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Chroniken eines Videospielers – Teil 2: Wenn die Übersicht gekillt wird

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Wahrscheinlich bin ich mit Ende 20 einfach zu alt für diese neumodischen Computerspiele. Vielleicht liegt es daran, dass neuerdings jeder sichtbare Pixel in Tests mit Abwertungen von 10% bestraft wird („Raaah! Die Kante, sie flimmert!“). – Was die schizophrene Frage aufwirft, ob die stets geforderten „Partikeleffekte“ noch welche sind, wenn man sie allzu sehr weichzeichnet… Der Grund, warum mich seit langem kein PC-Spiel mehr angeturnt hat, erläutere ich heute einmal am Beispiel der „Die Siedler“-Reihe…

Die Siedler. – Welche schönes Spiel für alle Zielgruppen! FDP-Wähler schätzen seinen liberalen Markt, SPD-Kunden seinen Drang zum Kohleabbau und CSU-Mitglieder den frühen Hang des Games, Frauen am heimischen Herd zu verstecken.

Ich liebte den ersten Teil, der Geschichte schrieb und vergötterte den zweiten, der einfach alles noch einen Tacken richtiger machte. Den Dritten habe ich dann trotz Echtzeit-Anbiederung auch noch gespielt. Nummero Vier hatte entweder zu viele Bugs oder ich das falsche Spaßverständnis („Hä? Alle stellen die Produktion ein? Verdi, bist du das?“), während Teil 5 dann so Anti-Siedler war, dass ich mich nicht mal zur Installation der Demo hinreißen lassen konnte.

Nun steht Teil 6 vor der Türe! Und er versucht immerhin, einiges besser zu machen, aber mich trotzdem in meiner grundlegenden Meinung zu bestärken. Und die lautet seit einiger Zeit: Heutige PC-Spiele sind was für Studenten, Arbeitslose oder Schüler. Auf jeden Fall was für Menschen mit viel Zeit, Geduld und einer Lernkurve, die anstiegstechnsich so unerschütterlich wie der Mount Everest daherkommt.

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Okay: Das erste „Siedler“ muss man heute nicht mehr spielen. Das denken sich wohl auch neumodische PCs, weswegen diese Aussage auch gleich technisch zementiert wird… Als Anschauungsmaterial für heutige Designer, die ihre Spiele mit immer mehr Details zubuttern, ist das Ding jedoch noch immer bestens geeignet.

Die ersten Infos sind raus: Bei Teil 6 gibt es also nicht nur einen Fischer, sondern auch eine Räucherei… Das an sich kann ich menschlich ja noch verstehen, da Übermaßen rohen Fisches zu lokalen Häufungen von überfüllten U-Bahnen, unverständlichen Schriftzeichen und Unterwäscheautomaten führen können.

Jetzt muss ich (laut „PC Games“) auf dem Marktplatz jedoch auch noch Partys veranstalten, damit sich Pärchen finden! Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis mir auch die Musikauswahl der Festivitäten aufgedrückt wird. Vielleicht noch mit der Umgehungsmöglichkeit, einen coolen D.J. auszubilden. Für den in der Schlosserei zuerst eine Sonnenbrille und ein Cockring gegossen werden müssen…

Die Verkomplizierung der Siedler-Reihe geht aber noch weiter… Die Bürger haben neuerdings mehr Ansprüche als ein Pole vor der EU-Ratsversammlung: Sie wollen Essen, verlangen nach Kleidung, wollen unterhalten werden (ob der Unterhaltungswert von „Arsch voll kriegen“ wohl ausreicht?), ja, sie verlangen sogar nach irgendeinem neumodischen Pipi(?)kram namens „Hygiene“! – Vorbei die Zeiten, in denen unsere Mannen das waren, was sich für einen Untertanen geziemt: Austauschbar. Gesichtslose Wackeldackel, betrachtet aus dem höchsten Zimmer im Elfenbeinturm. – Nie war das Verstehen von Realpolitik so schön wie heut… damals, im Jahre 1996!

Was waren das noch für Zeiten, als Träger noch stundelang geduldig in der Pampa standen und sich an einem Fahnenmast erleichtern mussten! – Oder die Goldbarren ab und zu noch etwas gold-gelber glänzten, als man es erwartet hätte…

Okay, die Sache mit dem Wegebau war nicht so ganz realistisch: Kein Mensch der Welt kommt von sich aus auf die hirnrissige Idee, nur einen handbreiten Trampelpfad zu benutzen… Aber dafür gibt es ja Militärdiktaturen: Wenn’s der Oberbefehlshaber befiehlt und der Verwaltungsdirektor vielleicht noch ein bestätigendes „Das haben wir schon immer so gemacht“ hinzufügt, wird halt in Reih und Glied gestanden, wie noch nie ein Glied zuvor gestanden hat! Basta! Diese planlose Durcheinandergelaufe seit Teil 3 ziemt sich sowieso nicht für ein DEUTSCHES Spiel!

Und wer sagt denn, das Spiele immer realistisch sein müssen? Dann hätte man auch sinnlose Stabfuchtelei der Priester in „Age of Empires 2“ weglassen können! Derlei aufdringliches Winken verbinde ich persönlich nur mit dem Aufruf zur Klingelbeutelvöllerei, von einer heilsamen Wirkung auf den Metabolismus merke ich im realen Leben da nur wenig…

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Übersicht dank Reduktion: Wer solch ein Bild in einer PC-Zeitschrift sah, konnte sich auch ohne Animationen schon ein sehr klares Bild über den Spielaufbau verschaffen. Um den Absatzmarkt für DVD-Filmbeilagen zu stärken, sind heutige Spiele jedoch nur noch mit 10 Zooms und Schwenks in der Minute zu verstehen. Unschöner Nebeneffekt: Das Hirnareal, dass für die Räumliche Orientierung zuständig ist, schwillt kräftig an und beklemmt das Schaltzentrum, in dem Kaufentscheidungen für neue PC-Software getroffen werden…

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New Pork City: Die Gebäude haben die gleichen Größe wie beim vorherigen Bild, müssen jetzt jedoch anhand von Kriterien wie „Moosbewuchs pro Dachziegel“ oder „Mörtelrissanzahl am Dachstuhl“ auseinandergehalten werden. Die Siedler sind zwar realistisch geschrumpft, animieren aber in dieser Größe eher zum Kauf von Insektiziden als zu „Ach-wie-Putzig“-Rufen.

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Zynika.de konnte exklusiv einen ersten Blick auf die Gamma-Version von Siedler 7 werfen, das 2009 auf den Markt kommen soll: Deutlich zu erkennen ist hier bereits die Fleischerei (unten links), irgendwas mit Holz (unten Mitte) und der schöne Glanzeffekt auf den nassen Dächern. Besonderen Augenmerk haben die Entwickler auf den Überblendeffekt im Hintergrund gerichtet, der dem menschlichen Sehen nachempfunden sein soll. Zu diesem Zweck hat man eigens Testseher aus unzähligen Augenarzt-Praxen rekrutiert…

Auch das zukünftige Bums-Wunder „Starcraft 2“ sieht nicht nach etwas aus, das ich haben möchte. Jedenfalls nicht mehr als Masern, Mumps oder Extremitätenfäule… Crysis? Würde mir sicherlich gut gefallen, aber die krampfigen Texte in den Spielezeitschriften, die das eh Sichtbare zerreden („tolle Optik dank Motion-X-Blur-Technologie“) statt den Spielspaß zu beschreiben, turnen mich irgendwie wieder ab. – Die Rollenspielhoffnung „The Witcher?“ – Sieht toll aus (und übersichtlich!) und scheint nicht ganz so HdR-klischeelastig wie die Konkurrenz zu sein. Aber ich hasse Spiele, die einem zuviel freie Hand lassen und einen 200 Quadratkilometer in jede Richtung gehen lassen. Dass man das aufgespürte Quest noch nicht spielen kann, merkt man dann erst nach 15 Minuten Fußmarsch durch identische Random-Waldlandschaften, wenn einem Level-89-Monster plötzlich die Level-6-Omme breitklopfen.

Außerdem hasse ich das Gefühl, storymäßig vielleicht etwas verpasst zu haben, weil ich an der falschen Stelle einen anderen Textblock angeklickt habe („Nein Danke, im Moment nicht. Ich komme später noch mal vorbei.“). – Woher soll ich denn wissen, dass mein potenzielle Begleiter in 5 Minuten umgebracht wird, wenn ich ihn nicht gleich in meiner Gruppe aufnehme?

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„Immer mir naaaaach, Männer!“ – „Aber… bist Du nicht unser Gegner?“ – „Stimmt auch mal wieder. Waffenstillstand?“ – Wiedereinführung des Kontrastfeatures nicht vor 2010: Übersicht ist was für Weicheier. Heutige Gamedesigner würden vermutlich auch ein Schachspiel durch Lens-Flare-Effekte verhunzen. (Bild aus „Starcraft 2“)

Vielleicht macht mir die Wii deshalb im Moment noch so groß(/b)en Spaß: Hier wird mit der Pipette fein gekleckert, statt mit dem Farbeimer grob geklotzt. – Und auf „Sim City“, „Die Siedler 2“ und „Anno 1701“ auf dem Nintendo DS freue ich mich auch schon wie ein Schnitzel…

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Artikel

von Klapowski am 24.06.07 in All-Gemeines

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Kommentare (5)

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  1. Solus sagt:

    Siedler 6 ist für die fortschreitende Komplexität der Computerspiele kein optimales Beispiel, denn diese ganzen Neuerungen – von der Hygiene bis zur Forderung nach bestimmten Gütern gab es vor 10 Jahren schon in der anderen erfolgreichen Strategie-Reihe aus Deutschland; genannt AnnoXXXX – was mich vorallem in der Hinsicht wundert, daß Du Dich trotzdem auf deren DS-Version freust. Die Siedler-Designer jedenfalls wollen mit Teil 6 wahrscheinlich die unzähligen Anno-Fans für sich gewinnen, verkauft sich doch die komplexe Inselsiedelei verdammt gut auf dem deutschen Markt. Deshalb sehe ich Siedler 6 weniger im Trend der allgemeinen PC-Computerspiele, sondern eher als Opfer des garstigen Kapitalismus.
    Im übrigen halte ich diesen Trend eigentlich gar nicht für existent. Es ist zwar tatsächlich so, daß vorallem bei Spiele-Serien der Funktionsumfang gern mit jedem neuen Produkt erhöht wird, aber genauso könnte man auch die DeusEx-Serie nennen, bei der Teil 2 stark vereinfacht wurde, oder auch als aktuelleres Beispiel GTA4, das im Gegensatz zum Vorgänger z.B. keine Möglichkeit mehr bietet, seine Figur per Friseur oder Fitness-Studio umzugestalten. Hat keiner genutzt, also flog es wieder raus.
    Außerdem gibt es ja eine Unmenge an eher einfachgestrickter Software – vorwiegend sind das Umsetzungen von Filmen und Serien, aber diverse Knobelspiele wie „Crazy Machines“, oder Fun-Egoshooter wie „Serious Sam 2“. Oder eben gar das gelungene Remake „Die Siedler – Die nächste Generation“, was Du in Deinem Artikel komplett verschwiegen hast, weil es nicht in Dein Beispiel gepasst hast. Pfui dafür übrigens !
    Der Computerspielemarkt ist jedenfalls weiterhin breit gefächert und bietet auch für überforderte Klapowskis genug Produkte. Komplizierte Computerspiele gab es im übrigen auch schon immer – man denke nur an die ganzen Flugsimulatoren, die schon zu C64-Zeiten ein halbes Pilotentraining vom Spieler voraussetzten und von jeder einzelnen auf dem Brotkasten vorhandenen Taste Gebrauch machten.

  2. Klapowski sagt:

    Schon richtig alles. Aber es ging nicht so sehr um den Funktionsumfang der Spiele (ein bisschen natürlich schon), sondern vor allem um die Präsentation: Mir gefällt bei Strategiespielen der „Spielbrett-Charakter“ halt einfach gut. Zumindest besser, als in jeden 3-D-Hinterhof kriechen zu müssen, um einem Siedler den Rotz von der Oberlippe zu wischen.
    Zugegeben: Gerade bei Siedler 1&2 fehlten viele Buttons und Menüs, um den Aufbau so hinzubekommen, wie man es sich gewünscht hätte. Oder man musste die Unzuverlässigkeit der Menüs noch mal einplanen, um zum Ergebnis zu kommen. Beispielsweise war es immer ein Krampf, allen Bergwerken stets die selbe Nahrungsmenge zukommen zu lassen. Wenn z.B. die Kohlebergwerke näher an der Nahrungsmittelproduktion standen, wurden die dahinter liegende Gold-Leute einfach mal „vergessen“.
    ABER: Die Aufweichung des Grundprinzips hin zum Anno-Übertrumpfer ist schon eine grandiose Verfehlung. Anno kann ich mir ja noch ZUSÄTZLICH kaufen. Ist ja nicht so, dass man mit der Rohstoffsuche und dem Verbessern der Warenkreisläufe früher nicht ausgelastet war.
    Zu dem redesignten Siedler 2 konnte ich rein gar nichts sagen, da nicht gespielt. Ist vermutlich eine Mischung aus „einfach das beste Siedler“ und „trotzdem nicht mehr so übersichtlich“…

  3. Solus sagt:

    Die Übersicht funktioniert im Spiel doch etwas besser, als es die Screenshots vermuten lassen. Außerdem gibt es fünf Zoomstufen – davon sind zwei sogar sinnvoll, und man kann zwar ganz zeitgemäß alles drehen und wenden, nur fällt die Perspektive danach sofort wieder in ihren Urzustand zurück. Davon mal abgesehen konnte mich das Spiel ansich tatsächlich ein paar Tage lang beschäftigen. Fand ich schon ganz nett.

    Und natürlich geht man mit Siedler 6 schon wieder den falschen Weg. Ein zweites Anno braucht kein Mensch, nur ein zweites Siedler 3 wäre auch recht überflüssig. Ist auch irgendwie gar nicht so leicht, ein Spiel zu entwickeln, was den Namen „Siedler“ verdient, und doch genug Neues vorweist, um die gelangweilten Konsumenten zum Kauf zu animieren. Ein Micromanagement als Neuerung ist da schon fast der logische Schritt, man hätte das alles wahrscheinlich nur sehr viel Siedler-typischer verpacken sollen, anstatt Optik und Mechanismen in Richtung des Spiels zu verbiegen, von dem man die Idee geklaut hat.

  4. Herby sagt:

    Ganz meine Meinung. Der Artikel ist wohl etwas für die Klassiker unter uns. Wenn ich mir vorstelle was ich damals an den legendären Lucas Arts Adventures gehangen habe, oder Siedler I die Nacht durchlaufen habe um am nächsten Tag beim Gegner einzumarschieren… das waren schon herrliche Zeiten.

    Oder „Das Schwarze Auge I+II“, Terror from the deep…. das hat echt gefordert und einen riesen Spaß gemacht. Darum spiele ich diese heute noch regelmäßig „mal eben durch“. Zumindest bei mir ist der Spaß unverändert, auch wenn die Grafik nicht mehr die neuste ist.

    Danke für diesen herausragenden Beitrag an die Bloggosphäre :-)

  5. Solus sagt:

    Und, inzwischen mal Siedler 6 gespielt ? Ich habe es ja neulich gewonnen, sogar die Limited Edition mit BonusDVD, Soundtrack, DemoCD, Poster und Artbook. Für ein Aufbauspiel doch ziemlich albern. Und das Spiel selbst ist wie erwartet, wenn auch anders doch recht enttäuschend. Es ist tatsächlich nicht komplizierter, sondern simpler geworden und in weiten Teilen zur stupiden Routine verkommen. Man hat bei Anno geklaut, aber schlecht und im Grunde sogar zu wenig, denn dort hat man ja ein paar Hürden eingebaut, die den Spieler durchgängig beschäftigen. Beim neuen Siedler hingegen gibt es viel Leerlauf. 2 Häuser gebaut und schon läuft die entsprechende Produktionskette völlig reibungslos (entsprechend ist es auch völlig egal, wie gut man die Häuser optisch unterscheiden kann – einmal gebaut muß man die nie wieder anschauen). Dann heißt es auch schon warten auf das nächste Ritter-Upgrade oder daß genug Geld da ist, um das Gebiet zu erweitern. Und dazu läuft das eben generell immer alles nach dem gleichen Schema ab. Damit ist es natürlich günstiger für Gelegenheitsspieler, aber ich glaube selbst denen ist das auf Dauer zu langweilig.

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