Film- und Serienkritiken

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„Real Humans“ – Das Serienreview

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So langsam holen die Europäer auf: Die BBC haut seit Jahren eine schauenswerte Serie nach der anderen raus, die Franzosen punkten gerade (na ja, mit HALB ausgemalten Punkten) mit „The Returned“ und nun kommt auch noch das blonde Medien-Herrenvolk aus Schweden auf den Trichter, sich einfach mal etwas MÜHE zu geben. Hier geht es um künstliche Lebensformen, die nicht(?) leben, uns aber trotzdem formen. Ein Thema, das jeden SF-Freund in eine Erregung versetzt, die selbst Pawlows sabbernde Hunde neidisch werden lässt. Aber ist die Serie wirklich so gut, wie alle sagen, die die Lizenz zum Reviewen (bei uns: zum Töten) haben?

Was würde passieren, wenn wir Roboter erschaffen würden, die uns jegliche Arbeit abnehmen könnten, auch die des Masturbierens? Wie würden sich Familienstrukturen ändern, wenn es vom Staublappen-Lappländer (die Serie spielt in Schweden) über Altenpfleger bis hin zum Quasi-Ehemann alles „in Robo“ geben würde, was die Serienprämisse begehrt? Anders gefragt: Ist Leben mehr als die Summe seiner wie auch immer ge(st)arteten Teile oder ist die existenzielle…

Hey, wer sind sie…? Hää? ICH? Ich bin hier der Phantasten-Philosoph! Lassen sie mich los, nein, stecken sie die Pistole weg… Nein, ich will doch nur Fraaaagen steeelleeeen… (*Pamm*) Argh! Humanismus! Seele! (*Pamm, Pamm*) Sterblichkeit… Einsamkeit… Altersteilzeit… (*Bang*) Achlecktmichdochichhabsversucht…

Sorry, dass ICH übernehmen musste. Mein Name ist Knarren-Jonnie. Denn bevor wir zu den obigen Fragen zurück kommen, muss ich auf den Roten Faden der Geschichten verweisen, der mit der Zeit immer mehr Raum einnimmt.

Hier erleben wir nämlich zusätzlich auch noch eine Räuberpistole wie aus 1001 Umnachtung. Keine Sorge, liebe Moralapostel-Innen, diese ist nicht mal supergut.

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„Ich frage es zum letzten Mal: In welches der 12.000 Pakete habt ihr meinen Auszubildenen eingeschweißt?“ – „Unzulässige Fragestellung. Bitte Spuckintensität neu kalibrieren!“ –Reihen(ge)folge: Bei Amazon haben inzwischen die Gewerkschaften das Problem, dass gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern das Schmieröl vorenthalten wird. Und dabei hat das mit dem Schmieren beim Betriebsrat früher doch immer so gut geklappt!

Es begann mit einem Hubotentwickler (Klassisch: EIN Typ, Großindustrie ist was für Lutscher und Chinesen) und seinem Code, mit dessen Hilfe sich eigener Wille in den Maschinen erzeugen lässt. Die 6 Bewillten stromern daraufhin durch Wälder, Höfe und sonstige Budgetspar-Locations, um – vermutlich – eben diesen Code wieder zusammen zu setzen. Richtig erklärt wird der Masterplan nicht, aber ich tippe stark auf den Drang zur Vervollständigung eines eigenen Kegelclubs. Der Geheimdienst scheint aber etwas dagegen zu haben, setzt er doch den einzigen Mensch/Hubot-Hybriden im Team fest und bohrt ihm zu Folterungszwecken mit einem Stift im blutigen USB-Port herum. Ansonsten wird ein paar Mal „hohes Fieber“ erwähnt. Ich tippe auf einen kalten Waschlappe um die Stirn der Autoren, um einfallsreichere Ideen runterzukühlen…

Der Chefagent ist hierbei so unsympathisch, dass es gleich für DREI Mobbingopfer reichen würde, der Status und Entstehungsprozess des Halb-Mensch-Halb-Hubot ist eher vage (wurde der jetzt als Kind einfach mit dem Arsch auf ein Motherboard getackert oder was?!), das Agentengedöns generell eher schwammig und unglaubwürdig (Wer darf was und wo?) und der mittelkleine Schnulli-Showdown am Ende leidet dann doch sehr unter typischen… haha… „Figurenmechanismen“ (= Androiden-Humor). Wie zum Beispiel, dass der Chefermittler unbedingt ALLEINE zum Ort des Geschehens rennt, alle Kameras abschalten lässt (seine Kollegen wussten von der Quasi-Folterung nebenan, sollten aber die Bedrohungssituation am Bahnsteig nicht mitbekommen?!) und sich dann wie ein blutender Anfänger abknallen lässt, weil es zu seiner Zeit als 12-Jähriger noch kein „A-Team“ oder „Knight Rider“ als kinderdetektivische Vorausbildung gab.

Gerade in den letzten beiden Folgen schwächelt die ungemein sympathische Serie dann doch etwas, so dass ich mich selbst – sogar entgegen meines persönlichen Betriebshandbuchs – an die Steckdose anschließen wollte, um die „Spannung“ wiederherzustellen. Die Jagd nach dem (bitte geheimnisumwittert in eine leere Regentonne hauchen, damit’s hallt) geheimnisvollen Coooode, der aus reinen Toastern irgendwie toastende Philosophen macht, war dann auch nur filmische USB-Stick-Suche as usual. Ebenfalls immer gerne genommen: Die letzte Sequenz hat der Sohn des Wissenschaftlers nur im Kopf gespeichert. Dramaturgisch ein bisschen ZU verständlich.

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„Mag sein, dass unsere Roboter sehr klischeehaft erscheinen, aber dafür produzieren wir ja auch Punks mit Allergien gegen Ein-Euro-Stücke und mehrere elektronische Bänker, die sie NICHT belügen!“ – Und wie viel Reinigungskraft verkraften SIE?: Im Hubot-Markt findet so gut wie jeder seinen überteuerten Rückenkratzer. Aber vorsicht: Die Arbeitsagentur übernimmt die Kosten nur, wenn der Roboter zwei Mal die Woche eine Bewerbung für seinen Besitzer schreibt!

Als die komischen Huberts… Hubots zugelassen wurden, schien es auch nie eine Diskussion darüber gegeben zu haben, ob sie vielleicht als echte Lebensformen anzusehen sind. Ähnlich wie bei dem Medizinischen Notfallhologramm bei „Raumschiff Voyager“ bedarf es ein paar gelangweilter Nebendarsteller (Kes bzw. die Töchter und Mütter des Hauses), die mittels Pi-mal-Daumen-Abschätzung mal gerade festlegen, dass da „irgendwas mit persönlichen Rechten, Rülps“ festgelegt werden müsste. Klar, man will den Zuschauer auf diesem Weg mitnehmen, aber eine Fernsehdiskussion zum Thema Roboterrechte, einen Gesetzesentwurf oder ein paar (pseudo)technische Hintergründe zu deren Denkprozess hätte man durchaus mal einflechten können, damit nicht ALLE Ethikfragen nach gefühlten 10 Jahren in einem spießigen Vorort von Mutter Beimer das erste Mal gestellt werden müssen. Wobei vor allem die Frage danach, wer da eigentlich noch ARBEITEN geht (geschätzt nur noch 20% der Bevölkerung?), seeehr weit hinten angestellt wurde.

Ich könnte noch fragen, warum die Krankenhausärztin mal plötzlich für den Geheimdienst arbeiten darf („Verschwiegenheitserklärung“? – Bei einer FRAU?!) und wieso man die Anwältin überhaupt erst reinließ, nur, um dann wieder alles zu vertuschen. Klar, sie wollten sie und ihren Klienten abhören, aber im Ernst: Da hätte es auch die NSA-Praktikantin mit falschem Damenbart getan, um den Mann zu täuschen… – Es gibt noch viel mehr, was beim näheren Nachdenken keinen Sinn ergibt, grenzglaubwürdig aufgelöst wurde oder dramaturgisch nur die Eleganz einer Elefantenkuh beim Ausdruckstanz besaß, aber wir müssen ja deswegen nicht gleich erwähnen, dass ein Roboter anscheinend mal gerade als Mensch getarnt bei der Polizei(!) anfangen kann. Nein, das müssen wir nicht. Ansonsten müsste ich solche Dinge wie „Personalausweis“, „Melderegister“, „Geburtsurkunde“ oder „Auf der Weihnachtsfeier besoffen sein“ in den Raum werfen, was äußerst langweilig wäre.

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„Sag mal, was macht die Menschen eigentlich so viel anders als uns?“ – „Na, dass sie nie mehr als 1 Liter Maskara auftragen zum Beispiel!“ – Wald-Disney-Figuren: Diese bösen bis langweilig-faden Charaktere schlagen sich so durch Büsche und menschliche Bauchwände durch. Der Grund, warum diese Gruppe so heterogen aussieht, liegt übrigens einfach daran, dass ihr Erfinder bei ihrer Herstellung noch mit der Windows-8-Kacheloptik arbeiten musste. Eigentlich sollte hier nämlich 5 rothaarige Wikinger durch den Wald stapfen…

Ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Hubot nach dem anderen in die Fänge der Bösen gerät, eine Seele entwickelt oder einfach umprogrammiert wird, schwächelt die Serie. Interessanter als die nachgereichten „James Bond meets Pinocchio“-Schoten sind nämlich eigentlich die „normalen“ Hubots, die als Fitnesstrainer oder als bester Freund des einsamen Opis arbeiten. Lächelnde Sklaven, die als Projektionsfläche unsere Wünsche und Ängste dienen, sie letztendlich aber nur besiegen können, wenn die Diener durchdrehen und Hackfleisch aus ihrem emotional verkrüppelten Besitzern machen.

Nein, im Ernst: Die ersten Episoden sind grandios, zeigen sie doch auf eine einfache Art auf, wie Menschen und die Hubots re(a)gieren können. Militante Anti-Hubot-Bewegungen inklusive (nur echt mit gröhlenden NPD-Imitatoren), gewürzt mit reichlich Sexindustrie und Hausfrauen, die plötzlich zwischen eigener Kinderziehung und Hubot-Babysitter stehen („Oh, da habe ich mehr Zeit für Erotik mit meinem Meister Popper!“). Ja, hier gibt es Crime, Einsamkeit und Liebe in allen Fascetten des „Eigentlich darf man ja nicht…“. Eine wirklich schöne Serienidee, die mindestens so lange trägt, wie der pubertierende Sohn der Familie an seiner mechanischen Servierkraft herumspielen will oder der alte Mann von einer matronenhaften Grusel-Omi gepflegt wird. (wer KAUFT so was, wenn der Hubot auch mit dem Aussehen von Sarah Michelle Gellar funktionieren würde?)

Wenn die mechanisch-asiatische Haushaltshilfe „viel besser“ als die Mutti die Gutenacht-Geschichten vorliest (nämlich solange, bis das Buchregal leer ist) oder der Lagerist nur noch mit lächelnden Plastikköpfen wie aus dem Zeugen-Jehova-Zuchtprogramm zu tun hat, dann fährt die Serie zur Hochform auf: Human, nachdenklich stimmend, DVD-Player heißlaufend machend. Eben Hunderte Details, in denen sich jeder von uns wiederfindet, der sich schon mal darüber geärgert hat, sich nach dem Toilettengang die Hosen SELBER wieder zumachen zu müssen.

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„Oh, schaut mal Kinder! Papa hat ein neues Spielzeug für seine Hausarbeit!“ – „Papa, wieso machst Du bei dem Wort ‚Hausarbeit’ Gänsefüßchen in die Luft?“ – „Mache ich doch gar nicht! Hier, Hand auf’s Herz!“ – „Aber deine Hand steckt in deiner Unterhose.“ – „Kleinliche Kinder! Los, geht ein paar Stunden mit Ohrenstöpseln eure Hausaufgaben machen, los, los!“ – Lustobjekt: Hubots werden gerne auch mal für menschliche Bedürfnisse missbraucht. Dieser hier soll offensichtlich eine urologische Blasen-Operation vornehmen.

Schade ist daher, dass auch die Psychologie weiter hinten etwas schwach auf der Plastikbrust wird: Da wird vorschnell zusammengezogen und viel zu spät geknutscht. Ja, eine Psychologin erklärt sogar allen Ernstes, Roboterliebhaber sei man von Geburt an (schlimm für Leute, die vor 10-20 Jahren die Krankheit hatten, technologisch aber noch warten mussten). Ein depressive Roboter erklärt lakonisch und wider cleverer Drehbucheinfälle, er habe sich halt „geritzt“ (*blau triefende Unterarme zeig*) und der leicht tumbe Dicke ändert seine Meinungen schneller, als ein elektronischer Signalgeber „Piep“ sagen kann.

Details wie viel zu olle Handys oder fehlende Futuristik sind da gar nicht mal so schlimm, der durchweg hochwertige Look und die passenden Darsteller reißen’s eben raus. Trotzdem habe ich das ungute Gefühl, dass nach 5 hervorragenden, 3 guten und 2 mittelguten Episoden (in genau dieser Reihenfolge) die Luft aus dem Thema schon raus ist und wir ab Staffel 2 wieder ostereierverdächtig nach Festplatten, Sticks und implantierten Hirndaten suchen sollen. Nebst NOCH mehr Robotern, die ein Bewusstsein entwickeln, abwickeln, abnippeln und mit ihren Lebensmitteleinkäufen lieber die Tauben füttern, statt sie ihren pflegebedürftigen Besitzerin zu bringen. (= Bricht dann ALLES zusammen, schlotter?)

Versteht mich nicht falsch, diese Serie ist ambitioniert, mal echt was anderes und in den seltensten Fällen langweilig. Die Hubots wirken herrlich glatt und künstlich, dies aber auf eine eher subtile Art. Man denke nur an Data, der nach seiner Fertigstellung noch schnell mit Goldfarbe besprüht wurde, um ausreichend im Mittelpunkt (der Graffitiszene?) stehen zu können. Effekte und Action gibt es selten, doch wenn es sie gibt, sieht’s ausnahmslos gut aus. – Dennoch sieht man die Autoren fast an der Reckstange prusten und hecheln, wo sie sich mit aller Kraft auf Augenhöhe der besten HBO-Produkten halten wollen. Der Showrunner gab ja auch offen (und rotköpfig) an, dass hier durchaus die Vorbilder für ihn zu finden seien.

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„Entschuldigen sie, ich wollte niemanden erschrecken. Sie konnten ja nicht wissen, dass meine Krampfadern in ausgefahrener Form auch den Fußboden saugen können.“ – Das nennt man also ein „stumpfes Reinigungsmittel“: Die Szenen mit dieser Dame zählen zu den gruseligsten der ganzen Serie. Was komisch ist, denn die Macher haben ihre Brillengröße sogar schon um 90% verringert, um sie etwas weniger einschüchternd zu gestalten…

Ob ich jedoch NOCH eine ganze Staffel damit verbringen möchte, Hubots beim dauernden Aufladen und „Was machen wir jeeeetzt?“-Gefrage in kuscheligen Wohnstuben zuzusehen, werde ich im nächsten Jahr entscheiden müssen. Immerhin bietet die bereits angerissene Idee, Opas Geist in einem Roboter weiterleben zu lassen, noch Moral-Potenzial für mindestens 4-5 Episoden. Die „Sex mit Hubots“-Idee sogar für 40-50, wenn man die Serie vielleicht „Ab 18“ laufen lassen würde.


Fazit:

Tolle Serie mit vielen kleinen Schicksalen und guten Darstellern, die ihr Bestes geben, die Prämisse bis zur Unkenntlichkeit auszulutschen und zu zerfasern. Und das ist durchaus positiver gemeint, als es klingt. Sollten die Charaktere noch etwas weniger wankelmütig und oberflächlich rüberkommen („Ich zieh aus… Ach ne, doch nicht, heute ist ja Dienstag.“) und man den Agenten-Krampf nicht übermäßig auswalzen, könnte die Serie noch mal die Kurve bekommen. So aber gibt es für die kummerbehafteten Crime-Szenen 5 von 10 Punkten, für die Soap-Szenen und Moral-Fragen derer 7. Oder, wie wir anspruchsliebenden Deutschen zu sagen pflegen: „4 Mal die Bewertung eines ‚Tatort’s!“

Auch, wenn die 6 weiter unten nicht übermäßig spannend aussieht: Als Genre-Fan MUSS man die Serie eigentlich gesehen haben.

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Artikel

von Klapowski am 11.12.13 in Serienkritik

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