dann sogar ganz gut, aber bis zum Schluss wird leider doch alles sehr dumm und plakativ. Auch die plötzlichen Charakterumdeutungen kann ich nicht ernstnehmen. Da verwandelt sich die Psychokrankenschwester innerhalb von einer Szene plötzlich zu einer netten Dame. Viel von dem, was anfangs gezeigt wird, ist eben doch nur Effekthascherei. Und das bekloppte Ende, wenn die Kumpeline gegenüber dem Erwachten vollkommen überflüssig erstmal auf Dumm tut, kündigt vor allem an, dass es mit erwähnter Effekthascherei in Staffel 2 nahtlos weitergehen wird. Hab ich dann auch leider wenig Lust, mir das wieder anzutun.

  2. bergh60 sagt:

    tach auch !

    Dieselben Logik-löcher gibt es in den 2 Büchern, die Ich das zweifelhafte Vergnügen hatte zu hören.(Also als Hörbücher) Genau dieselben Sachen , die Klapo anspricht haben mich auch gestört. Allerdings haben mir auch doeselben sachen gefallen wie Klappo.

    Muss Ich mir jetzt Sorgen machen ?

    Gruß BerGh

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