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„Der Tag, an dem die Erde still stand“ (1951) – Ein Klassik-Review

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„Endlich mal wieder ein Klassiker!“, höre ich die Zukunftia-Fans der allerersten Stunde raunen, die 1938 bei der „Reichskristallnacht“ noch glaubten, dass sie hierfür ihre eigenen Siliziumkristalle mitbringen müssten. Denn noch unter dem Einfluss des zweiten Weltkriegs entstand 1951 dieser Film, in dem ein Fremdling große Mühe hat, überhaupt erst mal auf taube Ohren zu STOßEN, die seinen Warnungen (nicht) zuhören wollen. Doch wie ist der S/W-Blässling überhaupt aus heutiger Sicht gealtert?

INFORMATIONEN:

Regie: Robert Wise
Jahr: 1951
Budget: 1,2 Mio. $

, „Der Tag, an dem die Erde still stand“ (1951) – Ein Klassik-Review
Die Tage, an dem der Stillstand still stand (Griechisches Remake)
Inhalt: Ein menschenähnlicher Außerirdischer mit eigenem Roboter landet in einem Stadtpark der USA, um der Menschheit irgendetwas Wichtiges zu verklickern. Doch statt das Alien anzuhören, wird es erst angeschossen und darf dann nicht mal mit den Führern der Welt sprechen, da diese fleißig den Kalten Krieg proben. So flieht der Mann aus dem Krankenhaus und versucht seine „Agenda 1960“ über Umwege und die einheimische Bevölkerung zu erreichen…

Bewertung:

Nicht ganz zu Unrecht wird dieser Klassiker der „Jetzt reißt Euch doch mal zusammen, Erdlinge!“-Science-Fiction noch heute oft zitiert. Denn damals war es (noch) relativ neu, dass Aliens die besorgte Supernanny für atombombenwerfende Autokraten mimten, jedoch selber eher gewaltarm die Milchstraße entlangpaddelten.

So weit die filmhistorische Anerkennung… Und jetzt: Häkchen dran, Meckermodus ein!

Was z.B. einem denkenden Bewohner des 21. Jahrhunderts (mit mindestens 21 Gehirnzellen) süß-sauer aufstoßen könnte, ist der naive Umgang des Militärs mit dem gelandeten Raumschiff: Dieses wird nämlich nicht besser bewacht als eine Kirmes-Würstchenbude. – Aus der schon am VORTAG sämtliche Würstchen gemopst worden sind.

Passend zu meinem Presswurst-im-Naturdarm-Vergleich wird die Location auch noch wie ein Jahrmarkt von huttragenden Dumpfbacken von weiß bis afro belagert. In einem Abstand von gefühlten (und realen?) 30 Zentimetern drängeln sich scherzende 50er-Jahre-Hackfressen an einem simplen Flatterband und begaffen DIE Sensation der Menschheit wie den Zwergenweitwurf eines irischen Volksfestes.

, „Der Tag, an dem die Erde still stand“ (1951) – Ein Klassik-Review

„Sir, wenn sie das Alien wären, was würden sie der Menschheit mit auf den Weg geben?“ – „Nun, zuallererst gäbe es antroposophische und kulturelle…“ – „Äh, Sorry. Das ist zu komplex für die Radiozuhörer. Könnten sie bitte statt dessen einfach für unseren Werbeblock singen: ‚Meiers Mettwurst ist die mettste‘?“ – RTL2-Gründung erfolgte bereits in den 50ern: Selbst als sich der Außerirdische zwischen die Zuschauer mischt, hört man ihm nicht zu. Dabei hätte er doch nur ein Transsexueller mit Brustimplantaten sein müssen…?

Aber die wenigen Soldaten, die das Weltbild-verändernde Szenario bewachen müssen, sind ja auch wirklich nicht zu beneiden: Zwei Hansel stehen nachts in drei Meter Abstand daneben und blicken drein wie 7 Tage Pflegeheim… äh… Regenwetter. Es sei denn, beide sind gerade wieder mal auf dem Klo, wurde von dem regelmäßig reaktivierten Kampfroboter (tödlich?) verprügelt oder lasermäßig gleich komplett zerstäubt. Man wundert sich nach zwei Ereignissen dieser Art schon nicht mehr, dass am Ende GAR KEINE Soldiers mehr aufgestellt werden. Ist ja auch schwierig, in der Kaserne noch Nicht-Deserteure zu finden, die ihre Schädeldecken als Laserstrahl-Sparings-Partner zur Verfügung stellen wollen.

Trotzdem: Das Militär hätte sich angesichts der Größe der Entdeckung etwas anderes einfallen lassen müssen, als Passanten in der Nacht bis zur Fußmatte der fliegenden UFO-Tasse vordringen zu lassen. Ist mir sowieso ein Rätsel, warum sich da nicht rund um die Uhr interessierte Paparazzi die Linse faltig geblitzt haben. Aber vielleicht hatten auch diese Bammel vor den gefährlichen Wesen (nein, nicht die Teichenten nebenan). Der Roboter, der am Ende als automatisierte Polizeimacht zur Unterbindung jeglicher Aggressionen vorgestellt wurde (= Große Enthüllung, sollte ich auf keinen Fall spoilen), sollte generell noch ein paar Nachhilfestunden in Deutschen Staatsrecht, Unterpunkt „Verhältnismäßigkeitsprinzip“, nehmen. Einmal verwandelt er z.B. nur ein paar Panzer und Maschinengewehre in Filmgelantine, später aber verdampft er gleich zwei Soldaten, die nur den Straftatbestand des „Doof-Guckens“ (über)erfüllt hatten.

Okay, das eigentliche Alien handelt immerhin sinnvoller als Keanu Reeves in der Neuauflage, der 2008 nach jahrzehntelanger Beobachtung der Menschheit endlich von einem greinenden Nervjungen und einer emotionslosen Demi-Moore-Imitatorin zu der Erkenntnis getrieben wurde, dass die Menschen doch nicht sooo mies sind. Weil sie beim Hinfallen Schmerz verspüren und den Planeten mit dem Salzwasser aus ihren Augen so hübsch terraformen können. – HIER aber hat der Außerirdische sogar ironische Züge, grinst verschmitzt und ist der Menschheit weit voraus, ohne es ihnen mit Menschen-abnagenden Nanobots frech aufs Butterbrot zu schmieren. Und wo Keanu gleich ganze Städte zerbröselt, möchte der 50er-Jahre-Gutmensch… -Gutalien nur ein paar Dutzend Wissenschafter auf Klappstühlen vor seinem Raumschiff versammeln, um in ferner Zukunft Captain Picard ein paar Worte für sein Philosophiestudium mitzugeben. Nett und sympathisch!

, „Der Tag, an dem die Erde still stand“ (1951) – Ein Klassik-Review

„Ein Raumschiff ist im Anflug! Schnell, esst noch eure Picknickkörbe leer und geht dann nach Hause, Kinder! Aber nur EIN Stück Schokolade, hört ihr? Äh, warum wollten wir noch mal den Park verlassen?“ – Man gewöhnt sich ja sonst nichts: Die Rückkehr zur Normalität ist hier nicht notwendig, weil diese gar nicht groß unterbrochen wurde.

Die ganze Handlung ist natürlich biederer als eine Silberhochzeit unter Verwandtschaftszombies, verzückt aber dadurch auch mit der Beschränkung auf das Wesentliche: Wo andere Filme mit Krachbumm auf sich aufmerksam machen würden, gibt es hier nicht mal einen UFO-Auffahrunfall. UND die große Machtdemonstrations-Szene ist eine, in der eben NICHTS mehr läuft, jedenfalls kein elektrischer Strom. Der in den Synapsen der handelnden Personen war ja eh schon runter gepegelt…

Natürlich widerspricht es den heutigen Sehgewohnheiten, wenn der Sohn der Heldin mit dem unerkannten Alien „ausgehen“(!) möchte (so was würde heute kein Katholik mehr seinen Nachbarjungen offen fragen) und der Bengel zwischen Holzeisenbahn und langweiligem Eis-Essen vom „mehräugigen Marsmann“ schwärmt, als wäre er in den 40er Jahren groß geworden.

Äh, was er natürlich IST. Trotzdem: Das ist noch lange keine Ausrede dafür, sich nicht durch Gewaltpornos, Ballerspiele und Facebook eine gewisse Coolheit zugelegt zu haben. Und wie die Mutter den Bengel da runter macht, als der erzählt, er sei Mister Carpenter zum Raumschiff gefolgt, DAS würde heutigen 10-Jährigen nicht nur die Hutschnur, sondern auch das Springmesser aus der Hosentasche springen lassen. Behauptet die Verbeulte-Dauerwellen-Trägerin doch glatt, der Junge habe „das nur geträumt“. – Nur, um dann folgenlos darüber zu grübeln, warum seine Schuhe über Nacht eigentlich nass geworden sind. („Hm, jetzt schon am Onanieren? Dabei ist der doch noch gar nicht 21?“)

Das sind – neben dem erstarrten Kreischen angesichts eines sich laaangsam nähernden Roboters – so die Momente, in denen man sich fragt, ob fiktive Menschen (oder reale Zuschauer) vor 60 Jahren alle noch zu blöd zum Haufi-Machen waren. Und Kult oder nicht: Trotz der schönen TOS- und TNG-igen Botschaft des Filmes STÖRT es mich einfach, wenn ein Alien unbewacht in einem zigarettenmäßig zugerauchten(!) 2-Quadratmeter-Krankenhaus eingesperrt wird. – Wo zudem weit und breit kein Schießeisen zu sehen ist und das Fenster auch keine Gitter kennt. Und überhaupt: Warum tragen die Nachrichtensprecher im Fernsehen bescheuerte Texas-Hüte und wieso war es selbst bei den damaligen Weltspannungen nicht möglich, ein paar Politiker oder Politiker-Stellvertreter zum Vertreter einer galaktischen Zivilisation zu schicken? Auch, wenn dieser sich weigert.

Wenn ich mich recht erinnere, ist der ranghöchste Gesprächspartner dieser speckige Typ vom Anfang gewesen, der wie 65 aussah (was damals alle 30-Jährigen zu tun pflegten) und vermutlich nur vom Ausländermeldeamt kam.

, „Der Tag, an dem die Erde still stand“ (1951) – Ein Klassik-Review

„Robbi? Pass auf das Schiff auf und lass keinen durch, der nicht mindestens die 10 Kommentarbände zu den drei Robotergesetzen gelesen hat, klaro?“ – Robot-Herr: Die meiste Zeit steht der Roboter den Maulwürfen im Stadtpark einfach nur die Wohnzimmerdecke beulig. Doch wehe, wenn er durch Gewalt in seiner Umgebung aktiviert wird! Dann reicht er nämlich selbstständig Verfassungsbeschwerden gegen die NPD ein, oder aber organisiert Volksabstimmungen gegen sexismusfeindliche Kommentare am Bahnhofsstrich.

Aus heutiger Sicht fehlt der Story natürlich etwas die Guck-Relevanz. Was hier in 90 Minuten zwischen Frühstückstisch, Parkbesuch und 4-Augen-Pläuschen besprochen wird, ist in Zeiten, in denen die vielschichtigen TNG-Abenteuer bereits vielfarbigen Staub angesetzt haben, nicht mehr sooo spannend. Und dass die Menschen sich selbst zerstören könnten, fortschrittlichere Wesen darüber aber nur die tentakelbewehrten Schultern zucken („Mann, voll der Hartz-4-Planet!“), all das sagt mir jedes UFO- und Jesus-Medium ständig, dem ich auf der Esoterikmesse einen Knopf in den Hut werfe.

Dennoch hat dieser Film seine eigenen kleinen Momente, die man mit den eigenen Erfahrungen abgleichen kann: Wie der Herr Alien mit einem Minimum an Großkotzigkeit die Formel an der Tafel des Physikers verbessert (habe schon Mathelehrer gesehen, die sich für gottähnlicher hielten), wie der Nervjunge seine 2 Dollar gegen 2 lupenreine Diamanten tauscht (mein Finanzberater hatte ähnliches mit mir vor) oder wie plötzlich auf der ganzen Welt der Strom nicht mehr funktioniert (sofortige Umstellung auf regenerative Energien einfach 60 Jahre vorweg genommen?)… Das, zusammen mit dem Schwarz-Weiß-Look, gibt einem das biedere Gefühl zurück, dass wir noch mit 6 Jahren hatten, wenn wir Dick&Doof, Miss Marple oder „Raumpatroille Orion“ toll fanden. Dieses warme „Oh, wie süß die damals waren“-Gefühl, das einen nur überkommt, wenn nicht nur auf glaubwürdige Effekte, sondern sogar auf die Farbe an sich verzichtet wird.

Zumindest war der Streifen damals zu Recht bahnbrechender als sein Remake es heute sein konnte: In einer Zeit, in der zu flirrender Orgelmusik meist irgendwelche haarsträubenden Bedrohungen den Zuschauer erschrecken sollten, war die „Haltet zusammen“-Botschaft mit nur ein weeenig Roboter-Action fast schon ein Intellekt-Tsunami.

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„Guten Tag, sie haben ihre Haushaltsabgabe nicht bezahlt!“ – „Ich sitze im Knast, GEZ-Blechmann!“ – „Na und? Mit den Ritzen der Gitterstäbe und ihren Augen könnten sie illegalerweise den Vorspann vom ‚Tatort’ nachspielen!“ – Oberarme aus dem Spinatsektor der Galaxie: Der Kampfroboter kommt überall durch, selbst nachdem er in der Filmhandlung kurzfristig in Plastik eingegossen wurde. Was bei einem Wesen, das „härter als Diamanten“ sein soll, vermutlich eine rein kosmetische Maßnahme sein sollte.


Fazit: Kann man gerne mal schauen, WENN man sich danach die Augen mit bildgewaltigen Videogames und 2-3 „Transformers“-Filmen ausspült, um halbwegs wieder in die vorherrschende Zwangscoolness zurück zu finden. Die Erzählweise ist übersichtlich, die vermittelte Botschaft verständlich (an der Grenze zur Intelligenzbeleidigung) und die Figuren allesamt etwas dröge im Koppbereich, aber wenn man sich etwas in die damalige Zeit versetzt, ist nichts davon verwerflich oder außergewöhnlich.

Aus historischen Gründen sollte man sich den Film ruhig mal ansehen, waren die Musik, die Trickeffekte und die Botschaft doch damals ganz vorne mit dabei. Und das wollt ihr coolen Kids doch heute auch sein, ooooder? (*Zuleser clever zum Filmansehen animier*)

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Artikel

von Klapowski am 06.03.13 in Filmkritik

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Kommentare (3)

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  1. Jabba sagt:

    Ach was, im Original gab es auch schon einen Nervjungen ? Im Remake ist „Nervjunge“ noch zu harmlos, „Bildschirmeiterpickel“ käme er an das heran, was ich bei jeder Szene mit Smith Junior empfand.
    Sollte der Rundfunk den Film mal wieder bringen, werde ich ihn mir mal anschauen. Hoffentlich kommt der dann nicht zu spät, für gewöhnlich werden die Augen bei diesen Filmen abends nach spätestens 20 Minuten bleischwer, wenn die erste Klassikeuphorie verflogen ist.

  2. BergH sagt:

    tach auch !

    Vergesst das Remake mit Kanu Riwes.

    Klatu Barada Nektu
    ruledz

    Gruss BergH

  3. Onkel Hutt sagt:

    nek….nektar….nekatarine…

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