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„Paranormal Activity“ – Review zur anormalen Aktivitiätslosigkeit

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Mit Homevideos gegen die Finanzkrise: Über 100 Millionen Dollar spielte diese Produktion allein in den USA ein, die mit sparsamsten Mitteln arbeitete. Es geht um ein palaverndes Paar, dessen Haus von Poltergeistaktivitäten heimgesucht wird und diese mitfilmt. – Leider konnten die beiden mangels eigenem Überleben aber am Ende nicht die 90% an irrelevanten Szenen herausschneiden. Somit werde auch ICH demnächst reich werden, da ich mein Gejammer über das Dauergejammer auf dem Fernseher ebenfalls mit einer Webcam mitgeschnitten habe… – Genial!


INFORMATIONEN:

Regie: Oren Peli
Jahr: 2007
Budget: $15.000

, „Paranormal Activity“ – Review zur anormalen Aktivitiätslosigkeit
Wenn die Phantasie Euch einen Streich spielt... - dann haut Ihr zur Strafe eins aufs Maul!

Die ersten 10 Minuten erwartete ich jede Sekunde, dass die charmante Freundin und der gutaussehende Technikfreak sich spontan auf dem Küchenzeile oder in der Sofaecke begatten. Allerdings würde man bei der HIER vorherrschenden Dramaturgie wohl vorher einen Schutzbezug drüberziehen: „Come oooon! I don’t want to wash your sperm off our sofa cushion again!“ – Nach 30 Minuten hat man schon den ironisch-verspielten Singsang im Ohr, in dem das Pärchen hier meist kommuniziert. „Twittern im Wohnzimmer“. – Ich glaube sogar, dass eine halbe Stunde mit der nichtsynchronisierten Fassung bis zu 6 Monate Sprachurlaub in den USA ersetzt! – Yes, it can!

Vielleicht liegt dieser anfängliche Eindruck aber auch einfach daran, dass… äh… Freunde von mir sich zu viele Pornos angesehen und mir dann davon erzählt haben, genau! Was soll man auch sonst erwarten, wenn ein Typ mit Wackelkamera durch ein unauffälliges Wohnhaus stapft und seiner sympathischen Freundin in vertrauter Aufspringer-Atmo mit dem Objektiv über’s Ohrläppchen streichelt?

Wie dem auch sei: Es folgt der Besuch eines Experten für Paranormales, der wie eine Mischung aus Kammerjäger und Finanzberater über die Dielen spaziert und allerlei Wissensunwertes von sich gibt („Gefährlich, manchmal Tote, sie können davor nicht weglaufen, blablablubb! – Hey, ich habe gerade in meine Wasserflasche hineingesprochen!“). Schon kurz danach fällt auf, dass jetzt schon vieles an Potenzial verschenkt wurde. Wie hätte ich mich erschrocken – eingelullt von der Parallelweltaufnahme meines eigenen Beziehungswunschtraumes – , wenn beim Zähneputzen plötzlich ein Schatten im Badezimmerspiegel vorbeigehuscht wäre!

Stattdessen wird jede paranormale Aktivität (= Tür, die sich im Luftzug bewegt) zu Beginn noch per „Night #3“-Texteinblendung angekündigt. Hier erschreckt sich garantiert keiner, der abgebrüht genug ist, um bei Gelb über die Kreuzung zu fahren! Und wer derlei Filme immer noch für echt hält, nur weil der Camcorder genau so schaukelt wie auf Onkels Bennos 80. Hochzeitstag, dem ist auch mit einem fünffachen „Tagesschau“-Einlauf nicht mehr in die Realität zu helfen.

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„Huii, ich bin ein Geist! Jag‘ mich nackt um die Gardinenstange, Schatz!“ – „Geht nicht! Ich muss in der Besenkammer auf alten Konservendosen mit Aprikosenkompott herumtrommeln!“ – Morgens, halb 9 in Hartz-IV-Land: Ein Großteil der freien Tageszeit wird mit Albern- und Nichtigkeiten ausgefüllt. Die restlichen 17 Stunden der Hauptfiguren gehen vermutlich für Sichtung, Komprimierung, Schneiden und Übertragung der aufgenommen Datenmengen drauf…

Klar: Weniger ist in einem guten Horrorfilm oft mehr, aber wenn der „Geist“ nur mal nachts die Deckenlampe schwingen oder auf der Tonspur der aufgezeichneten Sounddatei höchstens mal einen Furz ablässt, braucht man schon sehr zart besaitete Zuschauerinnen im Eierlikör-Vollrausch, die das gruselig finden können.

Okay, ein paar mal fragte ich mich dann auch: „Was passiert wohl jetzt?“ – Aber das geschieht gelegentlich auch bei den Telefongewinnspielen auf 9Live oder bei der Durchsicht des Überwachungsvideos des hiesigen Fischgeschäftes. Die menschliche Neugier ist eben einfach größer als das Wissen, dass da wieder nur ein paar Blödmänner die „Sony Camcorder“-Filmakademie besucht haben, die mit seltsam leeren Kühlschränken, mysteriös beschmutzter Bettwäsche oder einer geheimnisvollen Gewichtszunahme auf der Badezimmerwaage mächtig viel Kohle abgreifen wollen.

Und so dauert es tatsächlich ein ganzes Weilchen, bis man das Paar langsam anstrengend, dann nervtötend und zuletzt unerträglich findet. SIE entwickelt sich – Klischee ahoi! – zur Eisprungdiva und Meckerpott-Köchin, die jeden Versuch von IHM gefährlich findet, dem Spuk auf die Spur zu kommen. „Du sollst es doch nicht böse machen!“ ranzt sie dann schon mal herum und scheint damit MICH zu meinen. Denn langsam nervt auch ER, der schmierige Daytrader, der sein Laptop als Hirnersatz mit sich herumträgt und so sympathisch wie ein zugekokster FDP-Wähler daherkommt. Ein echter Yuppie, der alles besser weiß und besser kann, in zehn Jahren aber voll in die Midlifecrisis brettern wird, weil er sein Geld für Kühlschränke am Nordpol in den Sand gesetzt hat.

„Wah, ich habe solche Angst! Ich will zu meiner Mama! Nein: Sogar zu der MAMA meiner Mama!“ – „Sehr schön, Leute! Ihr habt euch euer Gratispopkorn redlich verdient! Holt es euch am Kinoausgang ab, ja? Und jetzt raus hier, ihr käuflichen Mietschisser!“ – Um das Testpublikum so zu schocken, wie hier zu sehen, wurde zwischendurch immer wieder die Restspielzeit dieses überlangen Homevideos eingeblendet.

Nachdem über eine Stunde vergangen ist, war das Gruseligste gerade mal ein Beschwörungsbrett, das in Flammen aufgeht. Ich sah vor meinem geistigen Auge da aber weniger einen Dämon, sondern unsere zwei „Big Brother“-Beziehungsballerköppe, die nach dem rettenden Kameraschnitt schnell mit Feuerlöscher und Löschdecke eingegriffen haben werden. 15.000 Dollar Budget (warum eigentlich noch so viel?) sind schließlich nicht ganz ausreichend, um einen abgebrannten Couchtisch zu refinanzieren… Wer Kunst erschaffen will, muss hier garantiert nicht leiden, es sei denn, man rechnet die verpassten TV-Talkshows während der „Produktionsphase“ dieses Werkes als Schaden ein.

Damit sich aber auch keiner zu sehr erschreckt, passierte der oben erwähnte Effekt erst, nachdem alle das Zimmer verlassen haben und die Kamera sinnvollerweise die verwaiste Satan-Dachpappe eingefangen hat. Da ist uns schon klar, dass gleich etwas passieren wird! Nichts gegen das geringe Budget des Filmes, aber wer 15.000 Dollar für einen Streifen ausgibt, der damals noch keinen Verleih hatte, sollte auch etwas Geld für „Das Lexikon der Filmkunst“ und andere Lexikalische Werke investieren können. So fühlt sich der Zuschauer gleich etwas weniger verarscht und die Macher eventuell ein klein wenig cleverer als saudämlich.

In nur 7 Tagen wurde das Werk im eigenen Haus gedreht und der Macher kann tatsächlich stolz von sich behaupten, dass man dem fertigen Film jeden einzelnen der verdammt vielen Tage ansieht. Gelegentlich ist auf Webseiten zu lesen, dass man sich viel Mühe mit einer unheimlichen Tonspur gab (unterschwelliges Rauschen, ect.). Ähnliche Kontaktaufnahmen zum Reich der Hirntoten sind allerdings auch schon bei UNS gelaufen und sind auf dieser Webseite unter dem Suchbegriff „Radio Dingsda“ zu finden.

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„Da! Da hat sich was bewegt! Was mag das nur sein?“ – „Ich bin’s doch! Deine Freundin! Was soll denn der Scheiß, Alter?“ – „Wah, es spricht! Und es gibt sich als meine Freundin aus, die vor 3 Jahren gestorben ist!“ – „Ich bin damals nicht wirklich gestorben, Mann! Das war nur ein Sprichwort, weil der Sex damals so gut war! Hey, was machst du denn jetzt? Finger weg!“ – „Ich habe eine feuchte Stelle an dem Geist gefunden. Muss wohl Ektoplasma sein!“

Aber ich will fair bleiben: Das Paar spielt seine Rollen wirklich glaubwürdig. Vor allem die Dame des Hauses wirkt authentisch und erinnert an nervige Exfreundinnen, über die wohl fast jeder (außerhalb einer SF-Webseite) herziehen könnte. Und ein kleeein wenig schüttelte es mich dann doch, als plötzlich die weißen Fußspuren zu der Dachbodenluke führten, wenn auch nur in Vertretung für die zuständige Reinigungskraft.

Doch diese Momente sind zu schnell wieder vorbei und wären wohl auch herbeiführbar, wenn ich nachts selber mit Camcorder über den Friedhof schleichen und Euch 90 Minuten lang was vom Pferd erzählen würde: „Uuuund jetzt muss ich flüstern, denn daaaaa hinten liegt unser altes Webdesign von G.G.Hoffmann aus dem Jahre 2001. Manchmal, so erzählen sich die Leute, hört man die Balken des schon damals veralteten html-Codes in Vollmondnächten knarren.“

Und statt sich zusammenzutun und die Geschehnisse aufzuklären, wird am Ende nur noch hysterisch über die Anwesenheit der Kamera gestritten. Natürlich von IHR ausgehend; man weiß schließlich, welcher Tonfall sich für Eierverstockte gehört. – Psychologisch ist der Streit zwar nachvollziehbar, aber dramaturgisch ist die plötzliche Streit um die bunte Kameralinsensuppe in jedem Raum nur noch für den Arsch. Und dieser ist in diesem Fall der Zuschauer.

Das blöde Geheule und Diskutiere am Ende killt jeden Gruselspaß, weckt aber neue Horrorgeschichten um gemeinsames Wohnen. Am Ende killt die besessene Kathie übrigens ihren Mica (verdientermaßen) mit einem Messer und wird ihrerseits später von Polizisten erschossen. Diese ganze Sequenz dauert allerdings 5 Minuten, weil man sie die meiste Zeit mit monotonen Bewegungen vorm Bett herumwippen sieht. Als Zuschauer, der dieses Werk anderthalb Stunden lang ertragen hat, möchte man an dieser Stelle freundlich anfragen: „Ist neben dir noch Platz?“

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„Verdammt, irgendwas Grausames habe ich angestellt, weiß aber nicht mehr, WAS!“ – „Über 100 Millionen Dollar mit diesem Wohnzimmerhorror in Nebeloptik eingespielt, vielleicht?“ – Seit 22 Stunden ist es Zeit für’s Bett: Das Ende passt zum Film wie Irrenanstalt zu Elektroschocks. Immerhin ist es endlich vorbei. – Aber weeehe deeeeem, der jemanden kennt, der diesen Film zusammen mit euch noch mal sehen möchte! (*Schockermusik einspiel*)


Fazit: Zwischendurch ist man so eingelullt, dass man tatsächlich aus der Hose gesprungen wäre, wenn plötzlich ein schwebendes Telefonbuch gegen die Kamera geklatscht wäre. Aber da der ultrakonservative Dumpfbackendämon sich wohl an ein ebenfalls telefonbuchdickes Regelwerk halten musste (§15: „Spuken nur nachts und mit vorheriger Schrifteinblendung“), gibt es keine echten Schockeffekte.

Eine richtige Geschichte übrigens auch nicht. Dafür haben die Figuren später aber mal etwas, mit dem sie im Himmel den drögen Berufsalltag ihrer Scheidungsanwälte erheitern können („Immer nur war seine Arbeit und der Dämon das wichtigste für meinen Mann, buhuu!“).

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Artikel

von Klapowski am 15.04.10 in Filmkritik

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Kommentare (3)

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  1. Eierbrötchen sagt:

    Dieser Film soll tatsächlich soviel Geld eingespielt haben? Ohgott Ohgott ohgott

  2. Donald D. sagt:

    @ Eierbrötchen: Allerdings!!! Weltweit, laut boxofficemojo, knapp 193 Millionen US-Dollar!

  3. Mary sagt:

    Super lustig geschrieben! Respekt! :)

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